Im Fokus
Mit Baby zum Meeting?
Interview mit Annette Seidel
Die 34-jährige ehemalige Rotaracterin kommt aus einer rotarischen Familie und ist seit drei Jahren Mitglied in ihrem Rotary Club. Beruflich ist die Betriebswirtin in der Molkereiwirtschaft tätig.
Sie sind nicht die einzige, aber die jüngste Frau und Mutter in Ihrem Club. Wie intensiv können Sie sich einbringen?
Das war zum Glück nie ein Problem. Ich konnte meinen zweijährigen Sohn als Baby zum Meeting mitbringen, ohne dass das groß als Störung aufgefasst wurde. Im Gegenteil: Alle freuten sich, ihn zu sehen. Auch die Tätigkeit als Clubmeisterin lässt sich mit Beruf und Kind vereinbaren.
So ganz entspannt kann ich mir das Leben als berufstätige Mutter bei Rotary nicht vorstellen.
Natürlich muss das immer geplant werden. Entscheidend ist, dass die Präsenzerwartung im Club auf meine Situation Rücksicht nimmt. Flexibilität in dieser Frage ist sicherlich die Voraussetzung, um zum Beispiel jüngere Frauen für Rotary zu gewinnen. Wir haben in der Vergangenheit mehrfach Absagen bekommen, weil der rotarische Zeitfaktor viele abschreckt.
Ihr Club ist zwölf Jahre alt und gemischt gegründet worden. Ist die Geschlechterfrage überhaupt ein Thema bei Ihnen?
Nein, wir haben einen Frauenanteil von rund 35 Prozent und fühlen uns damit gut aufgestellt. Gezielt nur nach Frauen wird nicht gesucht. Auch für die Clubämter spielt eine Frauenquote keine Rolle. Als jüngerer und gemischter Club gibt es aber schon Veranstaltungen, die sich nicht nur an die Mitglieder, sondern die ganze Familie richten. So haben wir kürzlich eine Familienwanderung gemacht. Und zur Clubfahrt können auch Kinder mitkommen.
Bundesweit liegt der Frauenanteil in den Rotary Clubs bei rund elf Prozent. Tut Rotary insgesamt bisher zu wenig?
Ich glaube, wir müssen hier tatsächlich zwischen den „alten“ Herrenclubs und modernen gemischten Clubs unterscheiden. Wenn ein Club eine oder zwei Frauen aufnimmt, ist das kaum mehr als Symbolpolitik und hilft den Frauen überhaupt nicht weiter. Andererseits muss jeder Club das für ihn richtige Mitgliederverhältnis selbst finden. Ich glaube auch, dass die Prestigefrage der Mitgliedschaft heute keine so große Rolle mehr spielt. Ich sehe das im Club meines Vaters, der seit fast 60 Jahren besteht. Die betreiben einen Nachhilfedienst, in dem jede Woche Schüler persönlich betreut werden. Und dabei spielt überhaupt keine Rolle – weder im Club noch für die Außenwelt –, ob die Betreuer Mitglieder sind oder die Partner von Mitgliedern. So stelle ich mir ein entspanntes Rotary vor: gemeinsam wichtige soziale Aufgaben anzugehen.
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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