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Ikone des Widerstands

Titelthema - Ikone des Widerstands
Die Erzählung des 20. Juli 1944 wandelte sich im Laufe der Jahrzehnte © Picture-Alliance/AKG-Images

Die Rezeption Stauffenbergs hat sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt. Daran trägt auch seine unterschiedliche Darstellung in Filmen ein.

Björn Lange01.07.2024

Claus Schenk Graf von Stauffenbergs posthumer Weg vom „Verräter“ und „Eidbrecher“ zur Ikone des Widerstands war lang. In der vorliegenden Titelgeschichte haben wir versucht, diesen Weg anhand von Filmszenen unterschiedlicher Produktionen und Dekaden nachzuzeichnen. Als 1955 die neuen deutschen Streitkräfte gegründet wurden, die Bundeswehr, musste man sich zwangsläufig mit Stauffenberg und seinen Mitstreitern auseinandersetzen. Genau in diese Zeit fallen die ersten beiden Filmproduktionen zum 20. Juli 1944. Es geschah am 20. Juli von Georg Wilhelm Pabst und Der 20. Juli von Falk Harnack sind zwei Spielfilme, die im Abstand von nur 48 Stunden in den bundesdeutschen Kinos anliefen.

Obwohl im Zentrum beider Filme die Person Stauffenberg steht, unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Es geschah am 20. Juli schildert ausschließlich die Ereignisse des Tages und ging behutsam mit Nazisymbolen um. In der Hauptrolle: Bernhard Wicki als Stauffenberg. Dagegen thematisiert Der 20. Juli den historischen Hintergrund und schließt andere Widerstandskreise in seine Erzählung ein, Regisseur Falk Harnack war schließlich selbst im nationalsozialistischen Widerstand engagiert. Sein Hauptdarsteller war Wolfgang Preiss. Papsts Film wurde am 19. Juni 1955 im „Luitpold“ in München uraufgeführt, zwei Tage später Harnacks Streifen im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Berlin.

Aufwendige Produktionen

Bis in die 1970er Jahre hinein tat sich Deutschland schwer mit einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz des Umsturzversuchs. Die nächste Filmproduktion, diesmal fürs Fernsehen, wurde erst 1970 ausgestrahlt. Horst Naumann, dem später als TV-Arzt in den Serien Das Traumschiff und Schwarzwaldklinik die Zuschauerherzen zuflogen, war in Rudolf Nussgrubers 90-minütiger Verfilmung Claus Graf Stauffenberg als ebendieser zu sehen. Stauffenberg wird darin noch immer nüchtern und eher distanziert dargestellt, vom Heldenstatus ist er noch weit entfernt.

Mehr als 30 Jahre später hatte sich das Bild Stauffenbergs in der Gesellschaft gewandelt, was der deutsch-österreichische Fernsehfilm Stauffenberg von 2003 (gesendet im Februar 2004) deutlich zeigt. Satte fünf Millionen Euro ließen sich ARD und SWR das Werk kosten, 34 Drehtage und 75 Schauspielcharaktere zeugen von einem enormen Aufwand. Autor und Regisseur Jo Baier war sich sicher: „Stauffenberg ist ein Held.“ Die Hauptrolle besetzte er mit Sebastian Koch.

Im selben Jahr, zum 60. Jahrestag des Attentats, produzierte das ZDF den Doku-Spielfilm Die Stunde der Offiziere. Schon der Titel verrät, dass jetzt die Sicht der Verschwörer in den Mittelpunkt rückt. Der Film ist eine Collage aus Archivaufnahmen, Aussagen von Zeitzeugen sowie hochkarätig besetzten Spielszenen, die die Wege, Motive und Schicksale der Widerständler lebendig machen. Regie führte Hans-Erich Viet, Harald Schrott verkörperte Stauffenberg.

Umstrittene Hollywood-Interpretation

Endgültig zur Ikone des Widerstands wurde Stauffenberg 2008 durch den Hollywood-Blockbuster Operation Walküre mit Tom Cruise in der Hauptrolle. Der älteste Sohn Stauffenbergs, Berthold Graf von Stauffenberg, sprach sich gegen die Rollenbesetzung seines Vaters durch Cruise aus, und die Abteilung Sekten- und Weltanschauungsfragen der evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg verglich die Propagandawirkung der Rollenbesetzung des Grafen Schenk von Stauffenberg mit dem Scientologen Cruise mit der weitreichenden Propagandawirkung der Olympischen Spiele in Deutschland 1936 für die positive Selbstdarstellung der Hitlerdiktatur. Die Besetzung der zweiten Hauptrolle des Widerstandskämpfers Albrecht Mertz von Quirnheim mit dem in Deutschland hochgeachteten Schauspieler Christian Berkel, Sohn einer Jüdin, wurde dagegen positiv aufgenommen.

Noch ehe Tom Cruise in den deutschen Kinos zu sehen war, wurde der ZDF-Zweiteiler Stauffenberg – Die wahre Geschichte im Januar 2009 ausgestrahlt. In den Filmen porträtieren Oliver Halmburger und Christan Frey den Widerstandskämpfer in einer Mischung aus inszenierten Szenen mit Peter Becker in der Hauptrolle, Dokumentarbildern und Aussagen von Zeitzeugen. Teil eins erzählt die Geschichte der umfangreichen Vorbereitungen des Attentats, Teil zwei thematisiert das Attentat selbst.

Stauffenberg handelte nicht allein. Aber 80 Jahre nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 steht sein Gesicht wie kein zweites für den Widerstand gegen das nationalsozialistische Verbrecherregime. Dass er bis heute in die Gesellschaft hineinwirkt, dazu haben sicher auch diese Filmproduktionen beigetragen.

Björn Lange
Björn Lange arbeitete seit April 2019 zunächst als stellvertretender Chefredakteur des Magazins im Rotary Verlag. Seit Juli 2020 ist er Chefredakteur des Rotary Magazins. Zuvor war er unter anderem Redaktionsleiter des Pressedienstleisters Rheinland Presse Service in Bonn und des B2B-Wirtschaftsmagazins inside B in Offenburg.