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Standpunkt

Interne Vorträge schaffen Nähe

Standpunkt - Interne Vorträge schaffen Nähe
Dr. Henning von Vieregge © Privat

Sie sind ein fester Bestandteil jedes Meetings. Aber warum eigentlich? Bei Vorträgen geht es um sehr viel mehr als den reinen Wissenstransfer

Henning von Vieregge01.11.2024

Ich werde demnächst einen Club besuchen, in dem Freundinnen und Freunde eine hitzige Diskussion darüber hatten, ob man einen bereits eingeladenen Referenten, der kein Rotary-Mitglied ist, nicht wieder ausladen sollte. Man hatte inzwischen von seinem vermeintlich zweifelhaften Ruf gehört. Die Kritiker der Einladung führten „fehlende rotarische Werte“ an, sie stellten beispielsweise seine Integrität infrage und argumentierten, Rotary sei keine Vereinigung zur ethischen Reinwaschung Externer. Die Befürworter hingegen begrüßten die Einladung und bezogen sich ebenfalls auf rotarische Werte. Sie sei ein Beleg dafür, dass der Club offen, tolerant, neugierig und experimentierfreudig ist, hier könne man endlich mal Vielfalt erleben. Tatsächlich fand der Vortrag dann statt, die Präsenz der Mitglieder war außerordentlich hoch, und der Eingeladene entpuppte sich als umgänglicher Mensch, der etwas zu sagen hatte – so wurde mir jedenfalls später berichtet. Anlässlich meines nun anstehenden Besuchs wurde ich um meine Meinung zu diesem „Vorfall“ gebeten, was mich zu einer grundsätzlichen Frage führt: „Was sollen Vorträge eigentlich bewirken?“ Mit der Frage nach der Funktion der Vorträge für das Clubleben bekommt obige Debatte sofort einen anderen Dreh, daher lohnt es sich, hier darüber nachzudenken.

Fundament für Freundschaft

Gewiss kann jeder Vortrag, ob intern, rotarisch extern oder extern, den Mitgliedern Wissenszuwachs ermöglichen. Die Idee der vier Gründer Rotarys war es, jeden Beruf nur einmal zu besetzen, um so in jedem Club durch die berufliche Vielfalt seiner Mitglieder Diskursqualität sicherzustellen. Aber: Intern besetzte Vorträge sind Brücken zum vertieften Verständnis zueinander, sie stellen die Maxime des freundschaftlichen Umgangs auf ein inhaltliches Fundament – zumal auch Themen jenseits der beruflichen Expertise vorgetragen werden. Zum Beispiel ungewöhnliche Hobbys oder auch besondere Lebenserfahrungen. Typische Formulierung an dieser Stelle: „Das habe ich ja von dir gar nicht gewusst!“ Weder das externe Rotary-Mitglied noch der externe Nichtrotarier können damit konkurrieren.

Unterschätzt: Lebensberichte

Wenn man mir bis hierhin folgt, würde ich fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, das Schwergewicht der internen Vorträge durch eine Art Leitformel abzusichern. Ich plädiere dafür, sich künftig bei der Referentenauswahl an einer 70:20:10-Formel zu orientieren. 70 intern, 20 rotarisch extern und zehn Prozent extern-nicht-rotarisch. Sie glauben, so viele interne Referenten lassen sich nicht finden? Ich denke, die meisten Clubmitglieder wissen um ihre Vortragsverpflichtung, aber nicht alle erfüllen sie freiwillig. Wenn diese nur einmal in zwei Jahren fällig würde, könnte auch ein Thema außerhalb des engen beruflichen Radius erarbeitet werden. Die investierte Zeit nutzt ja vor allem dem Vortragenden selber.

Lebensberichte neuer Mitglieder sind eine weitere Quelle, sie sollten zeitnah und vollständig erfolgen. Per Clubbeschluss könnte man auch zweite Lebensberichte verpflichtend einführen, beispielsweise im 70. Lebensjahr. Zugegeben: Wenn der Club diese Regel einführt, ist in den meisten Clubs ein beträchtlicher Überhang abzuarbeiten. Na und? Gerade an den Lebensberichten lässt sich doch verdeutlichen, warum interne Vorträge solches Gewicht haben sollten. In einem solchen Vortrag lässt sich über die Rednerin oder den Redner oft mehr erfahren als in 100 Meetings.

Was den externen Referenten mit seinem angeblich zweifelhaften Ruf angeht, so gilt hier eine prinzipielle Abwägung – zugunsten oder gegen externe Vortragende. Wer Aufnahmekandidat/-in sein könnte oder im weitesten Sinne zur rotarischen Familie zählt, ohne selbst Mitglied zu sein: einladen! In allen anderen Fällen die Quote beachten und lieber nochmals nachdenken. Und dann beherzt handeln. Die Mitglieder werden dem Urteilsvermögen ihrer Führung vertrauen und, wenn es schiefgeht, ihre Fehlertoleranz beweisen.

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