Im Fokus
Null-Wachstum in vielen Clubs
Fragen an Jörg Goll, Rotary Coordinator für Deutschland und Beauftragter des Deutschsprachigen Governorrates für Clubausbreitung und Mitgliedschaft
Auch in Deutschland flacht die Wachstumskurve deutlich ab. Verliert Rotary an Anziehungskraft?
Die Entwicklung der Wachstumskurve ist nur bedingt ein Indikator der Anziehungskraft von Rotary. Fakt ist, dass wir nach dem stärkeren Wachstum im Zuge der Wiedervereinigung im Vergleich mit anderen Regionen Europas auch in den letzten Jahren gemeinsam mit Österreich und der Schweiz stabil um ca. ein Prozent jährlich wachsen. Die künftige Anziehungskraft wird stärker geprägt sein von unserer Fähigkeit, den vielschichtigen gesellschaftlichen Wandel und die damit verbundenen Erwartungen der aktuellen und künftigen Mitglieder als Impuls für unsere Clubentwicklung und das persönliche Mitgliedererlebnis zu verstehen.
Trifft der Abwärtstrend Großstadtclubs genauso wie kleine auf dem Lande? Ost genauso wie West?
Wenn auch kein genereller Trend, so hat doch ca. ein Drittel unserer über 1000 Clubs heute gleich oder weniger Mitglieder als vor fünf Jahren. Das geht quer durch Stadt und Land, etwas mehr in Regionen mit stärkerer Landflucht.
Hat das mit veralteten Strukturen zu tun oder passt Rotary einfach nicht mehr in die Lebensplanung jüngerer Zeitgenossen?
Das Angebot von Rotary entwickelt sich fortlaufend entlang den Erwartungen und Erfordernissen der heutigen Gesellschaften. Das war eine zentrale Forderung schon unseres Gründers Paul Harris: „Wenn die Welt sich ändert, hat sich auch Rotary zu ändern.“ Dem entgegen stehen jedoch Verkrustungen mancher Distrikte und Clubs, etwa das Festhalten an Ämtern in einer zuweilen intransparenten Trutzburg namens Beirat und Vorstand. Sie machen es neuen Mitgliedern nicht leicht sich dazugehörig zu fühlen. Und wenn der Arbeits-Familien-Freizeit-Balance, dem Netzwerkgedanken und dem sozialen Engagement nicht entsprochen wird, kehren diese dem Club ganz schnell den Rücken. Der Vorstand macht sich oft (zu) wenig Gedanken über Cluberlebnis und Mitgliederzufriedenheit.
Wie können wir gegenzusteuern?
Wir müssen den Clubdienst stärken, um neue oder sich zurückziehende Mitglieder so zu begleiten, wie sie es erwarten dürfen. Und auch regelmäßig über Rotary und seine Programme informieren, unsere Kernwerte herausstellen und vielfältige – auch partner- und familiengerechte – Aktivitäten einbauen. Erfolgreiche Clubs stellen sich der Erkenntnis, dass Veränderung vor allem machen heißt. Governor, Clubpräsidentinnen und -präsidenten fehlt oft schlicht der Mut, Änderungen anzupacken. Zudem könnten Assistant Governors und Distriktbeauftragte für Mitgliedschaft und Clubdienst Impulse geben, denn sie sind meist länger an ihren Clubs dran. Eine ehrliche Analyse des Mitgliedschaftserlebnisses und der Mitgliederzufriedenheit würde wohl in viel mehr Clubs dazu führen, dass Rotary neu gedacht wird – ganz im Sinne von Paul Harris.
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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