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Wie Integration nicht gelingt
Die Wiener TikTokerin „Toxische Pommes“ liefert einen berührenden Erstlingsroman. Es ist ein ironisches Buch über die hässlichen Seiten des Lebens
Die Rede vom „schönen Ausländerkind“, die dem Roman der österreichischen Juristin und TikTokerin Irina, die sich „Toxische Pommes“ nennt, als Titel dient, kommt in ihrem Buch nur am Rande vor, obwohl es immerfort davon handelt. Auf die Frage, was das denn überhaupt sei, ein „schönes Ausländerkind“, gibt die Autorin auch nur eine knappe Antwort: „Eines, das gar nicht ist.“
Doch man sollte ihr, die den herben Wiener Ton pflegt, nicht auf den Leim gehen. Der Titel des Buches knallt so hervor, dass er nicht einmal vom Fritteusengeruch ihres Künstlernamens überdeckt wird. Weshalb man die einzige Stelle auch nicht überlesen kann, an der von einem kleinen, blonden Mädchen mit blauen Augen die Rede ist, das so sehr dem anrührenden Klischee entspricht, dass man ihm bereitwillig einen Platz in der österreichischen Gesellschaft einräumen möchte. Aber genau darin liegt der Trugschluss, den uns dieser wunderbare Erstlingsroman auf eine so behutsame wie diskrete Weise offenbaren will: Integration gelingt selbst dort nicht vollständig, wo sie scheinbar schon gelungen ist. Sie tritt nur wohlfrisiert in Erscheinung. Das „schöne Ausländerkind“ handelt demzufolge vom Preis, den man für Zugehörigkeit zu entrichten hat, und vom Katzengold, das man dafür erhält.
Eine Vertrautheit, die es nicht gibt
Die dreiköpfige Familie aus dem kroatischen Rijeka, von der das Buch handelt, versucht, dem zerfallenden Tito-Staat zu entfliehen, und entscheidet sich für ein Exil in Österreich, einem Land, in dem sie noch auf Reste zu hoffen glaubt von einem Leben aus alter Zeit. Aber es ist nicht mehr das einstige Wien, dessen Patina die Familie erwartet, sondern eine trostlose Wiener Neustadt ohne Geschichte, ohne Zeit und ohne tröstende Form, wie sie die Nachkriegsmoderne fast überall hinterlassen hat. Ein Leben ohne Erinnerung und ohne begründete Hoffnung, was die immerfort putzende Mutter hartnäckig ignoriert.
Dort scheint es, wie die Autorin achselzuckend bemerkt, noch nicht einmal einen richtigen Korso zu geben. Dort kann man verenden, ohne jemals begonnen zu haben. Der Vater lebt seine Biografie rückwärts. Und seine Tochter geht ihm darüber verloren. Er, der sich zu Anfang tatsächlich noch aufrichten will, wird über das Erwachsenwerden seiner Tochter krumm und krummer, bis ihm die junge, erwachsen gewordene Frau ihre ganze Verachtung und Verständnislosigkeit ins Gesicht schleudert.
Es ist dieser unvermeidliche Trennungsakt in der Familie, von dem in so vielen Einwanderungsgeschichten die Rede ist. Und es ist das Lächeln des schönen Ausländerkinds, das eine Vertrautheit behauptet, die es in Wahrheit nicht gibt. Es ist nur die Verzauberung, die aus der erotischen Sehnsucht lebt. Dem schönen Kind fällt scheinbar mühelos zu, was dem unscheinbaren Vater versagt bleibt.
Die „Geschichte einer nicht integrierten Person“ habe sie schreiben wollen, sagt die Autorin. Es ist zum Glück keine Abhandlung über das Fremdsein geworden. Irina, die sich in einer an Selbstzerschneidung grenzenden Ironie „Toxische Pommes“ nennt, ist vielmehr ein wunderbar persönliches Buch gelungen, bei dem man selbst dort noch Rührung empfindet, wo die Tränen der anderen fast schon getrocknet sind.
Buchtipp
Toxische Pommes
Ein schönes Ausländerkind
Zsolnay 2024,
208 Seiten, 23 Euro
© Antje Berghäuser rotarymagazin.de
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