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Rotary in den Kommunen

Wann sind Projekte erfolgreich?

Mit der Unterstützung vor Ort gibt Rotary oft Hilfe zur Selbsthilfe. Das wichtigste Ziel ist Nachhaltigkeit. Im Erfolgsfall fungiert Rotary auf lange Sicht dann allenfalls noch als Berater im Hintergrund

Matthias Schütt15.03.2011

Wenn in ferner Zukunft die Menschen auf das 21. Jahrhundert zurückblicken und die Serviceclubs in den Blick nehmen, was wird ihnen zu Rotary auffallen? PolioPlus gewiss, der Kampf gegen die Kinderlähmung. Ein solches Projekt mit weltweiter Ausstrahlung ist so einzigartig, dass es alles andere in den Schatten stellt, auch die Tausenden von Projekten in eher kleinem Maßstab, die Rotarier entwickelt oder angestoßen haben, um dauerhafte Problemlösungen zu erreichen. Diese Projekte haben nicht die Strahlkraft von PolioPlus – aber in jedem einzelnen zeigt sich die spezifische Stärke dieser Serviceorganisation, die nicht einfach in Notlagen hilft, sondern in ihren Premiumprojekten die Voraussetzung für nachhaltige Lösungen schafft. Für die Hilfsempfänger bedeuten solche Projekte in der Regel einen Wendepunkt: Sie erhalten konkrete Hilfe nicht als Almosen, sondern mit Auflagen, nämlich ihre oft verschüttet liegenden Kräfte zur Selbsthilfe wieder zu aktivieren. Das kann die Initiative zum Aufbau einer Wärmestube für Obdachlose sein oder auch eines Wirtschaftsunternehmens, das marktfähige Produkte herstellt und damit Menschen dauerhaft in Lohn und Brot bringt.

Über solche Projekte wollen wir berichten, gerade weil sie oft schon nach kurzer Zeit nicht mehr mit Rotary identifiziert werden. Ihr Erfolg führt zwangsläufig dazu, dass der Impulsgeber von der Bildfläche verschwindet; allenfalls als Berater im Hintergrund bleibt Rotary seinem Ziehkind verbunden. Damit werden Zeit und Ressourcen frei für neue Herausforderungen. Nachhaltige Projekte dieser Qualität sind gar nicht so schwer zu finden. Schon eine spontane Umfrage bei den Governors unserer Distrikte brachte eine kleine Lawine ins Rollen mit vielen Hinweisen auf geglückte Beispiele. Auffallend ist dabei, dass die meisten Projekte Kinder und Jugendliche betreffen. Hier gehen Clubs genau in die Lücken, die die öffentliche Hand nicht oder nicht vollständig schließen kann.

Erfolgskriterien für Projekte

Auf den folgenden Seiten kann nur eine kleine Auswahl vorgestellt werden, die als Muster für eine erfolgreiche Projektplanung und damit als Anregung dienen kann. Zum Beispiel für die Clubpräsidenten des nächsten rotarischen Jahres, die sich in diesen Wochen Gedanken machen, welche Akzente sie in ihrem Amtsjahr setzen wollen. Der Aspekt der Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren immer stärker an Gewicht gewonnen und kann heute für eine zeitgemäße Projektplanung nicht mehr ignoriert werden.

 

Laut Rotary International basieren erfolgreiche Projekte auf folgenden Kriterien:

 

  • Sie nehmen sich echter Probleme an.
  • Sie verbessern die Lebensqualität der Bürger.
  • Sie nutzen die Fähigkeiten derjenigen, denen sie helfen.
  • Sie würdigen den Beitrag aller Beteiligten als wichtig und notwendig.
  • Sie basieren auf einer realistischen Einschätzung der verfügbaren Ressourcen.
  • Sie setzen sich spezifische Ziele mit messbaren Ergebnissen.
  • Sie bauen wirksame Netzwerke auf.
  • Sie befähigen die Menschen und das Gemeinwesen zur Selbsthilfe.

Alles richtig gemacht hat in dieser Hinsicht der RC Aachen-Land, der über seinen Sozialfonds e.V. zwei große Projekte gestemmt hat: Das eine ist eine Initiative für einen mobilen Hospizdienst. Nach der Gründung vor sieben Jahren hat der Club die Betreuer geworben und mit beträchtlichen Mitteln ausgebildet – heute kümmert sich ein gemeinnütziger Verein mit 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern um die Sterbebegleitung im Raum Eschweiler-Stolberg. Das zweite Projekt ist ebenfalls hochkarätig, auch was den finanziellen Einsatz des Clubs betrifft: „Mit rund 180.000 Euro haben wir in einem aufgegebenen Bauernhof schrittweise die Gebäude umgebaut und ein Reit- und Therapiezentrum gegründet“, berichtet der Vorsitzende des Sozialfonds, Heinz Brosig. Auch hier organisiert inzwischen ein gemeinnütziger Verein den Betrieb. Drei Teilzeitangestellte und sieben Honorarkräfte, finanziert über Spenden und Therapiegebühren, kümmern sich um etwa 100 Behinderte im Alter von drei bis 83 Jahren, die wöchentlich zur Reittherapie kommen. Brosig: „Worauf wir besonders stolz sind: Wir sind eine anerkannte Einrichtung des Deutschen Kuratoriums für therapeutisches Reiten und wurden 2007 als einzige derartige Einrichtung in Deutschland vom TÜV Rheinland nach DIN ISO 9001 zertifiziert.“

Viel Furore im Süden Deutschlands macht das Projekt b.free, das 2005 die beiden Clubs Singen und Radolfzell-Hegau initiiert haben, um im Landkreis Konstanz gegen den Missbrauch von Alkohol bei Kindern und Jugendlichen vorzugehen. Aufklärung in den Zielgruppen, eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und die kreative Präsentation alkoholfreier Alternativen bei Veranstaltungen, etwa mit dem mobilen „Saftladen“, sind Kernpunkte des Projekts, das seit 2010 als gemeinnützige Unternehmergesellschaft organisiert ist.

Suchtgefahren geht auch das Projekt „Jugend ohne Drogen“ an, das 2004/2005 im österreichischen Distrikt 1910 erprobt und danach planmäßig weiterentwickelt wurde. Unter dem Titel „Eigenständig werden“ wurden beispielsweise in drei Jahren 2000 Lehrer in Österreich ausgebildet, die jährlich über 30.000 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren bei der Entwicklung von Selbstbewusstsein und sozialer Kompetenz begleiten. Das Projekt ist inzwischen in eine Stiftung überführt worden. Darüber hinaus wurde mit der rotarischen Präventionsgründung „Freunde“ aus Bayern (für Kindergärten) und dem von Lions entwickelten „Erwachsen werden“ (für 10- bis 14-Jährige) unter dem Stichwort „Plattform 10“ ein aufeinander aufbauendes Programmpaket geschnürt. Aus der Initiative eines einzelnen Rotariers ging „SMOG – Schule machen ohne Gewalt“ hervor, das sich nicht nur an Kinder und Jugendliche wendet, sondern auch andere gesellschaftliche Gruppen einbezieht. „Faustlos im Kindergarten“, „Schutzengel“ (für junge Frauen, die ihren Einfluss auf gefährdete Partner nutzen sollen), „Elternschule“ und Lehrerseminare summieren sich zu insgesamt 15 Programmbausteinen. 1998 hat der damalige Polizeichef in Osthessen, Erwin Maisch (RC Lauterbach-Schlitz), die Initiative gegründet und über seinen Club unbürokratisch auf den Weg gebracht. Heute ist SMOG ein hessenweites Netzwerk und ein eingetragener Verein mit hauptamtlicher Geschäftsführung. „Zum Erfolg trägt eine intensive Sponsorenpflege bei“, erläutert Maisch. „Wir haben viele Unternehmen und Einzelpersonen für SMOG gewonnen, darunter Prominente wie Fußballer Rudi Völler, die Wildecker Herzbuben – und unseren Ministerpräsidenten Volker Bouffier.“

Dass Nachhaltigkeit auch und gerade im kleinen Maßstab funktioniert, beweist „Tasca“, ein Schülercafé im Evangelischen Gymnasium Neuruppin. Fünf Jahre ist das Projekt alt, in dem 35 Schüler zwischen 16 und 19 die kaufmännischen Grundbegriffe lernen und im Schichtdienst ein attraktives Versorgungsangebot für ihre Mitschüler entwickeln. Loslegen konnten sie, als der RC Neuruppin eine Anschubfinanzierung gewährte, allerdings unter der Bedingung, dass die Schüler-Firma einen stetig wachsenden Anteil ihrer Betriebsmittel selbst erwirtschaftet. Das gelingt mit dem Verkauf von Pausensnacks und Catering-Aufträgen so gut, dass „sich der RC Neuruppin schon sehr bald nach der Eröffnung zurücklehnen konnte. Daran hat sich nichts geändert“, resümiert Präsident Günter Fleischer.

Projekterfolg durch gute Zusammenarbeit der Clubs

Einige Meldungen zum Thema betrafen Projekte im Ausland wie die Schule für Krankengymnasten in Cotonou (Benin) des RC Ulm-Donaubrücke, über die wir auf Seite 94 berichten. Ein weiteres Musterprojekt ist zweifellos die Müllverwertungsanlage auf Bali in Indonesien, die 2002 mit einem Matching Grant der Clubs Hamburg-Harburg und Bali-Ubud im Volumen von 16.000 US-Dollar gegründet wurde und heute ein Vorzeigeobjekt mit 70 Mitarbeitern und einem Gesamtinvestitionsvolumen von 423.000 US-Dollar darstellt. Nach der Anschubfinanzierung durch Rotary, darunter auch 70.000 US-Dollar der Clubs Miltenberg und Bachtel-Zürich, kam der Löwenanteil von den Regierungen Kanadas und der Schweiz sowie einem schweizerischen Unternehmen. In dem Projekt verbinden sich verschiedene Ziele: Müllvermeidung in der touristisch stark besuchten Region um Gianyar, Schutz des Grundwassers, Rückgewinnung von Wertstoffen, Umwelterziehung sowie – nicht zuletzt – Schaffung von Arbeitsplätzen. Was nach Aussortierung von Glas, Metall und Plastik an organischem Material übrig bleibt, wird vorwiegend zu Kompost weiterverarbeitet. In der Anlage werden täglich 50 Tonnen Müll aus einem Einzugsgebiet von 400.000 Einwohnern verarbeitet.

Voraussetzung für den Projekterfolg war die gute Zusammenarbeit der Rotary Clubs mit David Küper, einem Schweizer, der vor Ort mit seinem RC Bali-Ubud das Projekt umsetzte. Über Küper ließ uns der Gemeindepräsident vom Anlagenstandort Temesi mitteilen, dass sich inzwischen die Lebensqualität im Ort stark verbessert hat (kein Gestank mehr, keine Ratten, Fliegen, giftige Abwässer). Viele Jobs garantieren den Bewohnern ein gesichertes Einkommen und außerdem ist Temesi inzwischen überregional bekannt: Das Projekt gilt weithin als Modellanlage mit entsprechend vielen Besuchern und einer Auszeichnung vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP. Funktionierende Problemlösung ohne dauerhafte Abhängigkeit von rotarischen Ressourcen – das war unsere Fragestellung. Dass die Initiatoren solcher erfolgreichen Projekte damit auch Rotarys Image aufwerten, ist in der allgemeinen Öffentlichkeit nicht unbedingt zu erwarten, eben weil es den Anschiebern darum geht, möglichst bald in den Hintergrund zu treten. Allerdings: Nach innen dürfte sich eine nicht zu unterschätzende Bindewirkung ergeben. Das ergibt sich indirekt aus einer Untersuchung „nicht-rotarischer Fokus-Gruppen“, die RI zwischen 2008 und 2010 in Auftrag gegeben hatte, um herauszufinden, wie attraktiv Rotary auf potenzielle Mitgliedergruppen wirkt. Befragt wurden jeweils Frauen und Männer ab 30 Jahren in den Regionen USA, Südamerika, Südafrika, Australien und Japan. Dabei gab es mit kleinen Abweichungen jeweils ähnliche Aussagen zu den Kernfragen. In unserem Zusammenhang interessiert vor allem die Frage, ob ein Rotary Club genug Anreize für gemeinnütziges Engagement bietet. Zwei Antworten vor allem geben zu denken: Zum einen wirke Rotary in seiner öffentlichen Darstellung noch immer als eher altmodischer Männerverein, der alles Mögliche macht, aber keine Probleme löst. Damit korrespondiere eine Selbstdarstellung, die nicht adäquat vermittelt, welche konkreten Leistungen aus den Clubs heraus erbracht werden können. Die Relevanz rotarischer Arbeit für die Gesellschaft werde nicht deutlich. Im Fazit der Untersuchung heißt es dazu: „Die Wahrnehmung von Rotary war in beiden befragten Gruppen, dass es sich hierbei um eine überalterte, geheime, exklusive, elitäre Organisation für wohlhabende Mitglieder, vor allem Geschäftsleute, handle. Dieses Ergebnis hat sich seit der Befragung von Fokus-Gruppen in den vergangenen Jahren nicht verändert. Der Eindruck wird durch die Tatsache, dass Menschen nicht wissen, was Rotary tut oder was Rotary erreicht, noch untermauert!“ Im Kontrast der in diesem Beitrag aufgezeigten Problemlösungskompetenz und der Urteile der Befragten zeigt sich das Dilemma einer fehlgeleiteten Außendarstellung. Die Vermutung, dass Rotary in seinen doch inzwischen enormen PR-Anstrengungen vielleicht die falschen Themen kommuniziert, ist nicht auszuschließen.

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.