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Porträt

Ratgeber für Global Grants

Porträt - Ratgeber für Global Grants
In der Welt unterwegs und an der Nordsee zu Hause: Klaus-Gerrit Gerdts auf dem Leuchtturm „Dicke Berta“ in Cuxhaven-Altenbruch. © Norbert Balzer

Klaus Gerrit Gerdts gehört zum „Cadre of Technical Advisers“ der Rotary Foundation, die Clubs dabei helfen, nachhaltige Projekte zu entwickeln.

Matthias Schütt01.05.2021

„Wir müssen aus jedem Dollar soviel Lebensqualität wie möglich rausquetschen“ – Das ist die Devise, an der Klaus Gerrit Gerdts seine Arbeit als Technical Adviser der Rotary Foundation ausrichtet. Der 68-jährige Kinderarzt aus Cuxhaven ist einer von 100 Fachleuten, die weltweit Global Grant-Projekte im Schwerpunktbereich „Gesundheit von Mutter und Kind“ begutachten. In dieser Höchstförderstufe steht eine Menge Geld auf dem Spiel: 95,6 Mio. US-Dollar waren es allein im Rotary-Jahr 2019/20 für damals 1359 Global Grants aus allen sechs Schwerpunkten. Da ist es wichtig, genau hinzuschauen.

„Wir sind aber weder die CIA noch der KGB von Rotary“ versichert Gerdts, „sondern wir beraten, wie Clubs ihr Geld und die Mittel vom Distrikt und der Rotary Foundation möglichst effektiv einsetzen.“ Ein plastisches Beispiel für vermeidbare Fehler hat er in Madagaskar aufgespürt. Dort wurden für ein Krankenhaus Ultraschall- und Röntgengerät angeschafft, allerdings schon zwei Jahre vor Fertigstellung der Klinik. Als sie dann ans Netz gehen sollten, waren die Geräte hinüber. Hochleistungselektronik benötigt nun mal Klimaanlagen, wenn sie in den Tropen funktionieren soll.

Umfassendes Programm aufgelegt

Afrika hat ihn viel gelehrt. Schon kurz nach der Aufnahme in den RC Otterndorf-Land Hadeln 2003 kam der promovierte Kinderarzt in Kontakt mit den German Rotary Volunteer Doctors, die ihn auch gleich nach Ghana schickten. Was er in der Kinderklinik in Akwatia sah, war „unfassbares Elend“, das ihn nicht mehr losließ. Vor allem die vielen Aids-Infektionen bei Neugeborenen machten den Ärzten zu schaffen. Nachdem er sich bei der WHO schlau gemacht hatte, was man dagegen tun könne, wurde „mit Superhilfe von Rotary International“ ein umfassendes Programm aufgelegt: Testungen von Schwangeren, Medikamente, die die Virenübertragung verhindern, Flaschen- statt Muttermilch sowie eine Krankenversicherung für Neugeborene.

Gerdts fand mit seinem Projekt so große Resonanz, dass sein Heimatclub selbst als Projektträger aktiv werden wollte. Denn Folgeprojekte waren unvermeidlich: „Wenn wir die Kleinen vor Aids bewahrt haben, stellen sich ja noch ganz andere Fragen: Was wird, wenn ihre Eltern sterben? Wir brauchten also ein Waisenhaus. Und der nächste Schritt: Wo können sie zur Schule gehen?“

Alles Fragen, die der Club seit 2004 sukzessive beantwortet hat. Jedes Jahr ist eine Delegation in Ghana und besucht die von Nonnen geführten Einrichtungen. Das alles stemmt ein ländlicher Club an der Elbe, dessen 53 Mitglieder ganz normalen Berufen nachgehen. „Wir haben allerdings Sponsoren“, verrät Gerdts. „Ein erfolgreicher Unternehmer, der im Hintergrund bleiben möchte, lud mich mal zum Gespräch und überreichte anschließend einen Scheck. Nicht über 500 Euro, wie ich leise gehofft hatte, sondern über eine höhere sechsstellige Summe.“ Dieses Geld fließt in eine  weiterführende Schule.

Cadre of Technical Advisers

Was in Akwatia aufgebaut wurde, hat Strahlwirkung über Ghana hinaus. Die Westafrican Health Organization schickt inzwischen Ärzte zur Ausbildung in die Kinderklinik. Ein Gerät für PCR-Tests zeigt, dass heute alle Neugeborenen Aids-frei sind. Wegen dieser Ausstattung ist das St. Dominic’s Hospital auch Corona-Test-Krankenhaus für die Region geworden.

Die Rotary Foundation revanchierte sich für Gerdts‘ Erfolge vor vier Jahren mit der Berufung in den Cadre of Technical Advisers. Inzwischen ist er zu einem von drei Koordinatoren aufgerückt, die die Arbeit der Adviser begleiten.

Weiterbildung vor Ort

Außer der Vorsicht mit klimaempfindlichen Geräten - welche anderen Fallstricke sollte man auf der südlichen Welthälfte vermeiden? – Da fallen ihm spontan zwei Dinge ein: „Schicken Sie keine gebrauchten Geräte in die Tropen. Oft funktionieren sie dort nicht. Und das meiste kann man auch dort irgendwo bekommen. Und zweitens: Holen Sie keine Fachkräfte zur Weiterbildung nach Deutschland. Fahren Sie selbst dorthin. Denn dort warten Ereignisse, die wir nicht mehr kennen: Stromausfall im OP zum Beispiel. Nur wenn wir die Verhältnisse vor Ort miterleben, können wir zielgerichtet helfen.“


Zur Person

Dr. Klaus Gerrit Gerdts, Jahrgang 1953, RC Otterndorf-Land Hadeln, Kinderarzt und Notfallmediziner, leitete neben der Arbeit in einer Gemeinschaftspraxis mit seiner Frau, einer Allgemeinärztin, den Rettungsdienst im Landkreis Cuxhaven. Als Betriebsarzt des DRK koordiniert er derzeit die ambulanten Covid-19-Impfteams. Als Kind der Nordsee verbringt Gerdts seine Freizeit am liebsten auf hoher See mit einem traditionellen Gaffelsegler, der im Sommer für Kinder und Enkel zum „schwimmenden Ferienhaus“ wird. 

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.