Porträt
„Alle meine Bilder lügen“
Was Künstler als Wirklichkeit sehen, ist nicht immer die Wirklichkeit. Nur eine Form davon. Auch Wirklichkeit ist subjektiv. So wird sie jedenfalls dargestellt von Xenia Hausner, demnächst zu sehen in der Wiener Albertina.
True Lies ist der Titel der Ausstellung, die mehr Geburtswehen hatte als jede andere. Zweimal wurde sie wegen Corona schon verschoben, jetzt der dritte Anlauf. True Lies also. Was ist nun Wahrheit und was ist Lüge? Xenia Hausner redet nicht lange herum. „Alle meine Bilder sind Lügen“, sagt sie, mit etwas Koketterie, aber auch mit Begründung. „Denn alle meine Bilder sind konstruiert.“
Die Situationen in ihren Bildern sind arrangiert. Personen in ihrem Verhältnis zueinander, ihre Umgebung, der Hintergrund. Alles ist inszeniert. Die Szene wird zunächst im Atelier aufgebaut, fotografiert, umarrangiert und wieder fotografiert. Heute hilft der Computer bei der Planung der Bildfläche, was früher mit Raster und Proportionsrechnung erfolgte. Erst dann wird gemalt. Und da müssen die Personen wieder physisch vor ihr sitzen. Kein Bild entsteht nach dem Foto, immer nach der Natur. Nach der inszenierten Natur eben.
Es interessieren sie die Menschen. So wie bei Rotary. Auch wenn sie da ihr Engagement nicht so auslebt wie im Atelier. Rotary ist für sie „sympathisch und notwendig“, sie ist gerne dabei, mag den philanthropischen Ansatz und den Spaß dabei. Aber ihre Kraft widmet sie den Bildern. Und den Widersprüchen in ihren Motiven. Meist sind mehrere Figuren in ihren Bildern, Personen in seltsamem Ambiente, die keine eindeutige Lesart zulassen. Ist das Liebesszene oder eine Attacke? Was sehen wir da genau? Was sagen die Gesichter, was der Hintergrund? Mehrdeutigkeit interessiert sie. „Ich bin ja selbst der leibhaftige Widerspruch.“
Klarer Stil
Zunächst ein ernsthaftes Jusstudium in Wien, bis zur Zweiten Staatsprüfung. Abbruch. Wechsel an die Akademie der bildenden Künste. Bühnenbild. Studium dafür auch in London an der Royal Academy of Dramatic Art. Erfolgreiche Karriere als Bühnenbildnerin. Wiener Burgtheater, Covent Garden London, Salzburger Festspiele und viele mehr. Dann wieder ein Wechsel. Vom dreidimensionalen Entwerfen zum zweidimensionalen Umsetzen, zur Malerei. Ab den 90er Jahren ist Xenia Hausner nur noch Malerin. Es wäre zu banal, ihre Vorliebe für große Formate aus ihrer früheren Bühnenbildnerei abzuleiten. „Kein Mensch fragt Georg Baselitz, warum er Großformate malt, der war kein Bühnenbildner. Warum muss man das überhaupt begründen?“ Es wäre zu trivial, ihre Künstlerpersönlichkeit aus der familiären Prägung abzuleiten. Ja, es hat schon die Orientierung im Biotop der Kunst erleichtert. Der Vater Rudolf Hausner war lange prägend. „In der Kindheit habe ich tausend Geschichten von ihm gehört.“ Sein Phantastischer Realismus war später aber ganz und gar nicht mehr ihre Welt. Sie hat ihre eigene. Dafür braucht sie große Ateliers. In Wien, in Berlin, am Traunsee. Ein ehemaliges Wirtschaftsgebäude, von außen wie eine Scheune, ist groß und hell genug. Mit Blick über das Wasser auf den Traunstein.
Riesige Tafeln stehen und liegen herum. Plakate, Fotos, irgendwelche Dinge. Eine große Bar wie eine Küche. Sie lebt ja auch im Atelier. Da hängt ein Bündel von Seilen. Attribute für eines der Bilder. Dort liegt eine Boje aus dem Meer. Ein Nachbau. Das Original hat sie in Hongkong fotografiert „Die konnte ich leider nicht mitnehmen.“ Also musste ein Nachbau zum Motiv werden. Grau, darauf die Nummer 3. Das Bild davon ist mehrere Meter hoch. Grüntöne überwiegen. Da hat die Boje die Nummer 1. Wieder eine Lüge. Und keine Menschen darauf, ganz selten bei ihr.
Auf einem großen Tisch sind unzählige Farbtuben, sauber nebeneinander gelegt und klein. Auch ein Widerspruch zu den großen Flächen, die viel Farbe verschlucken. Aber sie sind Ausdruck ihres genauen Planens der Motive. Sie malt mit Öl und Acryl, meist auf Alu-Dibond-Platten, die sind leichter als Keilrahmen aus Holz. „Manchmal fange ich an mit Acryl und arbeite dann mit Öl weiter, oder gleich mit Öl oder nur Acryl. Jedes Material kann etwas anderes.“ Vielseitigkeit bei einem klaren Stil. Ihre Bilder sind wiedererkennbar. Typisch Xenia Hausner. Ein Element des Erfolges.
Anerkennung
Die Albertina preist sie in der Ankündigung der Ausstellung als eine der wichtigsten Malerinnen Österreichs. „Das ist sehr nett formuliert von denen.“ Sie selbst will ihre Bedeutung in der Kunst nicht messen. „Eine gewisse Prominenz in Österreich wird im globalen Maßstab gleich relativiert.“ Ihren Erfolg streitet sie freilich nicht ab. Erfolg ist, anerkannt zu sein, Ausstellungen machen zu können. Hohe Preise zu erzielen? Ja, eine Nachfrage am Markt ist schon auch eine Bestätigung.
Daher ist eine große Ausstellung in der Wiener Albertina wie eine Art Ritterschlag. „Jedenfalls eine Freude, zwischen so viel hervorragender Weltkunst meine Frau zu stehen.“ Da klingt ihr Feminismus durch. Oft ist sie schon gefragt worden, warum sie fast nur Frauen malt. „Die sind einfach schöner“, hat sei einmal gesagt. Aber das greift zu kurz. „Frauen sind differenzierter, können mehr, sind widersprüchlicher, sie sind irgendwie kunstfähiger.“ Mit ihrem Feminismus sieht sie sich ihrer Zeit voraus. „Mein Kosmos ist weiblich, da hupfen hauptsächlich Frauen drin herum, spielen Rollen, sind besetzt wie in einem Film oder einem Theaterstück. Sie spielen nicht in ihrer eigenen Biografie, sondern in einer fremden, von mir erfundenen Situation.“ Und Männer? Ihr Mann, auch Rotarier, darf im Atelier oft erster Kritiker sein. „Bei mir gibt’s nur Quotenmänner. So wie umgekehrt im realen Leben die Frauen.“ Sie legt noch eins drauf: „Ich hab das feministische Ziel, dass Frauen so viele Patzer machen dürfen wie Männer, genau so deppert sein dürfen. Das ist sicher momentan nicht der Fall.“ Kann sie mit Frauen generell besser als mit Männern? „Aber nein. Ich mal halt gern Frauen. Ich weiß auch nicht, warum. Vielleicht sollt ich einmal einen Psychoanalytiker einladen, das zu ergründen.“
Arrangierte Welt
Es gibt viel zu ergründen in Xenia Hausners Bilderwelt. Die Retrospektive in der Albertina gibt einen bisher noch nie gezeigten Überblick über ihr gesamtes malerisches Schaffen. Durchaus eine Gratwanderung bei einer lebenden Künstlerin. Das ganz neue Bild mit der Boje wird auch zu sehen sein. Eines zieht sich durch, bei allen Widersprüchen ihrer arrangierten Welt: Sympathie zu den Motiven, zu den Personen, die sie malt. „Ich habe noch nie jemanden gemalt, den ich nicht malen wollte.“ Einen Bundespräsidenten, einen Nationalbankpräsidenten, Künstler, eine Festspielpräsidentin. Sie ist als Porträtmalerin gefragt, aber wählerisch. „Malen erfordert eine Nähe, ein intimes Kennenlernen, das kann man nicht mit jemandem machen, den man nicht leiden kann.“ Ihre beiden Schwestern hat sie schon öfter gemalt. Jessica ist Filmregisseurin, Tanja Kostümbildnerin. „Zusammen sind wir eine Supertruppe.“ Sonst hat sie nichts mit Künstlergruppen am Hut, ist gern mit sich allein in ihrem Kosmos.
Größenwahnsinnig
Welcher Typ Mensch muss man überhaupt sein, um Künstlerin zu werden? „Auf jeden Fall größenwahnsinnig. Im Angesicht der Kunstgeschichte und dessen, was es schon an Gutem gibt in der Welt – ja, es gibt viel Schrott aber auch viel sehr Gutes – da muss man sich schon zutrauen, dass man dem noch was hinzufügen will.“ Und Xenia Hausner fügt hinzu.
Zur Person
Xenia Hausner (RC Gmunden-Traunsee), Geb. 1951 in Wien, Jusstudium, dann Bühnenbildstudium in Wien und London, bis 1992 Bühnenbildnerin in Wien, Salzburg, Berlin, Hamburg, Brüssel. Danach als Malerin mehr als 80 Ausstellungen in Europa, USA, Russland und China. Mit Arbeiten vertreten in zahlreichen Museen in Europa, USA und China.
Ausstellungstipp
TRUE LIES – Die Ausstellung in der Wiener Albertina ist vom 30. April bis 15. August 2021 zu sehen. Gezeigt werden rund 50 Arbeiten von 1992 bis heute. Die großformatigen Werke der früheren Bühnenbildnerin folgen immer einer Inszenierung. Im Atelier baut die Künstlerin dafür zunächst Kulissen aus diversen Alltagsgegenständen, vor denen zentral die fast immer weiblichen Figuren ihre Rolle einnehmen.
© Interfoto
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