Distrikt
Prof. Preiser aus Südafrika im Talk
Ein Gespräch mit dem Mit-Entdecker der Omikron-Variante über Sars-CoV-2 und die Impfung in Schwellen- und Entwicklungsländern
"Sinnvolle Unterstützung" bei der Impfung gegen Covid in Entwicklungs- und Schwellenländern sei nötig und gewünscht, aber die passende Hilfe zu vermitteln, "leider nicht so einfach". Das hat Professor Wolfgang Preiser, Leiter der Abteilung für Medizinische Virologie an der Universität Stellenbosch bei Kapstadt und Mitendecker der Omikron-Variante, im Talk des Distrikts 1820 gesagt. Aus Sicht des Corona-Beauftragten im Distrikt, Rainer Moosdorf, zeigt Rotary mit Impfaktionen in Baunatal, Bad Hersfeld, Marburg und Langen im Kreis Offenbach schon "ein tolles Engagement" auf lokaler Ebene, aber "international schöpfen wir unser Potential in Impfkampagnen noch nicht aus". Claus Peter Müller von der Grün vom RC Kassel-Wilhelmshöhe moderierte den Talk, der samt dem Interview mit Wolfgang Preiser unter dieser Adresse abrufbar ist:
Der Vorwurf, die armen Länder bräuchten mehr Impfstoff, den die reichen Länder horteten, werde zwar häufig erhoben, werde aber der Wirklichkeit in dieser Schlichtheit nicht gerecht, brachte Wolfgang Preiser zum Ausdruck. Die Versorgung mit Impfstoff sei in Südafrika als einem Schwellenland Anfang 2021 "ganz schwierig" gewesen, indes es "peinlich" gewesen sei, wie sich die europäischen Länder zur selben Zeit "um die Impfstoffe gezankt haben". Wenn reiche Länder heute Impfstoffe an ärmere spendeten, sei die verbliebene Haltbarkeit der Dosen häufig zu knapp bemessen, um unter den schwierigen Bedingungen armer Länder noch eine entsprechende Impfkampagne aufzubauen.
Unterdessen habe Südafrika genug Impfstoff, doch es sei das Problem, diesen zu den Patienten zu bringen. Es stellten sich zwei Herausforderungen. Zum einen seien die Menschen in ländlichen Räumen schwer zu erreichen, weil sie von Verkehrsinfrastruktur abgelegen lebten. Armen Menschen fehle es wiederum an technischer Infrastruktur, um sich persönlich auf einem digitalen Portal für die Impfung anzumelden, und Tagelöhner, von denen es zahlreiche gebe, müssten für die Impfung auf Einkommen verzichten. Zum anderen gebe es in Südafrika wie andernorts Impfgegner, und das seien "nicht vorwiegend ungebildete, arme oder abergläubische Menschen". In "gewissen Gruppen" gebe es eine "politische Anti-Haltung" gegen die Regierung, die sich in Impfablehnung übertrage. Das sei schon beim Kampf gegen Ebola der Fall gewesen.
Die Entdeckung der Omikron-Variante in Südafrika sei kein Zufall gewesen, sagte Wolfgang Preiser, der am Klinikum der Goethe Universität in Frankfurt tätig war, bevor er sich 2003 als Berater der Weltgesundheitsorganisation an der Erforschung des Sars-Virus in China beteiligte und 2005 nach Südafrika ging. In Südafrika sei 2020 schon die Beta-Variante entdeckt worden, weil Südafrika im Kampf gegen HIV im ganzen Land ein mustergültiges Netzwerk kooperierender Forscher und Labore samt der genomischen Analyse und Überwachung der Virusvarianten aufgebaut habe. Wie nur wenige Länder auf der Welt, wie zum Beispiel UK, sei Südafrika in der Lage, den zeitlichen und räumlichen Verlauf der Ausbreitung einer zuvor analysierten Variante zu verfolgen und auf das Verhalten der Variante zu schließen.
Nachdem Omikron Ende 2021 entdeckt worden war, "befürchteten wir das Schlimmste", räumte Wolfgang Preiser ein, "und wir bereiteten uns auf eine furchtbare Weihnachtszeit vor". Erleichterung habe hingegen geherrscht, als sich zeigte, dass diese Variante zwar "unglaublich ansteckend" sei, aber "offensichtlich eine verminderte Fähigkeit" habe, schwere Erkrankungen auszulösen. Diese Erkenntnis habe sich unterdessen erhärtet. Allerdings verfüge die Bevölkerung in Südafrika durch die Kombination der Impfung und die Infektion durch mehrere Corona-Wellen über eine gewisse "Populationsimmunität". Bis zu 65 Prozent der Bevölkerung gelten als genesen. "Wer in Deutschland nicht geimpft ist und keine Infektion durchgemacht hat, hat keinerlei Immunität", warnte Wolfgang Preiser.
Große Sorge herrsche in den Entwicklungs- und Schwellenländern, dass der Kampf gegen Corona den Kampf gegen andere Erkrankungen schwächen könnte. Unter der Bekämpfung von Covid litten zum Beispiel andere Impfkampagnen für Kinder, die routinemäßige Versorgung von HIV-Patienten oder ganz allgemein die Krankenversorgung, weil Menschen aus Angst vor einer Infektion den Besuch der Klinik mieden. In Südafrika seien aber die Schwächen im System, die sich in der Pandemie offenbart haben, zum Anlass genommen worden, die Versorgungsstruktur für Menschen mit anderen Erkrankungen wie einer HI-Infektion oder mit Diabetes zu verbessern.
Claus Peter Müller von der Grün ist Journalist. 1960 in Kassel geboren kehrte er — nach dem Studium in Dortmund und verschiedenen beruflichen Stationen in Dortmund, Düsseldorf und Frankfurt — nach der Wiedervereinigung nach Kassel zurück. Dem RC Kassel-Wilhelmshöhe gehört er seit dem Jahr 2000 an. Im Jahr 2013/14 war er Präsident seines Clubs. Sowohl im Club, als auch auf der Distriktebene war er schon mehrfach in Sachen der Kommunikation aktiv, derzeit ist er Distriktberichterstatter von D1820.
Weitere Artikel des Autors
12/2024
Stimmen für den Frieden
12/2024
In Kürze
"Schattige Plätzchen"
1/2025
Akuthilfe gegen Vermüllung
11/2024
In Kürze
11/2024
Rotary im Wandel
12/2024
Voices for Peace
10/2024
Wie politisch ist Rotary?
10/2024
In Kürze
9/2024
Ausbildung von Schlaganfallhelfern
Mehr zum Autor
Hintergrund: Krankheitsprävention und -behandlung
Die Verbesserung der medizinischen Infrastruktur in medizinischen Notstandsgebieten ist die grundlegende Leitidee für diesen Bereich.