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Porträt Anne Benz

Milchreis geht gar nicht

Porträt Anne Benz - Milchreis geht gar nicht
Mit viel Freude und Geschick ist Anne Benz in der Küche aktiv. © Anja Lehmann

Wie man 80 junge Menschen satt kriegt und trotzdem Spaß hat – Anne Benz hat im KidsCamp den Kochlöffel fest in der Hand.

Matthias Schütt01.06.2018


Anne liebt das Kochen, für sich, für Freunde oder auch die Familie. Und inzwischen sind für sie auch 80 Portionen keine Hürde mehr. Das hat sie auf die harte Tour im vergangenen Sommer gelernt, als sie die Küche im KidsCamp der Rotaracter im Distrikt 1940 organisieren musste. Die Studentin vom Rotaract Club Cottbus hatte kurzfristig die Vertretung der eigentlich vorgesehenen Küchenchefin übernommen und schwärmt noch heute von vier intensiven Tagen im Brandenburger Havelland mit 60 Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren.

Spezielle Partnerschaft
KidsCamps sind ein noch relativ junges ­Rotaract-Projekt für Kinder, die keine Chance haben, in den Sommerferien zu verreisen. 2008 wurde erstmals ein Camp im Distrikt 1830 aufgeschlagen, heute gehört es in allen Distrikten zum Sommer einfach dazu. Um Kinder aus engen, manchmal schwierigen Verhältnissen gut und sicher betreuen zu können, haben die Rotaracter den  Urlaubskinder e. V.  gegründet und vor allem eine spezielle Partnerschaft mit Rotary geschlossen: Wir kümmern uns um die Kinder, wenn ihr die Teilnahme-Kosten übernehmt und die Anreise organisiert.

Für die 50 bis 100 Kinder ist es immer ein Erlebnis, wenn sie die Zelte im KidsCamp beziehen und das Lagerleben mit Nachtwanderung, Stockbrot am Feuer, Geländespielen und anderen Abenteuern kennenlernen. Dazu gehört eine Rundumversorgung mit Frühstück, Mittag- und Abendessen zu festen Zeiten. Man muss das so klar betonen, denn für viele der Kinder, um die es hier geht, gehören weder drei Mahlzeiten noch ein kindgerechter Speiseplan noch eine Tischkultur zum normalen Alltag. Über- wie untergewichtigen Kindern gleichermaßen gerecht zu werden, das wurde zur eigentlichen Herausforderung in der Camp-Küche.

Ein Sprung ins kalte Wasser war Annes Zusage jedoch nicht. „Ich wusste in etwa, was mich erwartet, weil ich 2016 schon als Springer in der Küche mitgearbeitet hatte“, erzählt die 24-Jährige. Und deshalb wusste sie auch schon, dass eine gute Vorbereitung der halbe Erfolg ist. „Ich bin so ein Listen-Typ“, lacht Anne, „und plane alles bis ins Detail im Voraus. Anders hätte der Küchenbetrieb auch nicht geklappt. Ich wusste also bei der Anreise schon weitgehend, was wir die vier Tage kochen würden.“

Und wie plant man für 60 Kids plus 20 Betreuer? Der moderne Mensch geht ins Internet und findet Webseiten, auf denen man sich für ausgewählte Rezepte ausrechnen lassen kann, welche Mengen für 80 Personen benötigt werden. Das schützt jedoch nicht vor Überraschungen. „Wir haben uns fast jedes Mal verkalkuliert und hatten eigentlich immer zu viel. Aber wir hatten auch Kinder, die richtig zugelangt haben“, erzählt sie voller Stolz. Im Vergleich zu 2016 wurde die doppelte Menge an Lebensmitteln verbraucht, obwohl die Anzahl der Kinder nur um zehn gestiegen war. Hunger scheint für manche Kinder ein ständiger Begleiter zu sein. Ein Erlebnis lässt sie nicht los: „Da war ein Junge um die 14, der von unseren Pfannkuchen nicht genug bekam. So etwas Leckeres hätte er noch nie in seinem Leben gegessen.“

Dafür blieben ihm aber auch Obst und Gemüse nicht erspart. Im KidsCamp gelten feste Regeln, auch beim Essen: ohne Salat kein Hauptgang, ohne Hauptgang kein Nachtisch. Doch streng ist relativ; das KidsCamp soll bei allen als positives Erlebnis möglichst lange nachwirken: „Wir wollen die Kinder auch ein bisschen verwöhnen“, betont Anne.
Strenge Regeln gelten indes für das Küchenteam: kein Schweinefleisch zum Beispiel, und zu jedem Gericht eine vegetarische Alternative. Darüber hinaus werden vorab bei den Eltern Allergien und Unverträglichkeiten abgefragt. So gab es immer Kinder, für die im kleinen Topf etwas anderes angerichtet werden musste.

Spaghetti mit zwei Soßen zur Auswahl, Pizza, Nudelsuppe, Chili con/sin carne, aber auch Kaiserschmarren – der Speiseplan war so bunt wie das Campleben. Wobei der Kaiserschmarren das Team an seine Leistungsgrenzen brachte: „125 Eier waren nach Eiweiß und Eigelb zu trennen. Dann haben drei Betreuer im Wechsel den Eischnee geschlagen.“ Auch andere Ideen werden es nicht mehr ins Programm schaffen, wenn sie in diesem Sommer wieder ins KidsCamp fährt. Zum Beispiel Hamburger. „200 Rindfleischklopse zu braten und warm zu halten ist einfach zu aufwendig.“ Noch schlimmer Milchreis. Der ist ihnen angebrannt, weil die Töpfe einfach zu groß waren und sie mit dem Rühren nicht nachkamen.


Zur Person

Anne Benz (RAC Cottbus), 1993 in Tübingen geboren, studiert im Masterstudiengang Ressourcen-Management an der Universität Cottbus. Mit Rotaract kam sie erstmals in Weimar in Berührung und wechselte mit dem Studienort auch zum RAC Cottbus. Als zukünftige Umweltmanagerin betrachtet sie Ver- und Entsorgungssysteme besonders unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. Im KidsCamp gilt das nicht. Hier erlaubt sie sich eine gewisse Verschwendung, wenn es gilt, hungrige Kinder aufzupäppeln.


 Knochenjob
Auch wenn Anne immer mehrere Helfer zur Hand gingen, der Küchenjob geht auf die Knochen. Ihr Arbeitstag begann um sieben und endete selten vor neun Uhr abends. Zwischendurch mal aus dem Foodtruck zu fliehen, daran war nicht zu denken. „Dafür hatten wir aber immer fetzige Musik und eine tolle Stimmung in der Küche. Und ständig stand jemand in der Tür und wollte was …“

Eigentlich kann sich die Studentin den Ausflug ins KidsCamp gar nicht leisten, denn im Studium biegt Anne gerade auf die Zielgerade. Begonnen hatte sie 2012 mit dem Studium zur Umweltingenieurin an der Universität in Weimar und wechselte nach dem Bachelor nach Cottbus, um hier bis Mitte 2019 den Master in Ressourcen-Management zu erwerben. Gerade hinter ihr liegt ein Auslandssemester in Breslau, wo sie Polnisch gelernt hat. Neben dem Studium jobbt sie als Messe-Hostess. Und Distriktsprecherin für Rotaract wird sie auch noch.

Umsichtige Planerin
Da hilft es, wenn man gut organisiert ist. Als Älteste von vier Kindern hat sie früh gelernt, umsichtig zu planen. Das gilt auch für das berufliche Weiterkommen. Als sie das Bachelor-Diplom in der Hand hatte, ist sie erstmal dorthin gefahren, wo die Abwasserproblematik noch eine ganz andere Rolle spielt als bei uns. In Indien konnte sie überprüfen, ob sich die Konzepte aus Labor und Hörsaal auch im praktischen Alltag eines Schwellenlandes bewähren. Eine Initiativbewerbung brachte die junge Frau im Oktober 2015 für ein viermonatiges Praktikum ins Büro Neu-Delhi der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Über die Fachfragen hinaus war die interkulturelle Erfahrung der eigentliche Gewinn aus diesem Abenteuer. Langfristig zieht es sie allerdings nicht in die Entwicklungshilfe, eher in die Wissenschaft. Eine Promotion könnte sie sich gut vorstellen. Oder auch die Arbeit im Consulting.

Zunächst jedoch warten neue Herausforderungen, bei Rotaract und im bevorstehenden KidsCamp. Für Anne ist das Konzept die ideale Umsetzung des rotar­actischen Wertesystems: Lernen, Helfen, Feiern. Denn auch nach langen Tagen in der Küche bleibt immer noch Zeit für ein entspanntes Feierabend-Bier.

urlaubskinder.de


 KidsCamps 2018

  • D 1800, Wolfsburg, 10. – 15. Juli
  • D 1810, Bonn, 18. – 22. Juli
  • D 1820, Münchhausen, 27. Juli – 1. August
  • D 1830, Heilbronn, 30. Mai – 3. Juni
  • D 1841 W, Mindelheim, 14. – 19. August
  • D 1841 O, Weilheim, 19. – 23. Mai
  • D 1850, Sage, 3. – 7. August
  • D 1860, Schmitshausen, 2. – 5. August
  • D 1870, Haltern am See, 8. – 12. August
  • D 1880 & 1950, Effelter, 28. Juli – 1. August
  • D 1890, Otterndorf, 11. – 15. Juli
  • D 1900, Möhnesee, 15. – 19. August
  • D 1910 & 1920, St. Georgen, 19. – 22. Juli
  • D 1930, Ebingen, 22. – 27. August
  • D 1940, Rügen, 15. – 19. August


Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.