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Editorial

Eine Vehemenz, die sprachlos macht

Editorial - Eine Vehemenz, die sprachlos macht
© Jessine Hein / Illustratoren

Schwarz-Weiß-Malerei beim Thema Homöopathie

Frauke Eichenauer01.02.2020

Zahlen, die kaum zu bekommen, nicht vergleichbar, schwammig oder veraltet sind, Autoren, denen ein möglicher Beitrag „leider gerade zu heikel“ ist, Begriffe, die immer wieder anders definiert werden – willkommen beim Thema Homöopathie. Seit mehr als 200 Jahren wird über die Wirksamkeit kleiner weißer Kügelchen aus Zucker gestritten. Und das erbittert: Wenn nach deren Einnahme Beschwerden gelindert, sogar kuriert sind, dann „kann das doch gar nicht sein“ und wenn nicht, war man „einfach nicht offen genug“. Die Diskussion um Globuli wird mit einer Vehemenz geführt, die sprachlos macht und religiösen Disputen gleicht. Warum verdrehen einige Menschen die Augen, wenn jemand sagt: „Also, mir haben die total geholfen. Und der Frau meines Schwagers auch, die hatte Rücken!“. Es kann doch jedem nur recht sein, wenn Mitmenschen ihre Wehwehchen oder Schlimmeres losgeworden sind, ob mit Globuli, Diclofenac oder dank Bäume umarmen. Anders als bei der Impfverweigerung könnte es einer Gesellschaft egal sein, ob jemand auf Homöopathie schwört oder nicht, es ist eine rein persönliche Angelegenheit, Anwendung oder Ablehnung schadet anderen nicht. Was also ist das Problem? Eine Erklärung für die Schwarz-Weiß-Malerei liegt möglicherweise darin, dass es vielen Menschen in zunehmendem Maße – und nicht nur beim Thema Homöopathie – schwerfällt, andere, vage und vieldeutige Meinungen auszuhalten. Sie sind „ambiguitätsintolerant“, ein Begriff, der von Kinderpsychologen geprägt wurde. Auch die Grünen können davon ein Liedchen singen, ihr parteiinterner Konflikt um die Erstattung von Globuli durch die Krankenkassen geht an die historische Substanz. Die hitzigsten Gefechte könnten allerdings noch vor uns liegen: Vor ein paar Wochen schrieb das Bundesministerium für Gesundheit ein Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht aus, das noch aus dem Jahre 1939 stammt.

Toleranz müssen auch die Befürworter von Elektromobilität beim Lesen des Interviews mit Fritz Indra an den Tag legen: Der österreichische Motoren- und Fahrzeugentwickler legt dar, warum Elektroautos nicht so sauber sind, wie häufig suggeriert wird, sondern in der Gesamtbetrachtung der Umwelt noch mehr schaden als Pkw mit Verbrennungsmotoren.

Am 23. Februar feiert Rotary International seine Gründung vor 115 Jahren. Wir haben diesen Geburtstag zum Anlass genommen, zu fragen, wie aktuell die Ideen von damals sind, was das weltweite Netzwerk auszeichnet und wie es besser werden kann. Und Herman Siebens beschreibt, wie sich die urrotarische Vier-Fragen-Probe ganz praktisch anwenden lässt, um Situationen unter ethischen Aspekten zu analysieren und Handlungen abzuleiten.

In eigener Sache gibt es zu berichten, dass der Rotary Verlag zum 1. Februar auf die Rückseite des Hauses umgezogen ist. Unsere neue Adresse finden Sie auf Seite 95, die Telefonnummern ändern sich nicht.

Es grüßt Sie herzlichst Ihre

Frauke Eichenauer
Redaktion Rotary Magazin