Peters Lebensart
Sparen wie die Tataren?
Fleisch unter dem Sattel mürbe zu reiten ist hierzulande keine Option, aber Energie in der Küche zu verschwenden auch nicht.
Vielleicht lässt sich aus der Not eine Tugend machen, wenn man über den nationalen Tellerrand blickt oder sich Inspirationen aus der Vergangenheit holt. Kann ich Anregungen daraus ziehen, wie es die Menschen hielten in scheinbar grauer Urzeit, als es weder Gas- und Elektroherde noch Kühlschränke gab? Kühltruhen sind Stromfresser. Vielleicht einmal entrümpeln, sprich leer essen, und für ein paar Monate darauf verzichten? Im Winter kann man periodisch den Kühlschrank ganz abschalten, Lebensmittel wie früher auf dem Balkon oder, falls vorhanden, im Fensterzwischenraum aufheben. Es gibt nachhaltigere Lagertechniken als Einfrieren, die wieder in Mode kommen: Fermentiertes, Eingemachtes, Eingewecktes (für Österreicher: Eingerextes) kann einfach im Küchenschrank oder Keller aufbewahrt werden. Marinieren spart Garzeiten, macht Fleisch mürbe – mal wieder Sauerbraten einlegen?
Schritt zwei: Schweren Herzens die elektrischen Küchengeräte, auf deren Anschaffung man so stolz ist – Bimby, Thermomix und die Espressomaschine –, für eine Weile verbannen. Man kann Hefeteig auch mit der Hand kneten und Schlagsahne mit dem Rührbesen schlagen. Es klappt tatsächlich und macht auch stolz! Und sogar Brot lässt sich angeblich ohne elektrische Schneidemaschine in Scheiben zerlegen!
Auch von Urgroßmutters Kochkiste kann man lernen, in der Kartoffeln vor sich hin garten und nebenbei das gefederte Ehebett warm hielten, was aber auch ein bisschen eklig war – Essen aus fremden Betten! Aber das Prinzip ergibt Sinn: nachgaren, Restwärme nutzen, „slow cooking“. Da sind wir bei simplen, altbewährten Spartipps: Hülsenfrüchte einen Tag vorher einweichen. Gemüse kurz blanchieren und im heißen Topf langsam weitergaren lassen. Und vor allem immer Deckel druff! Eher utopisch dürfte eine Rückkehr zum gemeinschaftlich genutzten Dorfbackofen sein – oder doch nicht? Ein öffentlich subventionierter Pizzaofen, für den man einen Timeslot bucht und sein Brot oder seinen Schmortopf mit anderen gegen geringe Bezahlung backen lässt? Privat gilt: Kleine Brötchen selber backen ist Energieverschwendung, es sei denn, man packt sein Rohr mit weiterem Gargut voll. Der schwäbische Trick, die Restglut für Dünnele zu nutzen, indem man Teigfladen an die Wände klebt, ist leider nur für gemauerte Öfen praktikabel.
Oder mal einen Blick auf die französische Küche werfen, die mit ihrer Besessenheit für Schnitttechniken, für „Julienne“ und „Brunoise“, die Aromen der Gemüse intensiviert und die Kochzeiten gewaltig verkürzt. Auch beim Fleisch ist dünner angesagt: geklopftes Schnitzel statt dicker Steaks. Eine pfiffige gallische Erfindung dürfte ein kurzer dicker Metallspieß mit Sockel sein, auf den Geflügel gesteckt wird, sodass es auch von innen gegrillt wird. Lässige Variante à la Jamie Oliver: Ersetz den Spieß durch eine Cola-Dose! Das A und O langfristigen Energiesparens sind dickwandige Kasserollen und Kupfertöpfe – teure, aber exzellente Wärmespeicher.
Die konsequenteste und faszinierendste Energiesparküche wird seit Jahrtausenden in China praktiziert. Hohe Holzpreise in den Städten sorgten dafür, dass die Speisen in stäbchengerechte Happen zerschnitten und dann schnell im Wok gegart werden. Und Japan war Impulsgeber für den ultimativen Kaffeetrend: langsam kalt aufbrühen! – Eins ist klar: All das kostet Zeit, Mühe und Organisation. Aber es könnte sich nicht nur positiv auf die Energierechnung auswirken, sondern auch auf den Wohlgeschmack der Speisen.
Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.
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