Denkmalschutz als Rotary-Projekt
»Ohne engagierte Bürger geht es nicht?«
Beim Denkmalschutz geht es um schöne alte Häuser – auf den ersten Blick. Wenn man sich ein wenig in die Thematik vertieft und die vielen Beispiele gelungener Sanierungen ebenso in den Blick nimmt wie erbitterte Kontroversen, dann wird deutlich, dass zwei Ebenen zu unterscheiden sind: die Sachebene und die politische. Auch Rotarier sind beim Thema Denkmalschutz vielseitig engagiert
aum in einem anderen Bereich stehen sich die Interessengruppen so unversöhnlich gegenüber, dass Auseinandersetzungen bis zum Gewaltausbruch der „Wutbürger“ führen können. Denkmalschutz erweist sich als prototypische Arena für den Konflikt öffentlicher und privater Interessen, wo Bürger und Staat in unterschiedlichen Konstellationen mal mit-, mal gegeneinander agieren. „Partizipation“, das neue Schlagwort für die Forderung nach Bürgerbeteiligung an öffentlichen Entscheidungen, ist im Denkmalschutz ein altes Prinzip. Schon seit seinen Anfängen im 19. Jahrhundert machen Bürger hier ein Mitspracherecht geltend.
Denn ohne sie wären viele Kulturgüter längst verloren. Warum es ohne Bürger nicht geht, zeigt schon ein Blick in die leeren Staatskassen. Denkmalschutz und Denkmalpflege sind auf privates Kapital angewiesen.
Nach Expertenschätzung gibt es in Deutschland allein bei Immobilien rund eine Million denkmalgeschützte Objekte. Der hochgerechnete Sanierungsaufwand übersteigt jede Vorstellungskraft. Auch wenn ihm das Geld fehlt, ist der Staat gleich doppelt gefordert: Er muss die Häuser in seinem eigenen Besitz erhalten und auch dafür sorgen, dass private Eigentümer ihren Erhaltungspflichten nachkommen. Notfalls erinnern betroffene Bürger lautstark daran, dass Renditeinteressen mit dem Denkmalschutz oft auch direkt ihre Lebensqualität bedrohen. Die besondere Public-Private-Partnership in diesem Bereich wird greifbar in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), die sich einerseits als Bürgerinitiative definiert und andererseits unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht. Sie hat mit 200.000 Förderern (!) seit 1985 viele Tausend Projekte ermöglicht und stellt jedes Jahr für mehr als 400 Vorhaben über 20 Millionen Euro an Fördermitteln bereit. Mit dieser Stiftung ist auch Rotary verbunden, vor allem mit einem Projekt, mit dem vor 15 Jahren das Image der Serviceclubs in Deutschland aufgehübscht werden sollte: dem „Haus der Lions und Rotarier“ in Quedlinburg.
Dieses Haus ist in mehrfacher Hinsicht einmalig: als gemeinsame Aktion mit den deutschen Lions, als ambitioniertes Denkmalprojekt und zugleich als Sozialmodell zur Integration behinderter Menschen. Es handelte sich um die Restaurierung eines Fachwerk-Ensembles von 1597, das nach der Fertigstellung 2002 von der Lebenshilfe übernommen wurde, die dort Wohnungen für 21 Behinderte einrichtete. Rotary und Lions hatten sich 1998 verpflichtet, jeweils 500.000 DM aufzubringen. Anschließend würden der Bund und das Land Sachsen-Anhalt ihrerseits in die Restaurierung in der Gesamthöhe von 3,2 Millionen DM einsteigen. Der Deal gelang, ein Vorzeigeprojekt wurde feierlich übergeben, das auch nach zwölf Jahren seinen Charme nicht verloren hat.
Leider jedoch das Interesse seiner Väter. Der Initiator auf Rotary-Seite, Past-Gov. Wolfgang Firnhaber (RC Darmstadt-Kranichstein), ist enttäuscht darüber, dass mit Übertragung des Hauses auf die DSD jedes Interesse daran bei Rotary erstarb. Zwar gründeten beide Serviceclubs noch eine Stiftung, um aus den Erträgen den laufenden Bauunterhalt zu sichern, aber das erwies sich als Wunschdenken, wie Elke von Wüllenweber von der DSD erläutert: „Die Stiftung warf 2013 gerade einmal 1400 Euro an Zinsen ab. Notwendig wären rund 10.000 Euro pro Jahr.“ Anders gesagt: Das Kapital müsste etwa um 600.000 Euro aufgestockt werden, um die erforderliche Rendite zu erzielen. Das ist zufällig der Betrag, den Rotarier und Lions damals für die Anschubfinanzierung aufbrachten …
Zum Glück gibt es für nachhaltigen Denkmalschutz viele andere Beispiele, die von Rotary Clubs angestoßen, geplant, (mit)finanziert und nicht selten auch durch Hands-on mitgestaltet wurden. Dabei geht es zumeist um lokale „Baustellen“, wie etwa beim RC Brandenburg/Havel, der seit 1995 mehr als 120.000 Euro in diverse Projekte gesteckt hat. An der Clubliste ist erkennbar, wie groß die Herausforderungen und wie vielfältig die kreativen Gestaltungsmöglichkeiten sind. Das reicht von der Aufstellung eines Stadtreliefs zum Fühlen, Sehen und Begreifen über die eigenhändige Wiederherrichtung eines verwilderten Gartendenkmals, die Sanierung einer Kirchenorgel bis zur Unterstützung der Restaurierung eines Porträts Friedrichs des Großen. Das jüngste Projekt ist die Stiftung einer Undine-Skulptur zur Bundesgartenschau 2015, die an den Brandenburger Dichter Friedrich de la Motte Fouqué erinnern soll. Darüber hinaus beschäftigt den Club noch die Dachsanierung der Gotthardkirche.
Denkmalschutz ist Luxus
Ebenfalls langfristig engagiert ist der RC Eisenhüttenstadt-Schlaubetal, der seit 2005 jedes Jahr einen „Bürgerpreis Denkmalpflege“ auslobt. Die Idee entstand als Reaktion darauf, dass es seit Jahren in Brandenburg keine Landesmittel mehr für entsprechende Projekte gibt und auch Bundes- oder EU-Mittel kaum zu bekommen sind. Ausgezeichnet werden mit 2000 Euro Vereine, Institutionen oder Einzelpersonen. Mit dem Preis, so Initiator Walter Ederer, will der Club dem Vorurteil entgegentreten, Denkmalschutz sei ein Luxus, den man sich eigentlich nicht leisten könne: „Gerade weil wir hier an der Oder in einer strukturschwachen Region leben, ist Denkmalschutz wichtig, denn er stärkt Identität und Heimatverbundenheit der Menschen. Das merken wir ganz unmittelbar, wenn wir sehen, wie viele Leute immer zu den öffentlichen Preisvergaben kommen. Dieses Projekt ist auch identitätsstiftend für unseren Club.“
Das gilt nicht zuletzt dann, wenn nicht nur Geld fließt, sondern auch Schweiß: So schlug der RC Wertheim vor einigen Jahren der Stadtverwaltung nicht nur vor, das Neue Archiv in der Wertheimer Burg aus dem 12. Jahrhundert zu sanieren, sondern überreichte dazu auch eine Spende von 15.000 Euro und half durch Räumarbeiten, die Kosten zu begrenzen. Der RC Schwedt in Brandenburg hat 2009 die viel beachtete Wiederherstellung eines jüdischen Ritualbades (Mikwe) ermöglicht und außerdem in Eigenleistung die Außenanlage hergerichtet. Der RC Kirchdorf a.d. Krems in Österreich hat 2011/12 zwei kleine Wallfahrtskapellen wiederhergerichtet – unter maßgeblichem persönlichem Einsatz des Präsidenten (und Restaurators) Walter Luckeneder.
Dass Ostdeutschland in diesem Artikel etwas im Vordergrund steht, bestätigt die besondere Dringlichkeit vieler Sanierungsaufgaben dort. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz war in den letzten zwei Jahrzehnten mit Vorrang in den neuen Bundesländern tätig. Der Druck im alten Westen ist dennoch keineswegs geringer, betont Walter Hartl, RC Rothenburg ob der Tauber, der als Oberbürgermeister der weltberühmten Kleinstadt an der Romantischen Straße fast täglich mit dem Thema zu tun hat. „Unsere ganze Altstadt ist ein großes ständiges Sanierungsgebiet“. Zu aufwendigen Maßnahmen gibt es jedoch keine Alternative, ist sich der OB im Klaren: „Man könnte sagen: Die Steine von Rothenburg sind unser Kapital, was den Weltruhm anbelangt, sie kosten aber auch unser Kapital.“
Denkmalschutz ist auch deshalb ein politisches Thema, weil er viel zur Annäherung von Ost und West beigetragen hat. Ein markantes Beispiel ist das langjährige Engagement des RC Lüdenscheid in Thüringen. Ulrich Gallenkamp wollte als Präsident 1999/2000 einen Beitrag zum Erhalt von ostdeutschen Kunstwerken leisten und fand zwei Skulpturen, die der Club für die Rokokokirche in Berka restaurieren ließ. Erst bei der Übergabe im April 2000 sah man allerdings das wahre Problem. Gallenkamp: „Es hat uns alle erschüttert zu sehen, wie heruntergekommen die Kirche war, in der nun die Skulpturen glänzen sollten.“ Daraufhin legten die Lüdenscheider erst richtig los und trugen über mehr als zehn Jahre beträchtliche Mittel für die Anschubfinanzierung zusammen. Spektakulärer Höhepunkt war eine Kunstauktion, bei der Gallenkamp Originale von so namhaften Künstlern wie Sigmar Polke und Günter Uecker versteigern konnte. Allein das erbrachte 85.000 Euro. Im November 2012 feierte die Gemeinde mit einem Gottesdienst die erfolgreiche Wiederherstellung. Ein Beispiel aus Österreich/Tschechien ist die Neuanlage eines historischen Paradiesgartens im Zisterzienserstift Hohenfurth (heute Vyšší Brod in Südböhmen) durch die Clubs Rohrbach, Krumau, Freistadt und Ceske Budejovice (Budweis).
Ins Gespräch zu kommen, zumal nach belasteter Vorgeschichte, trifft den Kern des rotarischen Wertesystems: Frieden und Völkerverständigung. Auch dazu kann die Arbeit an Denkmälern beitragen, wie das Beethovendenkmal in Karlovy Vary/Tschechien zeigt. Das Original von 1929 war nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen worden. Die Anregung zur Wiederherstellung ging vom dortigen Rotary Club aus, beteiligt haben sich Clubs aus Deutschland, Österreich und Italien sowie mit über 15.000 Euro der Distrikt 1950. Die feierliche Enthüllung am 4. August 2012 war nicht nur für Initiatoren und Spender, sondern auch für den deutschen Botschafter ein Pflichttermin.
Der Präsident des Karlsbader Partnerclubs Weimar, Christian Burger, sieht die Bedeutung des Projekts nicht im Denkmal selbst, sondern in einem Detail: „Es ist besonders bemerkenswert, dass die Inschrift auf den Reliefen wie in früheren Zeiten auf Deutsch verfasst ist. Dies ist ein wirklich starkes Projekt für die Völkerverständigung zwischen Tschechien und Deutschland.“n
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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