Nothilfe vor Ort
Wie nah ist der Dienst am Nächsten?
In Deutschland muss niemand hungern. Stimmt das? Warum brauchen wir dann „Tafeln“? Armut gibt es auch bei uns. Und Rotary kann helfen.
Zwei bewährte Aktionen sind vorweihnachtliche „Wunschbäume“ und Hilfe für Notleidende vor Ort. So nimmt im Distrikt 1950 allein der RC Bamberg mit seinem „Baum der Hoffnung“ jährlich rund 15.000 Euro ein, die er diesmal der Bamberger Tafel spendete. Der RC Obermain fällte seine Wunschtanne sogar selbst, der RC Erfurt verkaufte Glühwein und Suppe zugunsten einer in Not geratenen Familie und der RC Altenburg erfüllte rund 200 Kinderwünsche aus Wohngruppen und Heimen. „Meist sind es wirklich bescheidene Wünsche wie ein Spielzeugauto oder Bettwäsche“, so die Erfahrung von Initiatorin Constanze Köhler.
Individuelle Geschenke für Kinder aus bedürftigen Familien gab es auch beim RC Herzogenaurach. Partner war ebenfalls die Tafel, die zudem Unterstützung aus dem jährlichen „Tafelkonzert“ des Clubs erhält. „Pro Kopf werden in Deutschland fast 260 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgegeben. Und dennoch gehen viele Menschen leer aus“, bedauert Präsident Wilhelm Griga, der nicht zuletzt die Geschichte vom Heiligen Martin als Vorbild für diesen wörtlichen „Dienst am Nächsten“ sieht.
Dennoch ist die rotarische Nothilfe vor Ort nicht unumstritten. So war der Bamberger „Baum der Hoffnung“ kürzlich Gegenstand einer Diskussion bei Facebook. „Worauf setzt der Baum seine Hoffnung?“, wollte ein Besucher der Distriktseite wissen. „Dass es in diesem Land irgendwann anders wird und wir keine Tafeln mehr brauchen? Dann bräuchte es nämlich weniger Wohltätigkeit.“ Ein ebenso berechtigter Einwand wie die Antwort darauf: „Hoffnung ist ein weiter Begriff. Hoffnung auf weniger Armut, Gesundheit, mehr Menschlichkeit... Stirbt die Hoffnung, stirbt der Mensch!“
Hilfe - lokal oder international?
Und auch in den Clubs wird oft rege diskutiert, ob das rotarische Engagement besser daheim oder in den Elendsgebieten der Dritten Welt aufgehoben ist. Denn Armut ist relativ. Aus existenzieller Sicht ist sie bei uns weit geringer als etwa in Afrika, im gesellschaftlichen Kontext aber genauso präsent. Zudem kann jeder Euro in der Dritten Welt zwar deutlich mehr bewegen, es braucht aber gute Kenntnisse und Netzwerke, um dort sinnvolle, nachhaltige Hilfe zu leisten. Rotary hat diese Netzwerke, aber nicht jeder Club hat die Kapazitäten und das Knowhow, sie anzuzapfen.
Notleidende vor Ort lassen sich dagegen einfach finden und Hilfe schnell organisieren. Ein Nebeneffekt ist, dass lokale Projekte eher wahrgenommen und medial beachtet werden – was Rotary Sympathie und weitere Unterstützung bringt. Lokal oder international? Die Antwort lautet wohl: am besten beides, soweit es der Club mit einem guten Gefühl stemmen kann.
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