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Peters Lebensart

Unser täglich Brot

Peters Lebensart - Unser täglich Brot
© Jessine Hein/Illustratoren

Echte Brotkultur kommt ohne Backtriebmittel, Melasse und Plastiktüten aus. Österreich und Deutschland haben eine große Brottradition, die nun wiederentdeckt wird.

Peter Peter01.11.2020

Buterbrod – dass sich unsere traditionelle Pausen- und Abendstärkung im Russischen als beliebtes Fremdwort etabliert hat, zeigt, wie stark Brot, genauer in Scheiben geschnittenes und belegtes Brot, international mit dem deutschen Kulturraum verknüpft wird. Wer allerdings durch das Imbissangebot unserer Frischebäckereien streift, könnte das für pure Nostalgie halten. Ciabatta mit Salatblättern, Focaccia mit Tomaten, Baguette mit Mozzarella und hin und wieder ein Käse- oder Schinkenbrötchen aus Weißmehl türmen sich in den Vitrinen. Versuche, ein ordentliches Butterbrot oder ein belegtes Vollkornbrot anzubieten, sind rar und werden häufig mangels Nachfrage wieder aufgegeben. Gilt Brot als spießig oder bestenfalls als wertkonservativ? Ist es zu einem häuslichen Nahrungsmittel ernährungsbewusster Familien geworden, verschwindet aber immer mehr aus der öffentlichen Gastronomie?

Es gibt aufmunternde Gegenbeispiele. Das Steirereck in Wien, für viele Österreichs Spitzenrestaurant, versucht sich nicht, wie häufig in der kulinarischen Sterneliga, mit Selbstgebackenem, das oft doch etwas stereotyp nach Oliven oder getrockneten Tomaten schmeckt. Sondern fährt mit einem Trolley auf, auf dem ein Dutzend Brotsorten von Österreichs feinsten, unbeugsamsten, qualitätsfanatischsten oder einfach bodenständigsten Bäckern angeschnitten werden. Eine Degustation der absoluten Extraklasse, eine „recherche du pain perdu“ – eine Suche nach dem verlorenen Wohlgeschmack des Brotes, wie eine Waldviertler Feinbäckerei selbstbewusst Marcel Proust zitiert.

Mein tollstes Broterlebnis war noch einfacher. Die Slowenin Ana Roš, als beste Köchin der Welt gehandelt, beginnt mit einem wunderbar dunkelkrustigen Sauerteiglaib, dem Gast auf einem Holzbrett gereicht, begleitet von Bergbauern-Rohmilchbutter. Ein mit der Hand aufzubrechendes Symbol archaischer Gastfreundschaft, für den das Haus eigens eine Meisterbäckerin namens Nataša Duri beschäftigt.

Brot mit Backtriebmittel, mit Körnermischungen aufgemotzt oder mit Melasse dunkel eingefärbt, um Vollkornqualität vorzutäuschen, Brotscheiben in Plastik, die schnell schimmeln. Das breitgefächerte Angebot unserer Bäckereien, all die Fitnesslaibe, Körnerwecken und angeblichen Bauernbrote spiegeln eine optische Vielfalt wider, die nicht unbedingt handwerklicher Qualität wie langsamer Teigführung oder keimschonender Körnerausmahlung entspricht. Unsere Gesellschaft polarisiert sich auch beim Brotgenuss. Die einen stehen auf das Werbelogo backfrisch, die anderen wissen, dass Holzofenbrot oder ehrliches Graubrot Zeit braucht und oft als „Brot vom Vortag“ zum halben Preis noch besser schmeckt.

Gut, dass es junge Biobäcker gibt, in deren Läden es wieder nach Mehl und Backwerk duftet. Und dass das Faszinosum altdeutscher Laibe wiederenteckt wird, die aussehen wie das runde „schwarze Brod“, das Charlotte in Goethes Werther ihrer Geschwisterschar aufschneidet. Etwa durch die Münchner Hofpfisterei, die mit ihren seit 1331 gebackenen Vierpfündern gerade Berlin erobert.

Eine Alternative, die immer beliebter wird und mit Misstrauen gegenüber „Industriebrot“, Gesundheitsbewusstsein und wachsenden Allergieproblemen zu tun hat, ist selbst backen. Der erste eigene Brotlaib erfüllt mit Stolz – und Neugierde. Wie wird er schmecken? Wem das zu anstrengend ist, der sollte vielleicht ein selbst zubereitetes Butterbrot ins Office mitnehmen, gern verpackt im Design-Klassiker nierenförmige Blechbüchse. Macht sich besser als die Pappschachtel vom Bringservice und schmeckt meist besser.

Peter Peter

Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.

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