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Reichen zwei Meetings im Monat?

Rotary Aktuell  - Reichen zwei Meetings im Monat?
© Martin Künsting / DJZ (2)

Der Freude in den Clubs über die Freigabe der Meetingfrequenz folgte schnelle Ernüchterung: Die Nebenwirkungen sind beträchtlich.

Matthias Schütt01.12.2018

Gerade 53,5 Prozent – das ist nach einer Auswertung der Redaktion die durchschnittliche Präsenzquote in den deutschen und österreichischen Rotary Clubs (s. Rotary Magazin 10/2018, S. 29). Bei Schwankungen zwischen 41 und 58,1 Prozent in den 17 Distrikten liegen die Rotarier unserer Clubs ziemlich genau auf der Linie, die Rotary International als Minimalpräsenz für notwendig hält: Laut der verbindlichen Einheitlichen Clubverfassung muss jedes Mitglied mindestens 50 Prozent der Meetings seines Clubs besuchen, andernfalls droht der Ausschluss.

Bei so mäßiger Präsenzbereitschaft ist doppelt erstaunlich, dass kaum ein Club von den neuen freizügigen Möglichkeiten Gebrauch macht, die RI nach dem Council on Legislation 2016 eingeräumt hat. Der Gesetzgebende Rat beschloss damals, dass die Clubs die Zahl der Meetings in Zukunft frei gestalten können, vorausgesetzt, es werden mindestens zwei Meetings im Monat angesetzt.

Nach dem mit großer Mehrheit gefassten CoL-Beschluss schwappte eine beträchtliche Welle mit zum Teil sehr emotionalen Kommentaren durch die Seiten dieses Magazins. Der Spannungsbogen reichte von „mutiger Aufbruch“ bis „fatale Tendenz“ – so waren zwei Statements (Pro & Contra) im Juni-Heft 2016 überschrieben.

Revolution ausgeblieben

Und heute, zwei Jahre später? Die Revolution ist ausgeblieben. Dennoch lohnt sich die Nachfrage, welche Erfahrungen Vorreiter der neuen Regelung gemacht haben. Eine nicht repräsentative Umfrage brachte ein mageres Ergebnis: Nur wenige Clubs haben das Angebot ernsthaft erwogen und noch weniger sehen in der Umstellung einen Weg in die Zukunft. In den zehn Distrikten, die sich zu der Umfrage meldeten, waren es durchweg unter zehn Prozent der Clubs, zumeist nur zwei, drei, die die Zahl der Meetings verringert hatten. Einige dieser Clubs wurden gerade erst gegründet und machen wie der RC Falkensee Havel/Spree mit der lockeren Variante gute Erfahrungen.

In den Altclubs sieht das anders aus. Unter den Befragten war keiner, der die Änderung ohne Einschränkung begrüßt hätte. Die Antworten reichten von „Ja, aber …“ bis zur völligen Desillusionierung mit Rückkehr zum alten Modell.

Die Gründe dafür sind mehrschichtig. Mehr Flexibilität für die Mitglieder ist zwar der vorrangige Zweck, der Wechsel hat aber Folgen, die tief in die Clubkultur hineinwirken: Der Zusammenhalt und die Verbindlichkeit im Club sowie die Kommunikation untereinander sind betroffen.

Fast alle beklagen, dass sich die Präsenz nicht verbessert hat. Auch Past-Governor Bernhard Fischenich hält es für widersinnig. Er beobachtet geradezu einen Absturz in der Präsenz bei seinem RC Obermain. Joachim Wilisch, Sekretär im RC Havelland, bringt das Problem markant auf den Punkt: „Die, die vorher nicht kamen, sind auch nach Reduzierung der Meetings nicht gekommen. Und denen, die vorher eine hohe Präsenz hatten, sind zwei Meetings im Monat einfach zu wenig.“ Nach einem Jahr kehrte sein RC Havelland zum alten Modus zurück.

Das eigentliche Problem

Thomas Wolff vom RC Jever-Jeverland erkennt zwar die Vorteile für die Berufstätigen, beklagt aber einen gestörten Informationsfluss. „Zwei Meetings im Monat heißt eben auch nur zwei Wochenberichte. Damit geht der enge Austausch verloren.“ Im RC Kyritz, der eventuell zum alten Modell zurückkehren will, fehlt Rüdiger Wagnitz die Verbindlichkeit:
„Wir hatten gehofft, dass es jetzt mit den Anmeldungen zu unseren Veranstaltungen besser klappen würde. Das ist aber nicht der Fall und führt zu einiger Unzufriedenheit.“ Nachteile auch in der Programmplanung: Wilisch berichtet von Schwierigkeiten, Gastreferenten für bestimmte Termine zu finden.

Hinter der Diskussion um zeitliche Flexibilisierung lauert aber eine ganz andere Frage: Liegt eine schwache Präsenz nicht eher an fehlender Attraktivität der Meetings? Das wurde in manchen Clubs als das eigentliche Problem erkannt.

So hatte der RC Bremerhaven-Wesermünde schon bei der Gründung das traditionelle Modell aufgebrochen und neben Vortragsmeetings unter anderem auch ein Familienbrunch eingeführt. „Nur mit einem vernünftigen Partner- beziehungsweise Familienangebot waren überhaupt Mitglieder zu gewinnen“, berichtet Gründungspräsident Eugen Dawirs. Im RC Havelland hat man mit der Rückkehr zum alten Modus die Zahl der traditionellen (Vortrags-) Meetings bei zwei belassen und tagt jetzt einmal im Monat ganz ohne Regularien, ein weiteres Mal als lockere „After- Work“-Runde. Ein Angebot speziell auch für neue Kandidaten.

Interessen und Ziele im Einklang

Qualität vor Quantität, darin sieht auch RI-Direktor Peter Iblher den tieferen Sinn des CoL-Beschlusses: Es gehe nicht um zwei, drei oder vier Meetings im Monat, sondern darum, „was ein Club als gemeinsames Programm definiert – Projekte, Veranstaltungen, Internationale Beziehungen etc. Diesem Programm sollten die Regularien in einer entsprechend formulierten Clubsatzung angepasst werden.“ So lassen sich  Interessen und Ansprüche der Mitglieder und rotarische Ziele in Einklang bringen.

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.