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Peters Lebensart

Koreanisches Superfood

Peters Lebensart - Koreanisches Superfood
© Jessine Hein/Illustratoren

Keine Mahlzeit ohne fermentierten Kohl: Kimchi ist das Nationalgericht der Nord- und Südkoreaner – gesund und vielseitig einsetzbar.

Peter Peter01.09.2023

Wir essen immer weniger Sauerkraut – und vor allem unsere veganen Millennials immer mehr Kimchi. Der Generationenwandel hängt damit zusammen, dass Asiatisches als leicht empfunden wird, während viele bei germanischem Kraut automatisch Eisbein und fette Wurst dazudenken. Dabei sind beide Lebensmittel historisch nicht weit entfernt. Die Kunst des fermentierten Kohls wurde über China und Korea an die Mongolen vermittelt, die im 13. Jahrhundert über ein Großreich von der Mandschurei bis Schlesien geboten. Damals soll als kulinarischer Kulturtransfer die koreanische Einlegetechnik den Anstoß zu unserer Nationalspeise Sauerkraut gegeben haben!

Kenner Koreas werden dagegenhalten, dass Begriff und die Zubereitung von Kimchi (2013 Unesco-Liste Immaterielles Weltkulturerbe!) weit vielfältiger und variantenreicher ist. Kimchi lässt sich aus Chinakohl, weißem Rettich und fast jedem Gemüse fa bri zie ren. Salz und Chili muss nicht die einzige Würze sein: Ein viel zitiertes höfisches Kochbuch verrät ein nicht ganz veganes Rezept: „Kohl und Rettich werden zunächst kleingeschnitten und dann gesalzen. Würzt das Gemüse mit Chilipulver, Knoblauch, Petersilie, Senfkresse und Seetang. Anschließend kocht ein wenig eingelegten Fisch auf und lasst ihn wieder abkühlen. Gebt ihn dann dem gewürzten Gemüse hinzu. Füllt alles in einen großen Topf und lasst es gären.“

Der Kimchi-Boom ist teilweise über koreanische Food-Trucks aus den USA zu uns geschwappt, teilweise durch Imagekampagnen Südkoreas. Seoul hat früh auf Gastro-Diplomacy gesetzt und bereits 2009 Millionenbeträge in die außenpolitische Propagierung koreanischer Küche gepumpt. Ziel: den Wirtschaftsstandort durch Betonung der Soft Skills des Landes zu stärken. Südkorea hat dabei weniger auf die Verknüpfung von Gastronomie und Tourismus gesetzt, sondern lieber in die virtuelle Zukunft investiert. Die Sympathieoffensive wird von zeitgeistigen Initiativen flankiert, die auf Jugendkultur zielen. K-Pop im Gangnam Style, Girlie-Mode, Netflix-Serien und Food-Vloggerinnen vermitteln ein hippes Image koreanischer Großstadtkultur und bewerben indirekt Speisen wie das süß marinierte Feuerfleisch Bulgogi oder den Reismix Bibimbap. Folgerichtig sind bei uns stylische Korea-Imbisse häufiger als formale Restaurants. Für Ausgefalleneres wie Ragout vom schwarzen Ogol-Huhn mit Ginseng und Jujuben oder Eoseon-Fischröllchen mit FleischGemüse-Füllung muss man schon selbst ins Land reisen.

Noch heute ärgere ich mich, es vor ein paar Jahren in Yangon, der Hauptstadt Myanmars, verpasst zu haben, in das einzige nordkoreanische Restaurant zu gehen. Wobei, wenn es Hundefleischsuppe wie in Nordkorea-Lokalen in China gegeben hätte, ich hätte gepasst.

Touristisch scheint das Reich von Kim Jong Un, das unter Engpässen und Hungersnöten leidet, es an nichts mangeln zu lassen und teure Devisenlokale zu betreiben – Karaoke und martialische Videoclips inklusive. Das abgeschottetete Land ist weitgehend Selbstversorger. Ein Sommerklassiker aus Pjöngjang, der auch im Süden Fans hat, ist Naengmyeon. Die kalte (manchmal mit Eiswürfeln!) Buchweizennudelsuppe wird mit Kimchi, Gurke, Birne, Ei und Huhn getoppt. Die Variante mit Fasanklösschen, dem magische Energien zugeschrieben werden, gilt als Delikatesse. Im kalten Norden würzt man mit weniger Chili als im Süden, dafür ist Kimchi süßer angemacht. Westliches Fast Food gilt als Luxus – schon 2008 wurde vom Vater des „Großen Führers“ die Eröffnung der ersten Pizzeria angeordnet. Übrigens, Trinkgeld ist verpönt – das sieht das kommunistische Ethos ganz so wie das traditionsstolze Japan.

Peter Peter

Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.

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