https://rotary.de/gesellschaft/eine-ausstellung-von-weltrang-a-10644.html
Katholische Antwort

Eine Ausstellung von Weltrang

Katholische Antwort - Eine Ausstellung von Weltrang
Dieses in Mannheim zu sehende Gemälde von Giuliano Bugiardini zeigt den Medici-Papst Leo X., der Luther bannte, mit den Kardinälen Giuliano de‘ Medici und Innocenzo Cybo. © Gallerie Nazionali di Arte Antica di Roma, Palazzo Barberini

Mitten im Reformationsjahr widmen sich die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim der Geschichte der Päpste und dem Ende der Einheit der lateinischen Welt.

Daniel Deckers01.05.2017

Man schrieb das Jahr 1522. Die abendländische Christenheit war in Aufruhr wie seit Jahrhunderten nicht. Die beiden katholischen Führungsmächte Frankreich und Habsburg-Spanien kämpften erbittert um die Vormachtstellung im Westen des Kontinents. Vom Osten her drohte eine Invasion der muslimischen Türken, und nun auch noch das: Gut vierhundertfünfzig Jahre nach dem Bruch zwischen der lateinischen Kirche des Westens und der orthodoxen Kirche des Ostens drohte nun auch der römisch-katholischen Kirche die Spaltung. Zwar hatte Martin Luther, der wortgewaltige Mönch aus Wittenberg, in Wittenberg schon seine liebe Not damit, die schwärmerischen Geister zu vertreiben, die sich von ihm gerufen glaubten. Doch der Reformfunke, den der mittlerweile exkommunizierte Augustinermönch Ende Oktober 1517 mit seinen Thesen über den Ablass entzündet hatte, war längst auf so viele Orte übergesprungen, dass er nicht mehr unter Kontrolle zu bringen war. Überall im Reich hatten Bauernhaufen und Humanisten, Fürsten und Reichsstädte Gefallen an der Vorstellung gefunden, im Namen der Freiheit eines Christenmenschen allerlei geistliche und weltliche Herrschaft abzuwerfen.

Schuldbekenntnis eines Papstes
Doch nun das: „Wir wissen, dass es an diesem Heiligen Stuhl schon seit einigen Jahren viele gräuliche Missbräuche in geistlichen Dingen und Exzesse gegen die göttlichen Gebote gegeben hat, ja dass eigentlich alles pervertiert worden ist. So ist es kein Wunder, wenn sich die Krankheit vom Haupt auf die Glieder, das heißt von den Päpsten auf die unteren Kirchenführer, ausgebreitet hat. Wir alle – hohe Prälaten und einfache Kleriker – sind abgewichen, ein jeder sah nur seinen eigenen Weg, und da ist schon lange keiner mehr, der Gutes tut auch nicht einer.“ Das Schuldbekenntnis, das der seit wenigen Monaten amtierende Papst Hadrian VI. im November 1522 auf dem Reichstag zu Nürnberg vortragen ließ, war eine Sensation. Niemals zuvor hatte ein Papst mit solch eindringlichen Worten die Verantwortung für die Missstände übernommen, die seit Jahrhunderten immer neue Kritiker der Papstkirche auf den Plan gerufen hatten.

Ob die Spaltung doch noch abgewendet werden könnte und es „nur“ zu einer Reform der Kirche kommen würde, wie sie auch Luther augenscheinlich anstrebte? Papst Hadrian, ein hochgebildeter Theologe und eine Zeitlang Erzieher des späteren Kaisers Karl V., gelobte, seinen Worten umgehend Taten folgen zu lassen. Die Teilnehmer des Reichstags dürften ihren Ohren kaum getraut haben, als Hadrians Gesandter ihnen versicherte, „… dass wir jede Anstrengung unternehmen werden, dass als erstes diese Kurie, von der das ganze Übel ausgegangen ist, reformiert wird, damit sie in gleicher Weise wie sie zum Verderben der Untergebenen Anlass geboten hat, nun auch ihre Genesung und Reform bewirkt. Dazu fühlen Wir Uns umso mehr verpflichtet, als Wir sehen, dass die ganze Welt eine solche Reform sehnlichst begehret.“

Die Hoffnung währte nicht lange. Zehn Monate nach dem Nürnberger Reichstag von 1522 später war Papst Hadrian VI. tot – verstorben nach einem Pontifikat von nicht einmal zwei Jahren. Unter seinem Nachfolger, dem Medici-Papst Clemens II., wurde Rom mehr denn je in den Strudel der innerkatholischen Machtkämpfe hineingezogen. Von Kurienreform keine Rede, Rom wurde von französischen Truppen geplündert, die Reformation nahm ihren Lauf.  

All diese Vorkommnisse und noch viele mehr wollen in diesem Jahr in zahllosen Ausstellungen, Vorträgen und Darbietungen wieder lebendig werden. Schließlich gilt der 31. Oktober schon seit dem Jahr 1617 als der Reformationstag schlechthin, am 31. Oktober 2017 aber jährt sich der Beginn der Reformation zum fünfhundertsten Mal. Eine solche Zäsur hat es in sich, nicht anders als die vermeintliche „Entdeckung“ Amerikas am 14. Oktober 1492, deren fünfhundertster Wiederkehr vor gerade einmal 25 Jahren ähnlich aufwendig gedacht wurde wie jetzt der Reformation. Beide Ereignisse haben dem Gang der Weltgeschichte für immer eine neue Richtung gegeben, und beide lagen gerade einmal ein Vierteljahrhundert auseinander.

Daniel Deckers

Daniel Deckers ist verantwortlicher Redakteur in der Politik der „FAZ“ und lehrt Geschichte des Weinbaus und Weinhandels an der Hochschule Geisenheim University.



 

Weitere Artikel des Autors

10/2024 Alles auf Wein
10/2023 Die ewige Melodie des Weinbaus
3/2018 Aus der Not geboren
10/2017 Fixstern am gesamteuropäischen Weinhimmel
8/2017 Bilder, Bücher, Bildung
8/2015 Masse und Klasse?
9/2012 Unter den Linden
6/2010 Verfassung und Vertrauen
Mehr zum Autor