Rotary Aktuell
Wie Rotary nach Palästina kam
Phil Silvers ist der Gründervater der palästinensischen Rotary Clubs. Mit feuchten Augen erinnert sich der Amerikaner an „kraftvolle Erfahrungen“ und „unglaubliche Momente“.
Die Nachricht hatte sie wie ein Schlag getroffen. Lange überlegten Phil Silvers und RI-Präsident John Kenny, ob sie die Reise abbrechen sollten. Am frühen Morgen des 31. Mai 2010 hatte ein israelisches Elitekommando Schiffe der „Solidaritätsflotte“ für den Gaza-Streifen attackiert. Bei dem Angriff auf das türkische Schiff „Mavi Marmara“ und fünf weitere Schiffe waren 16 Menschen getötet und 30 verletzt worden. 10.000 Tonnen Hilfsgüter, darunter Fertighäuser, 500 Rollstühle und medizinische Ausrüstung, hatte die Flottille in das kleine Palästinensergebiet am Mittelmeer bringen wollen. „Und nun hing ein bleischwerer Schleier über dem ganzen Nahost-Gebiet“, erinnert sich Phil Silvers, „und selbst in Jerusalem hatten die Geschäfte geschlossen.“ Aber sie blieben. Sie machten weiter. Sie hatten eine Mission.
Alles hatte so gut begonnen. Am Vorabend hatten sie ausgelassen gefeiert, Silvers, Kenny und Dutzende weitere Menschen in Ramallah. Die Charterfeier des ersten Rotary Clubs Palästinas hatte auch Freunde aus Israel angelockt. Und jetzt das! Am Abend stand schon die nächste Charterfeier auf dem Programm – ein neuer Club in Jerusalem sollte entstehen, am nächsten Tag ein weiterer auf jordanischer Seite. Drei Charterfeiern in drei Nächten. Als wenige Wochen später auf der RI Convention in Montreal die palästinensische Flagge auf die Bühne getragen und das neueste Mitgliedsland der rotarischen Welt präsentiert wurde, gab es Standing Ovations – minutenlang. Für Präsident Kenny war es ein grandioses Ende einer großen Amtszeit, für die Clubs in Palästina erst der Anfang.
Gründungswillig und gut informiert
Es war an einem Abend im Frühjahr 2009, als Phil Silvers vom RC Valle Verde aus Green Valley in Arizona einen Anruf eines Freundes des RC Colorado Springs erhielt. Ein Clubfreund mit palästinensischen Wurzeln wollte wissen, weshalb es keine Rotary Clubs in Palästina, wohl aber in Israel gebe. Silvers, damals Mitglied im Rotary Board of Directors, war angefixt, recherchierte und fand heraus: Noch bis zum Palästinakrieg 1948 hatte es in Jerusalem zwei Clubs gegeben, einen auf israelischer Seite, einen im Osten der Stadt. Er sprach mit Evanston darüber, flog noch im selben Jahr nach Ramallah und traf auf eine Handvoll Gründungswilliger, die durch einen Club in Jordanien und das Internet „hervorragend informiert“ gewesen seien über Rotary.
Er fragte die zwölf Interessierten, was es für sie bedeuten würde, einen Club in Palästina zu haben. Meist kamen die gleichen Antworten: „Wir könnten Kindern helfen“ oder „wir könnten der Gesellschaft etwas zurückgeben“. Doch dann sagte einer den Satz, den Phil Silvers nie vergessen wird: „Wir könnten die Westbank in die Welt bringen, und die Welt in die Westbank.“ Der Club in Ramallah entwickelte sich prächtig und zählt heute 30 aktive Mitglieder. In den nächsten Jahren entstanden Clubs in Al-Bireh (heute zwölf Mitglieder), Bethlehem (30) und der RC Ost-Jerusalem (30) – alle mit Silvers’ Unterstützung –, die auch einen regen Austausch mit Clubs auf israelischer Seite pflegen.
Als Silvers die palästinensischen Clubs im vergangenen Jahr besuchte, war er überwältigt – von den Emotionen, die ihm entgegengebracht wurden einerseits, von den realisierten Projekten andererseits. Der Club in Ramallah hatte zahlreiche lokale Schulprojekte ins Leben gerufen und gefördert und über einen Global Grant behinderte Kinder in Ramallah unterstützt. Die Freunde in Bethlehem hatten über einen Global Grant einen großen öffentlichen Garten für Flüchtlinge angelegt, in dem diese unter fachlicher Anleitung ihr eigenes Gemüse anbauen können. Und der Club im Osten Jerusalems hatte an einer Grundschule für behinderte Kinder eine neue Bücherei eingerichtet, einen Spielplatz gebaut sowie Eltern und Lehrern Fortbildungen finanziert.
Regelmäßiger Partneraustausch
Dort, in Palästina und im Ostteil Jerusalems, nennen sie Silvers den „Vater unserer Clubs“. Bereits seit 2011/12 finden regelmäßige Partneraustausche zwischen Freunden aus Palästina und Arizona statt. Und wenn der heute 80-jährige Phil Silvers sich an diese Anfangsjahre erinnert, spricht er mit feuchten Augen von „kraftvollen Erfahrungen“ und „unglaublichen Momenten“. Auch in diesem August fand der Austausch wieder statt, zunächst in den USA, wenige Wochen später in Palästina – und die Gäste wohnten in den Häusern der Gastgeber.
Minikredite für Frauen in Uganda
Silvers hat noch viel vor. „Ich kann doch jetzt nicht einfach aufhören“, sagt er. Seit einigen Jahren hat er sich Afrika vorgenommen und bereits über 600.000 Dollar für Gesundheitsprojekte eingesammelt. Mit dem Geld wurden Wasserprojekte in Kenia gefördert und zehn Ultraschallgeräte für Krankenhäuser angeschafft. In Uganda fließen Mittel in die Aufklärung und Schwangerschaftsprävention junger Frauen sowie in die Aufklärungsarbeit zur Verhinderung von Beschneidungen. Der ehemalige Direktor der Universität von Arizona in Tucson hat schon neue Pläne: Mit dem nächsten Global Grant möchte er Frauen in ländlichen Gebieten Ugandas zur Literalität verhelfen, sie mit Minikrediten versorgen und so dazu ermutigen, ihr eigenes Unternehmen aufzubauen.
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