Reportage
Wasser ist Leben
In Tansania helfen Rotary Clubs auf ganz unterschiedliche Weise den Menschen. Das Thema: Wasser. Redakteurin Insa Feye war mit den Rotariern Michael Morath und Joachim Piep vor Ort.
Wenn die Sonne zwischen den Bergen versinkt, umhüllt in Sekundenschnelle tiefschwarze Dunkelheit die Missionsstation. Das leise Summen der Moskitos wird unterbrochen durch das vertraute Brummen des Generators. Noch für kurze Zeit wird er Strom und damit Licht für die letzten Handgriffe im Hellen spenden, bevor das Licht früh am Abend schlagartig erlischt und die Gebäude endgültig eins werden mit der pechschwarzen Nacht.
Strom ist ein kostbares Gut auf der Missionsstation der katholischen Frauengemeinschaft der Heilig Geist Schwestern (Holy Spirit Sisters) in Tansania. Noch kostbarer ist hier im östlichen Afrika die Ressource Wasser. Jede Sekunde Licht und jeder Tropfen Wasser bekommen hier eine ganz neue Bedeutung. Dort in Sanya Juu, im Tal zwischen dem ehrwürdigen Mount Meru und dem Kilimanjaro muss sich Schwester Inviolata sehr viele Gedanken machen um solche Dinge wie die Strom- und Wasserversorgung, um den Erhalt und die Weiterentwicklung der Station. Sie ist verantwortlich dafür, dass am Ende die Kosten-Nutzen-Rechnung aufgeht. Die 50-Jährige ist Regionalleiterin der Holy Spirit Sisters in Afrika. Vom Mutterhaus in Rauya, am Haupteingangstor zum Kilimanjaro Nationalpark, aus betreut sie auch die Station in Sanya Juu. Dazu gehören eine Kirche, eine Krankenstation und eine Farm mit 100 Hektar Land und 600 Tieren. Von hier aus werden über 250 Holy-Spirit-Sisters in Afrika sowie die umliegende Bevölkerung mit Nahrung versorgt.
Wasser bekommen die Menschen von außerhalb umsonst. Obst oder Gemüse können sie für einen günstigen Preis direkt von den Feldern ernten, um es entweder selber zu nutzen oder es draußen wieder mit Gewinn zu verkaufen. Mais und Bohnen werden nach der Ernte aufgeteilt. Ein Teil wird für die Schwestern zurückgelegt, der andere Teil für die armen Menschen aus der Umgebung. Manche, die körperlich fit sind, bekommen auch Arbeit auf der Station und werden bezahlt.
Ein -bis zweimal in der Woche arbeitet Schwester Inviolata vor Ort in Sanya Juu in ihrem zweiten Büro. Dann hat sie die wirtschaftliche Lage im Blick und schaut gleichzeitig, ob die Schwestern gesund und glücklich sind und spirituell im Sinne der Gemeinschaft den richtigen Weg gehen. 20 Schwestern und 36 Jungschwestern leben, arbeiten und beten hier. Beten, das spielt für alle eine zentrale Rolle. In der großen Kirche auf dem Stationsgelände herrscht mehrmals täglich Hochbetrieb. Auch die Menschen aus der Nachbarschaft und Schüler aus der naheliegenden Schule kommen in den Gottesdienst.
Rotary sorgt für Wasser
Genau wie die Kirche wurden auch andere Gebäude auf der Station professionell geplant und von großzügigen Spendern errichtet. Sorge bereitete aber stets die Wasserversorgung. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt auf der Missionsstation von Bernd Ilbertz aus dem Rotary Club Kronberg und dem Arzt Dr. Michael Kahl im Jahr 2008 stellte schließlich der Rotary Club mit verschiedenen Partnern und hohem persönlichen Einsatz ein Gemeindienstprojekt mit Matching Grant über den Rotary Club Moshi (Tansania) als Partnerclub auf die Beine: Für die Missionsstation wurden drei Zisternen mit insgesamt 800 Kubikmetern Fassungsvermögen gebaut. Für Schwester Inviolata ist das ein Geschenk des Himmels. „Ich vertraue Gott. Ich bete und sage ihm, er soll mir den Weg weisen“, sagt die Schwester. „Gott ist ein Millionär. Wenn du betest, wirst du Menschen finden, die dir helfen.“ Die Station braucht zu viel der kostbaren Ressource, um damit die Farm, die Tiere, die Schwestern und die Bevölkerung aus der umliegenden Nachbarschaft zu versorgen. Denn das Wasser aus den öffentlichen Leitungen der Regierung ist zu teuer. Das Oberflächenwasser ist rar und schlecht, es regnet nicht genug über das Jahr verteilt. Außerdem ist das Wasser sehr fluoridhaltig. Trinkbares Wasser gibt es in 150 Metern Tiefe. In den Zisternen wird das Wasser gesammelt, das in der Regenzeit zwischen April und Juni auf die Erde prasselt und bislang nutzlos im Boden versickert ist. Für eine Fläche von 5000 Quadratmetern Dach wurden Regenrinnen installiert, die das Wasser in die Zisternen leiten. Vier bis fünf Monate kommen die Schwestern mit dem Wasser aus. Dann muss es wieder regnen. Gekocht wird zurzeit noch mit dem Wasser aus der öffentlichen Leitung. Aber auch das werde bald ein Ende haben, sagt Schwester Inviolata. Das Wasser in den Zisternen soll künftig gereinigt werden, sodass es auch für den Verzehr geeignet ist. Für die Wartung der Anlagen hat sie eine Klempner-Schwester abgestellt, die die Zisternen im Auge hat und überwacht.
Zum Projektabschluss und zur Einweihung der Zisternen unternahm der Rotary Club Kronberg auf Einladung von Schwester Inviolata eine Clubreise nach Sanya Juu. Der Eindruck vor Ort fiel durchweg positiv aus. Projekteiter Bernd Ilbertz bringt es auf den Punkt: „Mit den Heilig-Geist-Schwestern haben wir einen Partner, der langfristig in diesem Land vertreten sein wird, gut organisiert ist und diszipliniert und sorgsam mit den Zuwendungen aus dem Ausland umgeht. Außerdem beweist die Gemeinschaft ein hohes soziales Engagement, sodass die ihnen zukommenden Vergünstigungen auch unmittelbar der Bevölkerung zugutekommen.“
Die Station liegt im Massai-Gebiet. Viele Menschen dort sind bettelarm. Einen kurzen Fußmarsch über schmale Sandwege vom Haupthaus entfernt liegt das Health Center der Missionsstation. Eine Behandlung dort können sich die meisten kaum leisten. Vor allem kommen die Frauen dort zur Entbindung hin. Aber viele Kinder sterben, weil keine Kaiserschnitte gemacht werden können. Denn es gibt keinen Operationssaal, keinen Strom und auch keine Ärzte, nur Schwestern. Ein OP ohne Strom funktioniert nicht. Für den muss zuerst gesorgt werden. Dafür setzt sich der Rotary Club Kronberg unter der Projektleitung von Peter-Josef Klein jetzt in einem Anschluss-Projekt ein. Mit Club- und BMZ-Mitteln soll mit einem Auftragsvolumen von 45.000 Euro mit 24 Modulen (Leistung 5 KW) eine Photovoltaik-Anlage gebaut werden. Bernd Ilbertz und sein Club wissen, dass das Geld dort am Fuße des Kilimanjaros in Sanya Juu gut aufgehoben ist: „Von dort strahlt die ganze Kraft ins Land, die die Schwestern entfalten.“
„Wasser Marsch“
Der Geländewagen schiebt sich über eine staubige, unbefestigte Landstraße durch dünn besiedelte Landschaft vorwärts. Nach einer halben Stunde Fahrt erreichen wir das Ngarenairobi Village. Auf dem Gelände der Mwangaza Primary School hat der Rotary Club Fulda-Paulustor einen Trinkwasserbrunnen gebaut. Die Pumpe benutzt ein Solarsystem. Das reicht für 300 Liter am Tag und wird zum Trinken und Kochen für die gut 700 Schüler und 100 Vorschüler eingesetzt. Für die Blumen und die Farm, auf der Bohnen angebaut werden, muss weiter das Wasser aus dem Fluss genutzt werden. Der fließt in eineinhalb Kilometern Entfernung und diente noch bis vor kurzem auch für die Kinder als Quelle, aus der die das verdreckte Wasser in Kanister gefüllt und zurück zur Schule geschleppt haben. Die Pumpe könnte noch mehr Wasser aus dem 110 Meter tiefen Bohrloch befördern, aber es gibt zu wenig Solarenergie. „Wir haben nicht genug Sonne hier, weil wir in der Nähe des Kilimanjaros sind“, sagt Schuldirektor Reginald, und fügt hinzu: „Wir bräuchten einen Tank, um das Wasser aufzubewahren von guten, sonnigen Tagen.“ Reginald hat viele Themen, um die er sich kümmern muss: „zu wenig Lehrer, zu wenig Toiletten, zu wenig Wasser.“ Der Brunnen ist, weil das Wasser so kostbar ist, sicher mit einem Schloss verriegelt. Den Schlüsseldienst übernimmt jede Woche ein anderer Lehrer. Einmal pro Tag am Nachmittag wird aufgesperrt und die Schüler stellen sich mit kleinen Bechern und Schüsselchen für ihre Wasserration am Brunnen an. Reinhold Werner aus dem Rotary Club Fulda-Paulustor war in der Bauphase mehrmals vor Ort, hat mit seinen Clubfreunden alle Höhen und Tiefen der Projektentwicklung mitgemacht. Ein Matching Grant-Projekt mit dem örtlichen Rotary Club Moshi kam nicht zustande. Letztendlich half die Präsenz und Organisation der Clubfreunde aus Fulda vor Ort in Tansania, den Brunnenbau innerhalb von drei Monaten umzusetzen und zu finalisieren. An die Bauabnahme und Inbetriebnahme vor Ort wird Reinhold Werner sich noch lange erinnern, besonders an den „Freudentaumel“ der Kinder, als er das Kommando gab: „Wasser Marsch“.
Trinkwasser für fünf Dörfer
Nach etwa zwei Stunden Fahrt, kurz hinter dem Eingang in die Gemeinde, biegt der Fahrer von der staubigen Sandstraße ab und hält vor einer unauffälligen Häuserzeile. Die Water Users Association hat hier ihr Büro. In einem kleinen provisorisch eingerichteten Raum sitzt Digna hinter ihrem Schreibtisch. Sie kümmert sich als Kassiererin darum, dass von den Bewohnern des Ward Kilema South Geld in die Kasse kommt. Der Ward entspricht vom Aufbau etwa einer Verbandsgemeinde und umfasst die Dörfer Marawe Kiura, Masaera, Pofo, Kilema Chini und Njia Panda. 15.000 Menschen werden hier durch das Kilema Mandaka Water Supply Projekt der Rotary Clubs Kempten und Traunstein mit ihrem Partnerclub Moshi mit Trinkwasser versorgt. Wir fahren zu den Quellen, die in einer Höhe von 1330 Metern ü. N.N. entspringen. Den schmalen, unbefestigten Weg dort hinauf säumen hohe, dicht gewachsene Bäume und Pflanzen in saftigem Grün. Der Fahrer hat heute extra das Auto getauscht und einen Geländewagen für die Fahrt gewählt. Mitten auf dem Weg heißt es plötzlich: Ziel erreicht. Von einer Quelle oder Wasser keine Spur. Vom Wegesrand scharf rechts abgebogen mitten ins Gebüsch, führt uns Respich Kazimoto zu Fuß schnurstracks durch das grüne Dickicht zwischen eng gewachsenen Büschen hindurch. Plötzlich taucht die Quelle auf. Mr. Kazimoto ist Wasseringenieur und betreut für den Tanzania Project Promotion Trust (TPP Trust) das Rotary-Projekt. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist mit Zuwendungen in Höhe von 316.000 Euro beteiligt. Voraussetzung dafür: Eine tansanische Non-Profit-Organisation (NGO) muss das Projekt vor Ort durchführen. Diese Aufgabe hat der TPP Trust übernommen. Insgesamt setzt sich die Projektfinanzierung von 424.000 Euro außerdem noch aus Mitteln der Rotary Clubs, des ehemaligen Distrikts 1840, einem Matching-Grant, Geldern des Aktionskreises Ostafrika (AKO), einem Eigenanteil des Antragstellers sowie aus Beiträgen durch unbezahlte Arbeitsstunden vor Ort zusammen.
Das Wasser, rund 11 Liter/Sekunde, fließt mittels Schwerkraft ohne Pumpe rund 15 Kilometer von den Quellen bis zum Leitungsende. Mit dem Wasser werden sieben Grundschulen und Kindergärten versorgt. Für Privatpersonen sind alle 800 Meter öffentliche Zapfstellen angelegt. Freiwillige Brunnenwachen aus der Bevölkerung regeln mit individuell abgestimmten Öffnungszeiten und einem Schlüssel das Wassergeschäft an der Zapfstelle. Zehn Prozent der Einnahmen bekommt das Wachpersonal für seine Dienste von der Water Users Association zurück. Inzwischen zapfen allerdings rund 300 Haushalte oder Grundstückseigentümer mit eigenen Anschlüssen die Leitung an. Das führt zu Wassermangel in den unteren Gebieten. Um der illegalen Wassernutzung entgegenzuwirken, ist ein stabiles Water Board unerlässlich. Dem obliegt nach tansanischem Wasserrecht die Geschäftsführung der Water Users Association, die in den einzelnen Dörfern durch Komitees vertreten wird, aus denen wiederum zwei Mitglieder per Wahl in das Water Board entsandt werden. Die Water Users Association muss sich beim Wasserministerium registrieren lassen und unterliegt der Aufsicht der Distriktverwaltung, insbesondere der des Distrikt-Wasseringenieurs. „Es muss kompliziert sein, weil Geld im Spiel ist“, sagt Respich Kazimoto. Nach massiven Startschwierigkeiten des Water Boards durch Betrug und Manipulation des damaligen Gemeinde-Vorstehers ist inzwischen zwar Ruhe eingekehrt und ein Manager ist eingestellt Der Trust aber hat die Verantwortung noch nicht vollständig abgegeben und unterstützt das Personal und kontrolliert das Projekt weiter bis die Bevölkerung vor Ort auf eigenen stabilen Füßen steht. Die Rotary Clubs Kempten und Traunstein haben vom Distrikt-Wasseringenieur bereits drei weitere Quellen zugeteilt bekommen, um noch mehr Wasser in das bestehende Leitungssystem einzuspeisen. „Allerdings“, sagt Werner Diederich, im Rotary Club Kempten für das Projekt verantwortlich, „liegen die Quellen im tiefen Tal eines Flüsschens, schwer zugänglich und felsig, sodass nahezu ausschließlich Stahlrohre zur Verwendung kommen müssen.“ Eine neue Herausforderung für die rotarischen Freunde, die schon mit dem ersten Projekt den Bewohnern der Gemeinde so viel mehr Lebensqualität geschenkt haben. Denn hier in Afrika ist eines ganz besonders sicher: Wasser ist Leben.
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