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Thilo von Westernhagen, RC Grevesmühlen

Jazzkomponist und Wagner-Fan

Matthias Schütt10.03.2013

Wenn man die Familientradition betrachtet, ist Thilo von Westernhagen etwas aus der Art geschlagen: Er wurde nicht Zahnarzt wie Vater, Groß- und Urgroßvater, sondern Musiker – und kehrte damit doch wieder in den Schoß der Familie zurück. Denn neben der Zahnmedizin waren und sind die Westernhagens dieser Linie der Musik zugetan, allen voran Großvater Curt, der ein bekannter Wagner-Biograf war. Die Begeisterung für Richard Wagner hat er dem Enkel vererbt. Den führte es aber doch erst einmal zur Popmusik und zum Jazz. Der amerikanische Pianist Keith Jarrett hat ihn stark beeinflusst, auch mit der perspektivischen Erweiterung zur Klassik. Nach Absage an die Zahnmedizin vertauschte der angehende Komponist das Labor mit dem musikwissenschaftlichen Seminar, sagt aber, dass die wichtigste Schule die Musik selbst war, die er sich autodidaktisch erarbeitete.

Kulturelles Angebot

Die erste Jazz-Platte „Sunbeam“ kam 1979 heraus, und dann ging es erst einmal zum Film. Die Bekanntschaft mit dem Regisseur Hajo Gies brachte interessante Aufträge, darunter die Begleitmusik zu Literaturverfilmungen, aber auch zum „Tatort“ mit Kommissar Schimanski. „Meine Musik ist ein Tanz auf vielen Hochzeiten“, hält Thilo von Westernhagen fest, „mal überwiegt Jazz, mal die Klassik.“ Deutsche Schlager sind nicht sein Geschmack, aber sonst kennt er keine Berührungsängste. „Von Bach bis Stockhausen“ – der Titel eines seiner Programme ist durchaus auch das Motto einer eigenwilligen Karriere.

Diese Offenheit dem Reichtum der Musik gegenüber erscheint als gute Voraussetzung für das, was er mit seiner Frau und Kollegin Monika seit 15 Jahren in Dönkendorf aufbaut. 1998 erhielten sie von der Gemeinde den Zuschlag für das Gutshaus mit kleinem See und acht Hektar Land, weil ihr Nutzungskonzept überzeugte: Hier, im dünn besiedelten Nordwesten Mecklenburgs, sollte ein kulturelles Angebot entstehen, das neben regelmäßigen Veranstaltungen auch anderen Initiativen Raum zur Entfaltung bietet, einem Kindermusikkreis etwa oder auch Chören.

Familiäre Atmosphäre

Das Gutshaus aus dem 19. Jahrhundert bietet den idealen Salon für Kammermusik und Kunstlied, dem sich die Westernhagens mit besonderer Hingabe widmen, als Veranstalter, aber auch mit eigenen Auftritten. „Schubert“ heißt es unisono, wenn nach dem bevorzugten Programm gefragt wird, „die ‚Winterreise‘ ist ein Fixpunkt im Jahreslauf“. Ebenso wie das Musiktheater im Park, das im Sommer nach Dönkendorf lockt.

Nicht nur das Publikum zwischen Hamburg und Rostock liebt das Kunstfest auf dem Lande, auch junge Konzertsänger kommen gern. Zur familiären Atmosphäre gehört neben dem ebenfalls selbst komponierten Catering auch ein kleines Hotel mit acht Plätzen für „Bed and Breakfast“.

Dass das Wagner-Jahr in Dönkendorf nicht spurlos vorbeigeht, versteht sich bei der Familiengeschichte von selbst: Das vielschichtige Werk beschäftigt von Westernhagen so nachhaltig, dass er den Vorsitz im Richard-Wagner-Verband Mecklenburg-Vorpommern übernommen hat. Und was dürfen wir davon in Dönkendorf erwarten? „Ein musikalisches Erlebnis am See“, verrät der Hausherr: „Das ‚Rheingold‘ ist für Wagnersche Verhältnisse eher klein dimensioniert, sodass wir es hier zur Aufführung bringen können.“


    

 Zur Person:

 
Thilo von Westernhagen wurde am 14. Januar 1950 in Preetz geboren und verstarb im Januar 2014 nach kurzer schwerer Krankheit (Anm. d. Red.: aktualisiert am 17. Januar 2014, Wir trauern mit den Angehörigen)

• Nach dem Abitur 1968 ging er zum Studium der Zahnmedizin nach Kiel, entschied sich aber noch vor dem Examen für die Musik.

• Neben musikwissenschaftlichen Studien in Kiel arbeitete er als Jazzpianist und freier Komponist. Zahlreiche Schallplatten und CDs; in Vorbereitung ist eine CD mit Jazzvariationen zu Arien von Händel. Als Pianist ist er Begleiter seiner Frau bei Liederabenden.

• Seit 1998 baut das Ehepaar das Gutshaus Dönkendorf als kulturelles Zentrum im Nordwesten Mecklenburgs aus. Programm: www.kultur-gut-doenkendorf.de

• 1994 erhielt von Westernhagen den Kompositionspreis der Hansestadt Lübeck; 2006 wurde dem Ehepaar der Kulturpreis des Kreises Nordwest-Mecklenburg für ihr Engagement in  Dönkendorf verliehen.

 

 

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.