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von Martin Hoffmeister |
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Vier neue Werke machen den Iran erlebbar – in Text, Bild und Ton

Nicht selten verstellt der Blick auf aktuelle politische Weltlagen und Verwerfungen die Sicht auf Geschichte, Traditionen, Kultur und Alltagswirklichkeiten einzelner Länder. Was etwa bewegt die Menschen im Iran, in welchem Kontext denken und handeln sie? Wofür steht ihre Kultur? Und was genau wissen Außenstehende über den Staat abseits von Atomprogrammen, Kopftuchzwang und Massenprotesten? Mit den Fotografen Thorge Berger und Mehran Khadem-Awal bereisten zwei veritable Iran-Enthusiasten das ausgedehnte, bevölkerungsreiche Land zwischen Kaspischem Meer und der Straße von Hormus. Über 4000 Kilometer legten die Autoren zurück, um Bilder zu machen von Menschen, Landschaften, Städten und Welterbestätten. Berger und Khadem-Awal tauchten ein in Welten, die den bisweilen verstörenden Alltag im Land vergessen lassen. Indem sie den Dialog mit den Menschen suchten und auf das Wesentliche – die Bilder hinter den Bildern – fokussierten, entstand ein Fotokosmos von hoher Strahlkraft und Authentizität. Ob karge Berglandschaften, Wüsten, Millionenstädte wie Teheran, Isfahan oder Shiraz, ob abgelegene Dörfer, Basare, Werkstätten, Teestuben, Grabmäler, Moscheen und Paläste, ob Ölfelder, Gärten oder Porträts von Handwerkern, Barista, Händlern und Bäckern: Der opulente, wertig gestaltete Band erweist der vielgesichtig gestimmten persischen Kultur ebenso seine Reverenz wie den Menschen.

Wenige Journalisten kennen den Iran besser als Natalie Amiri. Zahllose Reisen hatten sie in die Heimat ihres nach Deutschland emigrierten Vaters geführt, bevor sie zwischen 2015 und 2020 als ARD-Büroleiterin aus Teheran berichtete. Der vorliegende Band integriert und überblendet in eindrücklicher stilistischer Manier persönliche Erfahrungsberichte, Familiengeschichten, Fakten und Analysen. In solitärer Weise verbindet die Autorin dabei Außenund Innenperspektiven und fokussiert auf die wesentlichen Ereignisse und Themen der jüngeren iranischen Geschichte. Beobachtet, verfolgt und in ständiger Angst, verhaftet zu werden, sucht Amiri Begegnungen, trifft auf Menschen, die zwischen Staatsdoktrin, Verboten und Vorschriften nach einer würdigen Existenz streben. Verhandelt werden neben gründlichen Analysen des politischen Systems auch Tabu-Sujets wie Alkohol, Drogen, Todesstrafe und Folter und virulente Aspekte wie Frauenrechte, Covid, Studentenproteste oder soziale Netzwerke, während eingehende Ausführungen sich der Stellung des Iran im globalen Gefüge, internen Machtkämpfen oder den Revolutionsgarden widmen. Nicht immer lösen von Autoren eingelesene Hörbücher ein, was der (zumeist) große Name verspricht. Im Falle Amiris allerdings bildet das Audio-Medium eine willkommene Alternative zur Buchausgabe.

Der mit dem Picasso Award und der Unesco Mozart Medal dekorierte persische Sänger, Komponist und „Meister“ („Ostad“) Mohammad-Reza Shajarian gehörte über Jahrzehnte zu den Protagonisten der iranischen Musikszene. 2020 gestorben und lange Zeit mit einem Auftrittsverbot belegt, galt Shajarian über die Landesgrenzen hinweg als einer der stilbildenden Interpreten der klassischen persischen Musik. Getragen von technischer Perfektion, Stilsicherheit, Expertise und bemerkenswerten Energiewerten verkörperte sein Gesang idealtypisch die Seele einer Kunst, die Reichtum und Mysterien der iranischen Kultur spiegelt. Vorliegende Einspielung vermag einerseits einen repräsentativen Eindruck von der stilistischen Vielfalt des einschlägigen musikalischen Kanons zu vermitteln, andererseits den weitgesteckten künstlerischen Kosmos Shajarians aufzufalten.

Die lange, wechselhafte und von Gewalt, Revolutionen und unterschiedlichsten Einflüssen gezeichnete iranische Geschichte kennt zahllose Protagonisten, Paradoxien und Widersprüche. Dem britischen Autor und Wissenschaftler Michael Axworthy gebührt das Verdienst, die Wegmarken von 3000 Jahren komplexer wie aufgeladener Historie verständlich, konsistent und kurzweilig aufbereitet zu haben. Zum unentbehrlichen Begleiter avancieren dürfte das mehrfach überarbeitete, aktualisierte und mit aufschlussreichem Bild- und Kartenmaterial versehene Standardwerk insbesondere für jene, die Grundlagenexpertise als Voraussetzung begreifen für umfassendes Verständnis.


  1. Thorge Berger/Mehran Khadem-Awal: Bilder aus dem Iran – Zwei Freunde. Zwei Kulturen. Eine Entdeckung, Edition Bildperlen, 208 S., 40 Euro, Bildband
  2. Natalie Amiri: Zwischen den Welten: Von Macht und Ohnmacht, Bonnevoice Hörbuchverlag, 19,99 Euro, Hörbuch
  3. Mohammad-Reza Shajarian: Persian Classical Music, Ocora/Note 1, C 582097, CD
  4. Michael Axworthy: Iran – Weltreich des Geistes. Von Zoroaster bis heute, Wagenbach Verlag, 320 S., 36 Euro, Buch

 

Martin Hoffmeister

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