Luther-Kolumne
Die Suche nach einer klaren Botschaft
Den Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum fehlt bisher eine inhaltliche Aussage. Die Wirkung bleibt damit absehbar mager.
Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther seine Thesen des Protests gegen die Glaubenspraxis der (katholischen) Kirche an die Tür der Wittenberger Schlosskirche. Oder auch nicht, darüber streiten Historiker; jedenfalls hat er an jenem Tage an seine kirchlichen Vorgesetzten kritisch geschrieben und legte die berühmt gewordenen 95 Thesen dem Brief bei. 500 Jahre später begannen die einjährigen Feiern zur Wiederkehr der Reformation. Was ist eigentlich die Hauptbotschaft der nun beginnenden einjährigen Luther-Feier? Zwei Optionen sind unterscheidbar: Hat der Protestantismus ausgedient, will er wieder unter das Dach der päpstlichen Kirche? Oder ist die Gewissheit gewachsen, dass es weiterhin gute Gründe für eine evangelische Eigenständigkeit gibt, der Vorrat an Gemeinsamkeit nicht reicht, die beiden großen Kirchen auch in Zukunft getrennt bleiben werden?
Kirche als Marke
„Ökumenisch sein“ ist jedenfalls kein Differenzierungskriterium. Wenn diese Haltung ausgerechnet am Reformationstag von den evangelischen Kirchenleitungen als Hauptsignal ausgesendet wird, zeigt das: Die Botschaft bleibt unklar, die Wirkung damit absehbar mager. Diejenigen, die den beiden verfassten Kirchen den Rücken kehren (jeweils rund 400.000 pro Jahr) haben sich entschieden, weitere sind auf dem Absprung. Was könnte sie aufhalten? Konfessionswechsler sind die absolute Ausnahme. Was sind die Argumente für die Wahl innerhalb des christlichen Angebots? Der Glaubensbürger erfährt: Alles ist gut, irgendwie. Was würden Kommunikationsexperten der Kirche raten? Ich habe herumgefragt und einige interessante Antworten erhalten.
Martin Pross, ein Kreativer, der während seiner Zeit bei Scholz & Friends auch einige Male verantwortlich für Kirchentage gearbeitet hat, meint: „Man muss die einfachen Dinge verstärken. Der Wirkungstreffer kommt nun mal aus der Hüfte, nicht aus dem Kopf. Da kann man doch sagen: Jesus würde es so sagen. Man kann es doch sehr einfach stricken.“ Das Zitat zeigt, um was es hier geht: Gute Kommunikation ist immer empfängerbezogen und emotional, aber gleichzeitig, was den Absender angeht, eindeutig und nicht beliebig.
Was dies bedeutet, sagt Werberin Eva Jung, Chefin der Hamburger Agentur Gobasil, die kirchliche Institutionen berät. Sie findet, wesentliche Glaubensaussagen seien in der Gesellschaft nicht mehr präsent. „Hier hat die Kirche ganz klare Kommunikationsaufgaben, denen sie bislang kaum bis gar nicht nachkommt.“
Grundlagen zur Profilbildung
Rainer Zimmermann, früher Agenturchef sowohl von Werbe- als auch von PR-Agenturen und heute Hochschullehrer, rät: „Ich würde den spirituellen Kern versuchen zu beleben, ohne alles andere.“ Positionierung bedeutet nicht, dem Zeitgeist hinterherzulaufen. Auch der profilierte Hamburger Werber Manfred Schüller meint: „Kirche sollte Justierung oder Gegenposition liefern.“ Und Profil ausbilden, das bedeutet, sich auf Stärken zu besinnen und diese herauszustellen.
Betrachten wir die Ebenen, so könnte im Miteinander der Weltreligionen das religiöse Angebot gegenüber säkularen Wettbewerbern und bloßer Indifferenz herausgearbeitet werden. Unterhalb dieser Ebene konkurrieren die christlichen mit den nicht-christlichen Religionen. Weltweit werden Christen verfolgt. Da muss man von den christlichen Kirchen eine klare Position erwarten, auch hierzulande gegenüber religiös motivierten Übergriffen auf christliche Geflüchtete. Nicht nur gegenüber nationalistisch eingefärbtem Hass muss man sich abgrenzen.
Luther-Kolumne
Im Vorfeld des 500. Jahrestags der Reformation 2017 geben kluge Köpfe im Rotary Magazin Denkanstöße zu Glaubensfragen für die Gegenwart. Alle Beiträge finden Sie unter rotary.de/luther
Die nächste Ebene ist die evangelische Kirche mit ihren unterschiedlichen Strömungen. Für die Protestanten muss der Slogan „Evangelisch aus gutem Grund“ immer wieder mit Leben erfüllt werden. In den Worten von Lars Harden, Hochschullehrer und Chef der hannoverschen Agentur Aserto sowie strategischer Berater von kirchlichen Institutionen, sollte diese Aufgabe im Mittelpunkt der evangelischen Kommunikation stehen, auch und gerade beim Reformationsjubiläum.
„Das Mantra muss sein, das Differenzkriterium von Protestantismus zu anderen religiösen Angeboten herauszuarbeiten. Meine Hauptempfehlung: Positioniert eure Köpfe und gebt ihnen ein klares Profil! Seid sprechfähig! Warum ist es besser, Protestant zu sein, als es nicht zu sein? Auf diese Frage müssten die Menschen, die diese Kirche repräsentieren, eine Antwort haben.“
Kommunikationsexperten plädieren weiterhin dafür, dass mindestens in der Führung der Kirche bindende Autorität sichtbar ist. Aus diesem Grund wurde wiederholt gefordert, auch von mir, die Position des EKD-Ratsvorsitzenden zu stärken. Er sollte dazu hauptamtlich und öffentlich sichtbar als erster Bischof wahrgenommen werden, einen eigenen Titel bekommen, der diesen Anspruch verdeutlicht und in Berlin und Brüssel seinen Dienstort haben. Diese aus kommunikativer Sicht konsequente Forderung wurde postwendend kirchenintern zurückgewiesen: Protestanten haben kein Oberhaupt. Leidet der Inhalt, wenn er besser transportiert wird?
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