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Rotary Aktuell

Schwungvoll in den Kulturaustausch

Rotary Aktuell - Schwungvoll in den Kulturaustausch
Die Schaukel im „Garten zum Himmel“ ist ein Angebot an Besucher der Deutsch-Polnischen Gärten, um die sich der RC Warszawa-Goethe kümmert. © Adam Burakowski

Acht Rotary Clubs außerhalb unseres Sprachgebiets halten ihre Meetings in deutscher Sprache ab. Wir haben einige virtuell besucht.

Matthias Schütt01.04.2021

Laila Nabhan, Munir Yassin, Mohamed Saleh – die Namen klingen exotisch, doch die Sprache ist vertraut: Wir sind via Zoom zu Gast im Meeting des RC Cairo Rhein-Nile in Ägypten, der seine Meetings auf Deutsch abhält. Den Vortrag an diesem Abend über ein medizinisches Fachthema präsentiert ein Gast in Englisch, doch der Smalltalk vorab wie auch die Aufnahme eines neuen Mitglieds erfolgen auf Deutsch. Alle Mitglieder haben persönliche Beziehungen zu Deutschland, Österreich oder der Schweiz (als Akronym: D-A-CH), die so nachhaltig wirken, dass diese Rotarier ihr Clubleben gern mit der Pflege ihrer Zweitsprache verbinden.

Noch sieben weitere Clubs in Afrika, Asien und Europa haben wir aufgespürt, die in einem fremdsprachigen Umfeld ihre Meetings auf Deutsch abhalten. Als neunter Club spielt der RC Bressanone-Brixen-Persenon in Italien eine Sonderrolle, weil die deutsche Sprache in Südtirol gleichberechtigt neben der Amtssprache Italienisch und dem Ladinischen steht. Deshalb sind alle drei auch offizielle Clubsprachen, erläutert Präsidentin Isabelle Prinoth. Mehr als die Hälfte der 50 Mitglieder sprechen Deutsch als Muttersprache, 30 Prozent Italienisch, 10 Prozent Ladinisch.

Unter dem großen verbindenden Regeldach von Rotary International sind alle diese Clubs zwar auf dieselben Werte, die Schwerpunktbereiche der Rotary Foundation und entsprechende Projektideen eingestellt, in ihrer individuellen Geschichte aber sind sie so unterschiedlich wie die Himmelsrichtungen, in die uns unsere virtuelle Reise führt.

Rotary am Nil

2021, kulturaustausch, schütt, april

Soheir Wahib (r.) und die Präsidentin des RC Beni Suef feiern mit einem Chirurgen ein erfolgreiches Global Grant des Deutsch-Ägyptischen Länderausschusses © RC Cairo Rhein-Nile

Bleiben wir zunächst in Ägypten, beim RC Cairo Rhein-Nile, der 2002 von der Deutsch-Arabischen Handelskammer gegründet wurde. Aktuelles Thema zwischen beiden Ländern war damals die Mubarak-Kohl-Initiative, mit der eine duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild eingeführt werden sollte. So zielte auch das erste Projekt des Clubs auf die Unterstützung von 72 angehenden Elektrikern, Textilfachkräften und Krankenschwestern.

Heute stehen vor allem soziale Projekte im Vordergrund, berichtet Dr. Soheir Wahib, eine Zahnärztin, die auch Vorsitzende der ägyptischen Sektion des gemeinsamen Länderausschusses mit Deutschland ist. In drei bis fünf Projekten im Jahr geht es um die Wasserversorgung im ländlichen Raum sowie um Augen- und Herz-OPs, zum Teil in Zusammenarbeit mit deutschen Clubs. Die Clubmittel dafür werden durch einen Gala-Abend in der Residenz des deutschen Botschafters mit 200 bis 250 Gästen und entsprechenden Spenden eingenommen.

Unter den 22 Mitgliedern (neun Frauen) sind neun deutsche Staatsbürger, die anderen sind Ägypter, die eine deutsche Schule besucht und/oder in den DACH-Ländern einen Teil ihres Studiums absolviert haben. Soheir hat während der neurochirurgischen Facharztausbildung ihres Mannes in den 1980er-Jahren in Düsseldorf gelebt, dort Deutsch gelernt, und nach der Rückkehr eine interessante berufliche Nische gefunden: Als Zahnärztin betreut sie das Personal der deutschen Botschaft und arbeitet als Schulzahnärztin für mehrere deutsche Schulen. Ihre Familiengeschichte spiegelt das hohe Ansehen des deutschen Bildungswesens im gehobenen Bürgertum des Landes. Auf der Website des Auswärtigen Amtes findet man zu Ägypten folgende Zahlen: 5000 Schüler lernen an sieben deutschen Auslandsschulen, 19.000 Studierende sind in Germanistik eingeschrieben, die Zahl der Deutschlernenden wird auf 300.000 geschätzt. Das Potenzial für Nachwuchs ist also vorhanden, aber leider nur theoretisch, sagt Soheir: „Die Konkurrenz der Rotary Clubs im Raum Kairo ist sehr groß. Immerhin haben wir noch einen Freundeskreis von 40 Personen, der uns unterstützt, ohne eine Mitgliedschaft anzustreben.“

Gute Beziehungen

Der Exportschlager „Duales Bildungssystem“ steht auch im Vordergrund beim RC Phoenix-Pattaya in Thailand. Der Club im südostasiatischen Sonnenparadies arbeitet dabei mit einer Fachhochschule und der Marriot Hotelgruppe zusammen. Unter den 20 Mitgliedern befinden sich nur noch vier Berufstätige, die meisten sind Pensionäre. Peter Schlegel rühmt „hervorragende Beziehungen“ sowohl zu deutschen Institutionen – der deutsche Botschafter ist Ehrenmitglied – als auch zu thailändischen bis hinauf ins  Königshaus. Clubkontakte in die DACH-Staaten gibt es nicht, dafür zwei Schwestern-Clubs, den ebenfalls deutschsprachigen RC DACH Bangkok und den RC Hongkong-South.

Berge, Wein, Wasser

Ganz im Süden Afrikas ist der RC am Kap (Cape Town) zuhause. Wie in Kairo ergriff auch hier die Auslandshandelskammer 2009 die Initiative zur Gründung des Clubs. Johannes Kraus, ein 41-jähriger Unternehmer stammt aus dem Raum Aschaffenburg und kam 2004 mit einem Stipendium nach Kapstadt. Ursprünglich wollte er sich auf Arbeits- und Wirtschaftsrecht spezialisieren, gründete dann aber eine Englisch-Sprachschule, die so erfolgreich läuft, dass er eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Ihn hielt die berufliche Chance in Südafrika, während andere besonders die hohe Lebensqualität schätzen: „Berge, Wein, Wasser, Klima“, nennt Kraus als entscheidende Stichworte. „Wir haben Clubfreunde, die in der dritten und vierten Generation hier leben bzw. aus Namibia stammen.“

Das zeigt sich auch in der Clubstatistik: Von den 22 Mitgliedern (9 w, 13 m) sind 17 Expats mit permanenter Aufenthaltsgenehmigung, dazu kommen fünf Südafrikaner. Die starke „deutsche“ Fraktion legt Wert auf die Pflege heimischer Traditionen, etwa in Doppelkopf-Turnieren. Wachsen kann der Club kaum, so Kraus, weil die deutsche Sprache in der Kapstädter Gesellschaft nicht sehr verbreitet sei. Die einzige Chance liegt in zuziehenden Firmenvertretern. Andererseits gibt es einen regen Austausch mit der deutschen Community, die beim Fundraising erste Zielgruppe ist, sowie mit vielen Clubs in Deutschland und Österreich: Neuss, Germering, Neunkirchen (Distrikt 1910) und anderen. „Wir haben viele deutsche Besucher, was sich auch in Projekten niederschlägt. Das hat aber ein Ausmaß angenommen, dass wir gar nicht mehr alle Ideen verfolgen können“, sagt Kraus.

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Im Abaphumeleli-Waisenhaus freuen sich die Kinder trotz Sommerhitze über Weihnachtsgeschenke der Rotarier vom deutschsprachigen RC am Kap © RC am Kap

Schwerpunkt ist die Bildungsarbeit in den Townships. „Wir leben als Europäer in einer Blase, wohnen in Stadtteilen oft weit weg von sozialen Brennpunkten. Als Rotarier allerdings suchen wir genau diese Brennpunkte.“ Der Club hat sich auf Bildungsarbeit verlegt, baut hands-on einen Kindergarten, begleitet eine Montessori-Mädchenschule, unterstützt mit Lehrmitteln und Hilfen zur Infrastruktur und fördert einzelne Schülerinnen. Außerdem betreut er zwei Interact Clubs und einen Early Act Club – das sind die Allerjüngsten in der rotarischen Familie, nämlich Grundschüler ab acht Jahren.

Ein Zwilling in Warschau

Es gibt keine politischen Rotary Clubs, aber es gibt politische Ideen, die auch einmal zur Gründung von Rotary Clubs führen können. Rotary wollte 2011 zum zwanzigsten Jubiläum des Deutsch-Polnischen Freundschaftsvertrags mit einer Gründung von Zwillingsclubs in Berlin und Warschau ein besonderes Zeichen setzen: dem RC Berlin-Mickiewicz als polnischsprachigem Club, dem RC Warszawa-Goethe als deutschsprachigem Pendant. Er ist mit 36 Mitgliedern (9 w/27 m) der größte Club in der Hauptstadt und bringt etwa gleich viele Polen wie Deutsche, dazu einige Österreicher, Schweizer und Türken zusammen.

Bei den 13 Deutschen hat sich in den letzten Jahren eine interessante Änderung ergeben: Es sind jetzt weniger Expats, die nach einigen Jahren den Auslandsposten wieder verlassen, sondern mehr Einwanderer wie Alexander Heinelt, die sich dauerhaft in Polen niederlassen. Leider fällt es dem Club immer noch schwerer, polnische als ausländische Kandidaten zu finden. Das führt Heinelt, der als Unternehmensberater von Warschau aus arbeitet, auf die noch fehlende Tradition zivilgesellschaftlichen Engagements nach westlichem Verständnis zurück. „Andererseits steigt das Interesse der Polen an Kontakten weiter an, nicht speziell in Richtung Deutschland als mehr in den gesamten DACH-Raum“, so Heinelt.

Gegenüber den gelegentlichen Rempeleien der polnischen Regierung in Richtung Deutschland sieht Heinelt die Mitglieder immun: „Das mag auf der großen Ebene ein Thema sein, die Menschen sind da weiter als die Politik.“ Es geht den Rotariern auch gar nicht darum, über den Club ein Versöhnungsprojekt fortzusetzen. „Wir sind schon versöhnt im Club“, betont Heinelt. „Was wir machen ist Völkerverständigung durch Kulturaustausch, zum Beispiel mit der Unterstützung eines Liederwettbewerbs der Deutschlehrer oder den Deutsch-Polnischen Garten, die wir in einem öffentlichen Park anlegen helfen.“ In diese Kategorie gehört auch das geplante Polnisch-Angebot für Migrantenkinder.

Was er sich wünscht, ist der Austausch mit möglichst breiten Teilen der polnischen Gesellschaft, gerade auch mit denen, die auf Linie der herrschenden konservativen Kräfte sind. „Die aber zeigen kein Interesse an einer Begegnung auf Clubebene. Schade.“  

Werte statt Business

Dass die deutsche Community in Moskau außergewöhnlich groß ist, zeigt schon die Tatsache, dass es dort zwei deutschsprachige Rotary Clubs gibt: Humboldt und Metropol. Der RC Moskau-Humboldt ist zudem einer der größten Clubs im Distrikt 2220. Zur Gründung kam es 2005 aus einer Zwangslage: Mit fünf deutschsprachigen Mitgliedern im Club Moscow-International hatte die deutsche Länderquote laut Clubsatzung ihr Limit erreicht, ein eigener Club musste her.

Die 30 Mitglieder (Frauenanteil ca. zehn Prozent) sind zum überwiegenden Teil Deutsche, dazu kommen fünf Russen, zwei Österreicher und ein Brite. Alle sind berufstätig, wie Mark Nessbach, Geschäftsführer der russischen Tochter eines deutschen Maschinenherstellers, betont. Der überwiegende Teil rekrutiert sich aus deutschsprachigen Firmenvertretern, was andererseits eine große Fluktuation bedingt. Die Mitgliederfindung wird zusätzlich erschwert durch die, so Nessbach, „Business-Orientierung“ vieler russischer Rotarier, die vor allem ihr geschäftliches Netzwerk pflegen wollen. Das habe zu einer Neuausrichtung für die Mitgliederwerbung geführt. „Wir suchen Leute, die zu uns passen, auch weil sie dieselben rotarischen Werte teilen.“

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Weihnachtsüberraschung in einem Moskauer Krankenhaus. Die prekäre Lage vor allem vieler älterer Mitbürger zu lindern, ist ein Anliegen des RC Moskau-Humboldt © Andre Scholz

Den Alltag in Moskau sieht er von zwei gegensätzlichen Faktoren bestimmt: von hoher Lebensqualität, aber auch von der Bürokratie: „Moskau ist nicht Russland, das muss man vorweg sagen, sondern eine Metropole von internationaler Ausstrahlung, eine smarte Stadt mit einzigartigem kulturellem Angebot und einem pulsierenden Lebensstil im 24/7-Rhythmus. Als ich 1987 das erste Mal herkam, lag die Stadt noch grau in grau. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist die Bürokratie. Auch bei Rotary müssen wir unsere Regularien wie Ämterwechsel dokumentieren und auf Verlangen dem Justizministerium vorlegen.“ Hier geht es Rotary nicht anders als anderen internationalen NGOs, die misstrauisch beäugt werden.

Mit seinen Projekten kümmert sich „Humboldt“ – oft in Partnerschaft mit deutschen Clubs – primär um Menschen mit Behinderungen sowie um Ältere und Obdachlose, unterstützt Hospize und engagiert sich in der Talentförderung. Dazu gehört die Teilnahme als Sponsor an der International Russian Rotary Children’s Music Competition, die der Mutterclub Moscow-International seit 16 Jahren organisiert. Das Geld dafür erbringt die laut Nessbach „umsatzstärkste“ Charity-Veranstaltung der internationalen Community in der russischen Hauptstadt: der Ball „Gans & Tanz“ mit fünfstelligen Erträgen. Hervorgegangen ist der Event aus dem jährlichen Martinsgans-Essen.

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.