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Zwischen Tütenpacken und Besinnlichen Worten

Pastors Weihnachten

Michael Vogt16.12.2014

Es ist Sommer. Die Zehen wackeln in Flip Flops, kühle Getränke machen die Hitze im Sitzungszimmer erträglich. Noch ziemlich entspannt fällt in der Sitzung des Pfarrgemeinderates zum ersten Mal seit Monaten wieder das Stichwort: Weihnachten. Wer organisiert den Dorfkalender, wer kümmert sich um Basar und Weihnachtsbaumverkauf? Jede Menge Fragen, die früh erörtert und beantwortet werden wollen. Danach jedoch kehrt erstmal wieder Ruhe ein. Das Ende des Jahres liegt noch in weiter Ferne. Ganz plötzlich aber ist November, und alle werden hektisch. Wer denkt auch schon an Weihnachten, wenn draußen immer noch zweistellige Temperaturgrade angezeigt werden?! Das Team der Hauptamtlichen – Priester, Gemeindereferentinnen und -referenten – plant die Advents- und Weihnachtstage durch. Bei fünf und mehr Gemeinden, die zu einer Seelsorgeeinheit gehören, muss man gut koordinieren, wer an welcher Veranstaltung teilnimmt. Eine Woche vor dem Advent laden die Gruppierungen fast zeitgleich zum jährlichen Basar ein. Die Kinder beginnen für die Krippenspiele zu üben. Schon einige Zeit vorher kommen die Einladungen zu den diversen Advents- und Weihnachtsfeiern. Kirchliche, politische und gesellschaftliche Gruppen wünschen sich ein paar besinnliche Worte zum Fest. Kuchen, Plätzchen, Glühwein oder Kaffee werden zu Hauptbestandteilen der täglichen Nahrungsaufnahme. An die Armen will man auch noch denken und packt etliche Tüten für Obdachlose und Flüchtlinge in der Stadt. Endlich ist dann Weihnachten – Krippenfeiern, Christmetten, feierliche Gottesdienste mit Chor und Orchester machen den besonderen Festcharakter deutlich. In den Familien herrscht mal mehr, mal weniger festliche Stimmung. Und schnell wird nach den Tagen alles entsorgt, denn die Stimmung ist mit dem Ende der Festtage ebenfalls dahin.


Wenn das alles wäre in den Tagen von Advent und Weihnachten, müssten wir uns in den Kirchen ernsthaft Gedanken darüber machen, was Weihnachten noch mit der christlichen Botschaft von Gottes Menschwerdung zu tun hat. Es ist bedenkenswert genug, dass der Konsum scheinbar im Vordergrund steht. Das Fest der Geschenke lässt sich marketingtechnisch hervorragend ausschlachten. Und der Einzelhandel ist darauf angewiesen, dass zum Ende des Jahres die Bilanz günstig ausfällt. Das christliche Fest hat aber mehr zu bieten. Es gibt mehr als den äußeren Schein und die Reduzierung auf Familie, Harmonie und gegenseitiges Schenken. Die Bräuche und Riten im Advent zeigen bereits eine andere Sichtweise. Ein Nikolaus (und nicht der Weihnachtsmann!) macht in seiner Vita deutlich, dass sein Handeln von einer tiefen religiösen Motivation geprägt ist. Er war ein Bischof, der den Menschen seiner Zeit Hoffnung gegeben hat und den Mut, Veränderungen zu bewirken. Daneben war er ein mächtiger Streiter für seinen Glauben. So ist es für mich persönlich jedes Jahr ein kleiner Höhepunkt in der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, wenn ich als Nikolaus verkleidet die Gruppen unserer katholischen Kindergärten besuche und in strahlende Gesichter bei Groß und Klein blicken darf. Auch die rotarischen Freunde freuen sich über einen Besuch vom Nikolaus. Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken führt seit Jahren die Kampagne „Weihnachtsmannfreie Zone“ durch – mittlerweile mit viel prominenter Unterstützung. Auf ihre Initiative hin gibt es sogar in den Geschäften wieder richtige Schokoladennikoläuse zu kaufen. Daneben finden sich noch viele regionale Bräuche, deren Ursprung in kirchlichen Festen oder aus den Berichten der Heiligen Schrift entstanden sind.


Vom Frohbotschaft-Verkünder...
Was von vielen Menschen in der Adventszeit beklagt wird, ist die Hektik und Lautstärke auf den Straßen und den Innenstädten. Diesem Umstand entgegenzuwirken gibt es bereits in vielen Dörfern und Stadtteilen sogenannte „Dorfkalender“ oder auch „lebendige Kalender“, die in ökumenischer Eintracht veranstaltet werden. Vom 1. bis zum 23. Dezember – oder auch nur an einigen Tagen – treffen sich Menschen vor Häusern mit geschmückten und gestalteten Adventsfenstern, um für eine gute Viertelstunde zur Ruhe zu kommen, Texte und Geschichten zu hören, Lieder zu singen. Die Menschen genießen dabei die Gemeinschaft und freuen sich an den unterschiedlichen Texten, die von den jeweiligen Hausbewohnern vorgetragen werden. So hat jeder Tag im Advent
einen Ruhepol, der durchatmen lässt.


Sogenannte Frühschichten und Spätschichten in den Gemeinden, Roratemessen, Atempausen, Bußgottesdienste und andere Angebote gehen in die gleiche Richtung. Menschen sind eingeladen, eine Auszeit zu nehmen und Kraft für die Seele zu tanken. Bilder von Weg, Licht, Wüste und anderem wollen dabei helfen zu verstehen, warum Gott Mensch wurde, um unter uns Menschen zu leben. Sie dienen auch der inneren Vorbereitung auf das Fest. Bei allen notwendigen äußeren Vorbereitungen – Weihnachtsbaum aufstellen am Vorabend, Geschenke für Freunde und Familie besorgen, leckeres Essen zubereiten; was wäre ein Fest, wenn die Gäste und der Gastgeber nicht in Stimmung sind zu feiern?! Weihnachten und die ihm eigene Atmosphäre kann man niemandem verordnen; Harmonie und Gemeinschaft sind nicht von jetzt auf gleich in der Familie vorhanden, bloß weil auf dem Kalender der 24. Dezember angezeigt ist. So etwas muss wachsen. Dazu ist der Advent da. Als Priester ist mir daran gelegen, die Menschen mit auf den Weg hin zum Fest zu nehmen.


Und wenn dann endlich der Heilige Abend angebrochen ist, dann komme ich innerlich zur Ruhe und freue mich auf die Feier der Tage. Im Haus ist alles bereitet – sogar die Blumen haben frisches Wasser bekommen und die Hunde wurden gebadet. Der Nachmittag beginnt mit der Krippenfeier für die jungen Familien. Schon eine Stunde vorher laufen die Kinder aufgeregt über den Kirchplatz. In der Kirche ist ein ordentlicher Geräuschpegel zu hören, der erst verstummt, wenn die Orgel zu spielen beginnt. Es macht jedes Jahr Freude, die vielen Kinder und die Erwachsenen begrüßen zu dürfen, die natürlich mit großen Erwartungen dem Gottesdienst folgen. Die Aufführung des Krippenspiels durch Kinder und der gemeinsame Gang danach zur Krippe bilden den Höhepunkt. Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es dann mit der ersten Christmette in einer der anderen Kirchen weiter. Umschalten können von der Betriebsamkeit eines Kindergottesdienstes auf die besinnliche Einstimmung zur Christmette ist dabei wichtig und wohltuend. Ich empfinde es jedes Jahr als ein großes Privileg, den Menschen, die zur Messe gekommen sind, die Frohbotschaft von der Geburt Jesu Christi verkünden zu dürfen und in der Predigt diese Botschaft in die heutige Zeit zu transferieren. Der Gottesdienst ist für mich selber dann stimmig, wenn Herz und Verstand gleichermaßen angesprochen werden. Dann kann ich nach dem Gottesdienst in Ruhe das Essen genießen, auch wenn mir nicht viel Zeit bleibt bis zur zweiten Christmette am späteren Abend. Die Gottesdienstbesucher haben dann die Bescherung schon hinter sich. Das spürt man an der Stimmung in der Kirche: Die innere Anspannung ist weg, der Gottesdienst soll einen bewussten Abschluss des Tages bilden. Der gleiche Gottesdienst nur in einer anderen Kirche mit anderen Menschen: Der Gefahr von Routine darf man nicht erliegen. Erst am Ende dieses Gottesdienstes fällt auch bei mir alle Anspannung ab und ich freu mich auf eine gemütliche Runde zuhause mit lieben Menschen, herrlicher Weihnachtsmusik und einem guten Glas Rotwein. Jetzt ist Weihnachten auch im eigenen Herzen angekommen.


...zum Sohn, Bruder und Onkel
Der erste und zweite Weihnachtstag sind geprägt vom Wechsel zwischen den festlichen Gottesdiensten in den Gemeinden und dem Besuch der Familie zuhause, wenn sich alle im Elternhaus einfinden, um miteinander fröhliche Stunden zu verbringen. Dann bin ich einfach Sohn, Bruder und Onkel, der sich wie alle anderen herrlich freuen kann an den kleinen Geschenken, die unterm Weihnachtsbaum liegen.