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Integration

Flüchtlinge eingliedern

Integration - Flüchtlinge  eingliedern
Harald Bos (RC Bad Wörishofen), Sprecher des Arbeitskreises Integration des Distrikts 1841, Past-Governor 2007/08, Leiter der Rotary Akademie 1841/1842 © Sascha Westphal

Harald Bos01.07.2016

Ich bin wohl ein Gutmensch, denn ich glaube an die rotarischen Werte. Aber der Ausdruck „Gutmensch“ wurde gerade erst zum Unwort des Jahres gewählt und von Populisten mit Naivität und Weltfremdheit in Verbindung gebracht. Das finde ich ärgerlich und befremdend.

Viele gut meinende Mitbürger, Flüchtlingshelfer und auch schon viele Mitglieder von Rotary Clubs müssen sich fragen, ob sie ihre knapp bemessene Zeit noch für gesellschaftliches Engagement und für ein Ehrenamt vergeuden sollen.Sind „Schlechtmenschen“ dann die Schlauen und Weltoffenen? Wenn ich gelegentlich gefragt werde, was sich eigentlich hinter Rotary verbirgt, antworte ich: „Wir sind Freunde und tun Gutes.“

Völkerverständigung vor Ort

Rotary steht für Internationalität, Völkerverständigung und Frieden und beweist das durch eine Vielzahl humanitärer und sozialer Projekte. Bislang galt das vorwiegend für die Dritte Welt und für die von Katastrophen betroffenen Länder.Nun haben wir ein Problem der Völkerverständigung in unseren Städten, Stadtteilen und Dörfern. Es war bisher einfacher, mit Spenden für internationale Projekte sein Gewissen zu beruhigen, als nun vor Ort die Integration zu unterstützen.

Es gibt mittlerweile wohl kaum noch einen Club, der das Flüchtlings- und Integrationsthema nicht auf seiner Agenda hat. Nicht immer stehen konkrete Hilfen oder gar Integrationskonzepte am Ende der Diskussionen. Das könnte daran liegen, dass man nicht recht weiß, wie und wo man beginnen soll. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Meinungsvielfalt in den Clubs noch kein klares Bekenntnis zur aktiven Hilfe zulässt. Politik und Bürokratie sind derzeit völlig überfordert und schaffen es nicht, praxisnahe Richtlinien zu gestalten.Europa steht vor der ersten Solidaritäts-Bewährungsprobe und versagt völlig.

Liebe rotarische Freundinnen und Freunde, benutzen wir diese Unstimmigkeiten und Unzulänglichkeiten nicht als Vorwand, um den Menschen in Not Hilfe zu verweigern.

Flagge zeigen

Wir sollten nicht mehr länger darüber diskutieren, ob Rotarierin Angela Merkel (RC Stralsund-Hansestadt) mit ihrem Appell „Wir schaffen das“ etwas voreilig war oder ob die Ministerien zu lange zugeschaut haben. Ich halte es für klüger, gemeinsam die Probleme anzupacken. Ich möchte gern ein Zitat von Gero von Randow aus der Wochenzeitung Die Zeit erwähnen, das ich als sehr mutig, aber auch motivierend empfinde:

„Hat Deutschland schon in vollem Umfang begriffen, welches Glück ihm gerade widerfährt? Jahrzehntelang hat es gegrübelt, ob es seine Altersstruktur durch Einwanderung verändern sollte. Vergreist oder Multikulti, dazwischen mochte man sich nicht entscheiden. Nun hat die Geschichte dem Land die Entscheidung abgenommen. Deutschland wird sich bald verjüngt und ethnisch bunter wiederfinden als je zuvor.“ Natürlich teilen nicht alle diesen Optimismus. Fassen wir diese Worte doch einfach als Ansporn auf, den Menschen zu helfen, die zu uns kommen und bleiben - um ihrer selbst und um der ganzen Gesellschaft willen. Wer etwas erreichen will, setzt sich Ziele; wer etwas verhindern will, sucht Gründe. Zeigen wir Flagge und dokumentieren wir, dass Rotary für Völkerverständigung und Frieden steht.

Mühsames Unterfangen

Es ist im Prinzip ganz einfach: Knapp eine Million Asylbewerber sind da. Sie brauchen Aus-bildung und Jobs, und wir brauchen Menschen, die wir in Arbeitswelt und Gesellschaft integrieren müssen.

Die meisten sind hoch motiviert und wollen arbeiten, ihnen muss man helfen, sich bei uns zurechtzufinden. Natürlich müssen sie auch bereit sein, unsere Hilfe anzunehmen und unsere Regeln zu beachten. Das ist sicherlich ein mühsames und zeitaufwendiges Unterfangen. Es gibt Sprachbarrieren, und selbst ausgebildete Asylbewerber sollen in der Regel nicht die Qualifikationen mitbringen, die hierzulande nötig sind. Glauben wir, vermuten wir, aber Genaues wissen wir nicht! Tatsache ist, dass wir selbst nach vielen Monaten der Einwanderungen nichts über Schulabschlüsse, Ausbildungen, Berufswege und zuletzt ausgeübte Berufe wissen. Die Chancen, schon frühzeitig mehr zu erfahren, verpassen wir bei der Registrierung. Ehe Arbeitsagenturen und berufsorientierte Verbände und Institutionen tätig werden können, vergeht viel zu viel Zeit.

Schon jetzt kann Rotary helfen. Herausfinden, was der einzelne Asylbewerber wirklich kann, wo er einsetzbar ist. Rotary Clubs mit ihrer Berufsvielfalt und ihren Qualifikationen wären für alle Institutionen der ideale Partner zur besseren Berufsorientierung.Wir verfügen mit unserem Berufsdienst über eine rotarische Dienstleistung, die erfahren genug ist, Unterstützung zu leisten.

Wer und was könnten dafür besser geeignet sein als unsere weltweit operierenden Firmen-chefs, unsere Führungskräfte mit Auslandserfahrung, unsere Handwerksunternehmer und unser rotarisches Netzwerk. Wir könnten Patenschaften übernehmen, bei Bewerbungen und Vorstellungen helfen und Praktikas und Ausbildungsstellen vermitteln.

Beitrag zum Frieden

Über kurz oder lang werden in unseren Clubs die Integrationsbemühungen eine bedeutende Rolle spielen, sie sollten sich mit einem verantwortlichen Vorstandsdienst darauf einrichten.

Meine Anregung ist, in jedem Club einen Integrationsbeauftragten zu benennen, der dann mit dem Berufsdienst und den anderen infrage kommenden Diensten eng zusammenarbeitet.Natürlich könnte auch der Berufsdienstbeauftragte einen Arbeitskreis „Integration“ bilden.

Zu erwarten war wohl, dass nach wenig erfreulichen Vorkommnissen die „Stimmen des Volkes“ schäumen, alle Flüchtlinge in einen Topf werfen und mit Forderungen nach härteren Maßnahmen, auch jenseits des Rechts, glänzen.

Gott sei Dank gibt es viele Mitbürger, die in schwierigen Situationen zu differenziertem Urteil fähig sind, durch ihr Tun zu Lösungen beitragen und durch ihren Solidarbeitrag sich weiter für Frieden und Völkerverständigung einsetzen. Ich gehe davon aus, dass wir als Rotarier
dazugehören.

Harald Bos
Harald Bos, RC Bad Wörishofen, arbeitet nach einer Ausbildung zum Diplom-Werbefachwirt, in der Werbe- und Kommunikationsbranche. Außerdem war er 23 Jahre lang Verlagsdirektor und Mitglied der Geschäftsleitung eines mittelständischen Wirtschaftsverlages.