Rotary Aktuell
Was den Club zusammenhält
Strategische Planung, offene Diskussion und der individuelle Einsatz der Mitglieder – diese Trias entscheidet über den Cluberfolg. Für besondere Leistungen hält RI verschiedene Auszeichnungen bereit.
Wer wissen möchte, was Rotarierinnen und Rotarier so alles leisten, kann sich bei verschiedenen Quellen informieren. Zum Beispiel in den offiziellen Berichten, die Rotary International und die Rotary Foundation jedes Jahr vorlegen und die Aufschluss über Projekte, Pläne und Spendeneingänge geben. Doch die Tabellen mit den großen Zahlen lassen nur pauschale Aussagen zu. Wie aber geht es an der Basis tatsächlich zu, in den 37.000 Rotary Clubs in aller Welt? Folgen sie den Appellen aus Evanston und machen sie sich die offiziellen rotarischen Programme zu eigen – oder gehen sie fröhlich ganz eigene Wege?
Anerkennung
Fundierte Aussagen finden sich unter dem Online-Tool „Rotary Club Central“, das Rotary International für die – wörtlich – „wichtigste Anerkennung für Rotary Clubs“ angelegt hat: Diese sogenannte „Rotary Citation“ ist auf den ersten Blick ein Wettbewerb mit Leistungsanerkennung, an dem sich möglichst jeder Club beteiligen sollte, um zu überprüfen, ob er im Sinne der rotarischen Programme funktioniert. Man führt dort anhand eines vorgegebenen Ziele-Katalogs Buch über die erreichten Erfolge und erhält im Gegenzug ein Zertifikat. Die „Citation“ selbst ist allerdings kaum mehr als Dekoration: RI geht es vielmehr darum, valide Auskünfte aus den Clubs über Prioritäten, Ambitionen und tatsächliche Fortschritte zu erhalten. So wird das Strategietool zum Seismografen, um notfalls gegensteuern zu können.
Der Ernstfall ist nämlich näher, als man denkt. Beispiel Polio-Spenden: Es gibt seit Jahren eine lukrative Arbeitsteilung mit der Bill & Melinda Gates Foundation, die bis zu einer Summe von 50 Millionen US-Dollar pro Jahr jeden frischen Spenden-Euro von Rotary für den Kampf gegen die Kinderlähmung mit zwei Euro aus der Stiftungskasse aufstockt. Liegen wir zum rotarischen Jahreswechsel unter den 50 Millionen, verlieren wir viel Geld: mit jedem Euro genau zwei weitere. Deshalb sind alle Clubs aufgerufen, jährlich umgerechnet 1300 Euro einzuzahlen, um die volle Zuwendung zu kassieren. Das ist in den letzten Jahren oft nur auf den letzten Drücker gelungen, und auch nur durch zusätzliche Mittel aus den Distriktkassen.
Rotary Club Central
Deshalb legt RI so großen Wert auf Rotary Club Central, das direkt von der Webseite rotary.org angesteuert werden kann. Ganz konkret wählt jeder Club aus einer Liste von 25 Leistungsmerkmalen die für ihn passenden aus. Mindestens 13 Merkmale müssen erfüllt werden. Zum Beispiel: Wie viele Mitglieder will der Club im laufenden Jahr hinzugewinnen? Wie viel für die Polio-Kampagne spenden? Oder auch: Wie oft informieren Sie die Medien über diese Serviceprojekte? Die Angaben können über drei Jahre abgelesen werden und zeigen die Leistungen im weltweiten Vergleich sowie auf Zonen- und Distriktebene.
Sind die Ziele erreicht (und alle Rechnungen pünktlich bezahlt), erhält der Club ein Zertifikat. Das muss man sich zwar selbst ausdrucken, hat damit aber ein offizielles Dokument, das man sich im Clublokal an die Wand hängen kann. Im Verbreitungsgebiet unseres Magazins haben elf Clubs diese „Citation“ für das Jahr 2019/20 erworben (siehe Rotary Magazin 10/2021) – mitunter sogar, ohne zu wissen, dass mit diesem Strategie-Tool eine Ehrung verbunden ist.
Es ist halt eine Planungshilfe, um Kernfragen wie Mitgliederentwicklung, Serviceprojekte, Teilnahme an RI-Angeboten (von der Distriktkonferenz bis zu Rotary Action Groups), Spendenbereitschaft, Förderung von Jugendaktivitäten (Rotaract, Interact) sowie Öffentlichkeitsarbeit einzuschätzen.
Einbindung des ganzen Clubs
Beim RC Weiz im österreichischen Distrikt 1910 war dafür im Präsidentenjahr von Gertrude Frieß der ganze Club eingebunden: „Es gab Teams für verschiedene Verantwortungsbereiche, zum Beispiel einen Mitgliederausschuss, die gemeinsam mit der Präsidentin das Ziel erarbeitet haben. Diese Ideen beziehungsweise Ziele werden dann in einem Meeting diskutiert, dann im Vorstand besprochen, nochmals diskutiert und letztlich beschlossen. Die Beschlüsse werden dann beim nächsten Meeting als Ziel ins Protokoll aufgenommen.“
Im RC Ludwigslust musste sich Hans-Werner Reimers allein an die Datenbank setzen, konnte aber in einem extra anberaumten Strategie-Meeting immerhin zwölf Freunde für die strategische Perspektive interessieren. Sein Fazit: „Das ist ein gutes Instrument, um zu reflektieren, was man als Club so alles geleistet hat, wo unsere Stärken und Schwächen liegen. Zum Beispiel war es sehr informativ, einmal zu sehen, wie viele Arbeitsstunden tatsächlich für ein bestimmtes Projekt zusammenkommen.“
Strategieplanung
Für Jörg Max Haas, Governor nominee im Distrikt 1940, reicht die Bedeutung des Strategie-Tools über den Club hinaus: „Jeder, der sich an diesen Planungen beteiligt, liefert ein Puzzleteil zum Gesamtbild des Distrikts. Deshalb arbeiten wir darauf hin, dass möglichst viele Clubs diese Möglichkeit nutzen.“
Der Distrikt muss andererseits aber auch liefern, etwa über seine Schulungsangebote: „Strategische Planung muss auf Distriktebene vorgelebt werden“, betont Haas. „Die knappe Zeit im President elect Training Seminar (PETS) reicht allein nicht aus, um eine längerfristige Perspektive zu vermitteln. Erfolg werden wir als Organisation erst dann haben, wenn die Clubpräsidenten die Strategieplanung als ihre Kernaufgabe annehmen“.
Kaum Interesse an Awards
Die „Citation“ ist in der Liste der Rotary-Auszeichnungen (Awards) eine Ausnahme, weil sie vor allem Anreiz zu mehr Aktivität sein soll. Daneben gibt es verschiedene tatsächliche Ehrungen für Clubs, Mitglieder oder auch Nicht-Mitglieder (siehe nebenstehende Liste). Allerdings: Abgesehen vom Paul Harris Fellow, der gern und oft an verdiente Freunde verliehen wird, spielen diese Awards so gut wie keine Rolle. Selbst dort nicht, wo es jeden Grund zum Feiern gibt. Beispiel: Foundation-Leistungen. Zwar wurden im Rotary-Jahr 2020/21 von deutschen Clubs 100 Global Grants im Wert von 7,9 Millionen Euro abgewickelt, aber nur zwei (!) Clubmitglieder für den „Meritorious Service Award“ der Rotary Foundation nominiert sowie ein weiteres Mitglied für den „Distinguished Service Award“. Wenn man weiß, welchen Aufwand Global Grants erfordern – finanziell, organisatorisch, administrativ – und dass zumeist Einzelkämpfer dafür sorgen, dass Deutschland bei diesen Großprojekten weltweit in der Spitzengruppe spielt, dann fällt schon ein Missverhältnis auf zwischen Aufwand und Würdigung.
Imagegewinn
Past-Gov. Frank Meik, Vorsitzender des Deutschen Governorrates, erklärt sich das einerseits mit einer mentalitätsbedingten Scheu vor öffentlichen Ehrungen, aber auch mit Unwissenheit darüber, dass es diese Ehrungen überhaupt gibt und wie man sie beantragt. Offensichtlich tut RI selbst wenig dazu, das Thema bekannt zu machen, denn dass die Awards bei der Governor-Schulung in den USA eine Rolle gespielt hätten, daran kann er sich nicht erinnern. „Dabei rundet die Auszeichnung eine erfolgreiche ehrenamtliche Arbeit erst ab. Nicht zuletzt, weil wir damit ja auch unsere Arbeit als internationale Serviceorganisation präsentieren“, so Meik. Die Zurückhaltung passt für ihn ins Bild einer suboptimalen Öffentlichkeitsarbeit. „Wir müssen über unsere Clubs und Distrikte hinausschauen und die allgemeine Öffentlichkeit in den Blick nehmen. Dass Rotary viel Geld bewegt, ist die eine Seite, aber dass wir dazu auch selbst anpacken, wie PastGovernor Joachim Götz das gerade erst im Rotary Magazin mit der Forderung nach Erfassung der ehrenamtlichen Stunden angesprochen hat, muss stärker ins allgemeine Bewusstsein rücken. Nur so kommt unser Image authentisch zur Geltung. Und nur so werden wir, wie Götz schreibt, interessant für junge, engagierte Menschen.
In anderen Kulturen kennen Rotarier diese Zurückhaltung nicht. Das kann man auch an einem weiteren RI-Award beobachten, der Membership Society, in die aufgenommen wird, wer mehr als 25 Neumitglieder für seinen Club geworben hat. Die im Juni eröffnete Society mit bereits über 700 Mitgliedern korrespondiert mit dem Schwerpunkt von RI-Präsident Shekhar Mehta, der jedes Mitglied aufruft, ein neues zu werben („Each One Bring One“).
Schlüssel zum Erfolg
Der Gedanke, systematisch Mitglieder zu werben und dabei um den ersten Platz zu konkurrieren, ist vor allem in Asien ausgeprägt. Diese Rekordbegeisterung ist mitteleuropäischer Mentalität so fremd wie das Schielen auf Ehrungen. Die vornehme Zurückhaltung ist für Rotary Coordinator Marianne Broska aber mit Scheu allein nicht zu erklären, sondern deutet auf eine tiefere Ursache: ein falsches oder zumindest unentwickeltes Verhältnis zum Clubdienst. Im Vergleich zu den Themen des Gemein-, Berufs-, Jugend- oder Internationalen Dienstes werden Mitglieder- und Präsenzentwicklung, die Attraktivität des Clublebens, die Pflege von Clubpartnerschaften und auch die Öffentlichkeitsarbeit nur am Rande behandelt. In diesen Themenkreis gehören auch die Awards.
Dabei liege hier der Schlüssel zum Erfolg des ganzen Clubs. Der Clubdienst organisiert das rotarische Leben, er sorgt dafür, dass die Mitglieder gern kommen und mitmachen, wacht über die Integration von Neumitgliedern und hakt persönlich nach, wenn alte Freunde nicht mehr kommen. Past-Gov. Broska: „Wenn der Clubdienst nicht dafür sorgt, dass sich die Mitglieder wohlfühlen, wie will man dann neue Mitglieder dauerhaft binden?“ Für sie ist der Clubdienst das wichtigste, aber auch das „verkannte“ Amt, weil seine Bedeutung für die Leistungsfähigkeit eines Clubs unterschätzt wird.
In ihrem eigenen Distrikt 1800 meinen von 78 Clubs gleich zwölf, auf den Clubdienst verzichten zu können. Das sind zwölf verpasste Chancen, darüber zu reden, wo man eigentlich hinwill. Da sind die Freundinnen und Freunde im RC Weiz im Vorteil: Bei ihnen steht das Projekt „Club“ nicht hinter den Serviceprojekten zurück.
Wissenswert
Die Gruppe der Großspender der Rotary Foundation und die entsprechenden Ehrungen wurden im Rotary Magazin 11/2021 ausführlich vorgestellt. Siehe dazu auch das Mitgliederverzeichnis, S. 57.
Auszeichnungen bei Rotary
Rotary International und die Rotary Foundation halten verschiedene Ehrungen vor, mit denen verdiente Einzelpersonen oder Rotary Clubs ausgezeichnet werden können. Die bekannteste Ehrung ist der Paul Harris Fellow, der ursprünglich keine explizite Ehrung darstellen sollte, sondern „nur“ eine Anerkennung für eine geleistete Foundationspende von 1000 US-Dollar. Die in Deutschland und Österreich verbreitete Praxis, verdiente langjährige Mitglieder als Fellows auszuzeichnen, ist in anderen Teilen der Welt unüblich. Dort dient der PHF vornehmlich dazu, das Spendenvolumen für die Rotary Foundation zu steigern.
Für Clubmitglieder gibt es diese Auszeichnungen:
• Service Above Self Award (höchste Auszeichnung von RI; maximal 150 Empfänger pro Jahr)
• Rotary Foundation Citation for Meritorious Service (für besondere Dienste bei Serviceprojekten)
• Rotary Foundation Distinguished Service Award (Folgeauszeichnung für Serviceprojekte; max. 50 Rotarier oder Rotaracter pro Jahr)
• Avenues of Service Award (für besondere Leistungen in den fünf Diensten)
• Service Award for a Polio-free World
Für Nicht-Rotarier:
• Rotary Award for Excellence in Service to Humanity (pro Distrikt max. ein Vorschlag, weltweit max. 150)
Für Alumni:
• Rotary Alumni Association of the Year Award (für gecharterte Alumni-Organisation unter dem RI-Dach)
• Rotary Alumni Global Service Award (für herausragende Leistungen als Teilnehmer eines Rotary-Programms)
Für Clubs:
• Rotary Citation for Rotary Clubs
• Significant Service Award (für besondere Serviceprojekte)
Nähere Informationen: my.rotary.org/de/learningreference/learn-topic/awards
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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