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Rotary Aktuell

Partnerschaft statt Entwicklungshilfe

Rotary Aktuell - Partnerschaft statt Entwicklungshilfe
Afrika ist geprägt durch kulturelle Vielfalt und einen innovativen Unternehmergeist. Die Menschen vor Ort sind die wichtigsten Entscheider, ob eine Investition sinnvoll ist. © Johannes Hillerbrand

Echte Zusammenarbeit, die Eigenbeteiligung für mehr Nachhaltigkeit fördert, ist mehr als Hilfe zur Selbsthilfe.

Julia Seifert01.04.2020

Die Entwicklungszusammenarbeit der deutschen Bundesregierung mit Afrika verfolgt neue Ansätze und sieht dabei den Kontinent nicht mehr länger als einen reinen Hilfsempfänger. Über sogenannte Reformpartnerschaften wird durch die Empfänger verstärkt Eigeninitiative eingebracht, die laut Marshallplan mit Afrika der Schlüssel für Entwicklung ist.

Die Rotary Foundation verfolgt mit der Global-Grant-Förderung ganz ähnliche Ziele. Es sollen Partnerschaften aufgebaut werden, die den Rahmen für nachhaltige Projekte bilden. Das weltweite rotarische Netzwerk mit seinen Clubs als Vor-Ort-Struktur scheint dafür prädestiniert. In den letzten beiden Jahren wurden mehr als 30 Global-Grant-Anträge von deutschen Clubs für Afrikaprojekte erfolgreich eingereicht, die den Gedanken Hilfe zur Selbsthilfe als Grundlage für nachhaltige Entwicklung im Fokus haben.

Voraussetzung für die Beantragung eines Global-Grant-Zuschusses ist laut Richtlinien der Rotary Foundation ein Host Club, der als Bindeglied zum internationalen Partner fungiert und sich später vor Ort in der Projektdurchführung engagiert. Der Host-Sponsor hat den direkten Kontakt zum begünstigten Gemeinwesen und ermittelt mit diesem einen konkreten Bedarf. Die Bedarfsanalyse hilft, die Projektidee präzise zu formulieren und die Einordnung des Projektvorhabens in einen der sechs Fokusbereiche zu erleichtern.

Der Aufbau einer Zusammenarbeit mit einem geeigneten Host Club kann eine Herausforderung darstellen, wenn bisher keine Kontakte zum Zielland bestehen. Regional Rotary Foundation Coordinator Gerhard Lintner (RC München 100) rät: „Rotary Clubs können sich bei der Suche nach einem Host Club an die Länderausschüsse wie auch an die Assistant Regional Rotary Foundation Coordinators wenden, über deren Netzwerke dann eine Kontaktaufnahme zu Rotary Clubs im Zielland hergestellt werden kann.“

Idealerweise kommen Projektideen aber über persönliche Kontakte und Besuche von Projektinitiatoren im Zielgebiet zustande. Die folgenden Beispiele zeigen, wie Projektvorhaben auf der Grundlage persönlicher Kontakte eine solide Basis finden und wie wichtig eine Einbindung und Beteiligung der späteren Projektempfänger ist.

Erwiesene Nachhaltigkeit

Seit mehr als 18 Jahren engagieren sich internationale Rotary Clubs, wie auch der RC Hoorn (Niederlande), in der ländlichen Gegend in der Nähe von Nakuru und Laikipia in Kenia. Teils aufgrund der geologischen Strukturen steht den dort lebenden Menschen kaum sauberes Trinkwasser zur Verfügung. Existierende Quellen sind verschmutzt. Brunnenwasser kann wegen toxischer Substanzen nicht oder nur sehr eingeschränkt verwendet werden. Trinkwasser wird so hauptsächlich über Regenwasser gewonnen. Dies hat zur Folge, dass während der Trockenperioden Frauen und Kinder täglich bis zu sechs Kilometer weit laufen müssen, um Wasser zu holen. Über das rotarische Engagement wurde gemeinsam mit den Betroffenen ein Projektkonzept entwickelt, welches im Wesentlichen auf der Installation von Wassertanks beruht, um sauberes und trinkbares Wasser während der Regenperioden zu sammeln und zu speichern.

Die Installation von Wassertanks ermöglicht den dort lebenden Familien eine zwei- bis dreimonatige Versorgung mit Haushaltswasser während der Trockenperioden. Sie sichert auch die Wassernutzung für landwirtschaftliche Projekte und somit die Erwirtschaftung von kleinen Einkommen. Anteile dieses Einkommens werden über das sogenannte Table Banking in eine Gemeinschaftskasse eingezahlt, aus der wiederum kleine Kredite für neue einkommensschaffende Maßnahmen finanziert werden. Die begünstigten Familien verpflichten sich, im Rahmen des Projektes darüber hinaus jeweils 100 Bäume zu pflanzen, um damit eine weitere Bodenerosion zu verhindern und Flächen für eine spätere forstwirtschaftliche Nutzung zu schaffen. Mit der Errichtung eines Tanks ist auch der Aufbau einer sanitären Anlage für die jeweilige Familie verbunden.

Als Partner vor Ort veranstaltet ein Team des RC Nakuru regelmäßige Schulungen in der Verwaltung von Mikrokreditaktivitäten, ebenso für Ernährung, lokale Landwirtschaft und Gartenarbeit. Rotary Community Corps (RCC), als lokale Vereinigungen vor Ort, sorgen für Ausbildung in allgemeiner Gesundheit und Hygiene. Mittlerweile konnten für das Nakuru- und Laikipia-Gebiet mehr als 6300 Tanks errichtet werden.

2020, partnerschaft statt entwicklungshilfe, afrika

Aufforstungsmaßnahmen stoppen Bodenerosion und lassen Anbauflächen entstehen © Marlene Köhne

Nachhaltigkeit wird erreicht, indem die Begünstigten einen eigenen Beitrag zum Tankbau durch die Bereitstellung lokaler Materialien und Arbeitskräfte leisten. Auf diese Weise haben sie hohe Eigenverantwortung für das Projekt und auch Motivation, die Anlage in einem optimalen Zustand zu erhalten. Die Erwirtschaftung von Einkommen sowie die Mikrokreditaktivitäten führen zu einer Verbesserung der finanziellen Grundlage der Projektbeteiligten. Es entsteht eine höhere Lebensqualität für die Familien, und den Kindern wird ein regelmäßiger Schulbesuch möglich.

Dieses sogenannte 6-T-Projekt (Tanks, Toilets, Trees, Table-Banking, Teaching & Training, Transformation) stellte der Distrikt-Beauftragte für Wasserprojekte, Ludwig Kalthoff (RC Bochum), zusammen mit dem Projektverantwortlichen des RC Hoorn, Hans van Leerdam, auf dem Akademietag des Distrikts 1900 im September letzten Jahres vor. Denn ganz aktuell fehlen noch rund 800 Tanks, um eine flächendeckende Wasserversorgung der dort lebenden Familien zu erreichen. Die direkte Begeisterung der Teilnehmer überzeugte den Distrikt-Foundationausschuss, unter der Federführung des RC Bochum ein Multi-Club-Global-Grant-Projekt, an dem sich alle Clubs im Distrikt 1900 beteiligen können, aufzusetzen, um die fehlenden Tanks zu finanzieren.

Zur Vorbereitung des Großprojekts reisten vom 14. bis 18. Februar dieses Jahres Mitglieder des Foundationausschusses nach Kenia, um sich vor Ort einen Eindruck von den bisherigen Transformationsprozessen in den genannten Gebieten zu verschaffen. „Wir konnten erleben, wie die finanzielle Hilfe pro Tank nachhaltig greift und einer ganzen Dorfgemeinschaft hilft, sich weiterzuentwickeln“, berichtet Ludwig Kalthoff. Der in einem Dorf etablierte Viehhandel und die besichtigte Biogas-Produktion zeigen, dass es möglich ist, sich über die errichteten Strukturen eine sicherere Existenz aufzubauen.

Persönliche Besuche signalisieren dem Partner vor Ort ein echtes Interesse am Erfolg des Projektes. Sie können aber auch die Grundlage für neue Projektideen bilden. Das folgende Beispiel einer rotarischen Reise zu Projektpartnern schildert beide Erfahrungen.

Im letzten November reisten insgesamt zwölf Vertreter aus den Clubs Bad Reichenhall-Berchtesgaden, Darmstadt-Kranichstein, Lüdenscheid-Zeppelin und Mainburg-Hallertau nach Ghana, um ihre Projekte vor Ort zu besuchen. Schnittstelle zu den einzelnen Rotariern und Organisator der Reise war Henner Krauss (RC Bad Reichenhall-Berchtesgaden). Als ehemaliger Ghana-Koordinator des German Rotary Volunteer Doctors e. V. (GRVD) verfügt er über mehr als 15 Jahre Erfahrung

in der Projektarbeit in Ghana und ist Ideengeber für viele Hilfsprojekte. Das Programm führte die Reisenden in die ländlichen Gebiete im trockenen Norden wie auch zu langjährigen Partnern in der Mitte Ghanas. In einer Woche wurden eine Strecke von knapp 2000 Kilometern zurückgelegt und insgesamt sechs Projekte, hauptsächlich im Gesundheitswesen, besucht. Drei davon sind hier exemplarisch dargestellt.

Gemeinsam neue Wege gehen

Ein Thema, das Henner Krauss auf seinen Reisen zu den GRVD-Partnerkrankenhäu- sern immer wieder bewegte, war die Betreuung Schwerstkranker und Sterbender. Nachdem auch bei einem Einführungs- kurs in Palliativmedizin vermehrtes Interesse beim einheimischen Personal festzustellen war, entwarf er zusammen mit einem einheimischen Arzt ein Fachkonzept für diese in Ghana neue Art der Patientenversorgung. Über ein Global-Grant-Projekt lieferte der RC Darmstadt-Kranichstein den Rahmen und GRVD über Volunteer-Einsätze die Infrastruktur und Ausbildung der Mitarbeiter für dieses Projektvorhaben. Das St. Dominic’s Hospital in Akwatia erklärte sich bereit, die Palliativmedizin als Piloten in seine Fachbereiche zu integrieren. Seit Sommer 2019 ist die Palliativstation voll in Betrieb. Henner Krauss fasst zusammen: „Es sind nicht nur Einrichtung und Ablauf des Projekts in vollem Umfang realisiert worden, sondern darüber hinaus ist auch ein Umdenken in der Patientenbetreuung festzustellen.“ Ein Gespräch mit dem multiprofessionell tätigen Team aus Ärzten, Schwestern, Sozialarbeitern und Therapeuten zeigte dies sehr klar und förderte auch den Wunsch nach weiteren Schulungsmaßnahmen zutage.

Anhand des Beispiels wird deutlich, wie sich Transformationsprozesse auf Projektempfänger auswirken können, wenn sie von der Ideengebung bis zur Umsetzung beteiligt werden. Erste Schritte auf neuen Wegen sollten aber am Anfang betreut und geübt werden. Die Global-Grant-Förderung sieht deshalb für rotarische Großprojekte passende Trainingspläne vor, die den Entwicklungsprozess gerade auf personeller Ebene aktiv gestalten helfen.

Starke Partnerschaft

2020, partnerschaft statt entwicklungshilfe, afrika

Henner Krauss begleitet viele Projektpartner seit mehreren Jahren. Über seine Besuche entwickelt er neue Projektideen © Johannes Hillerbrand

Die weitere Rundreise führte die Rotarier an das Holy Family Hospital in Techiman in der Mitte Ghanas. Mithilfe von GRVD konnte sich das Krankenhaus über mehrere Global-Grant-Projekte sowie Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu einer modernen Einrichtung entwickeln, die mit 17 Fachärzten eine medizinische Versorgung leistet, die sonst nur in den großen Städten angeboten wird. Neben modernen OP-Räumen, Emergency und Intensivstation mit zentraler Sauerstoffversorgung verfügt das Krankenhaus über weitere Bereiche der modernen Diagnostik, wie Ultraschall und Computertomografie. In weiteren Schritten soll alsbald die Neugeborenenintensivstation modernisiert und eine Augenklinik eingerichtet werden. Für Letztere konnte über eine Spende des RC Essen-Ruhr der Neubau eines hierfür notwendigen Gebäudes mitfinanziert werden.

Über ein Global-Grant-Projekt des RC Biberach an der Riß und des RC Lüdenscheid-Zeppelin sowie verschiedener Spender soll die Einrichtung finanziert werden sowie die damit verbundene Aus- und Weiterbildung der örtlichen Fachkräfte erfolgen.

Eine über Jahre andauernde vertrauensvolle Zusammenarbeit deutscher Rotary Clubs mit der engagierten Krankenhausverwaltung liefert die Basis für diese stetige Entwicklung. Als Host Clubs beteiligen sich aktiv der RC Techiman sowie zwei benachbarte Clubs in Sunyani. Während eines von den ghanaischen Clubs organisierten Intercity-Meetings bot sich den Besuchern die Gelegenheit, sich über die Erfahrungen der realisierten Projekte, die weitere Einbindung der Betroffenen sowie neue Projektideen persönlich auszutauschen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Auf der Reise wurde auch ein neues Projektvorhaben für die ländliche Dorfgemeinschaft in Larabanga im Norden Ghanas in Angriff genommen. Die Gemeinde besteht hauptsächlich aus Lehmhäusern und verfügt über eine kleine Krankenstation sowie über eine Schule, die weder genügend Platz noch Einrichtung für alle Schüler bietet. Die Gegend ist von hoher Arbeitslosigkeit geprägt.

Eine kommunale Selbsthilfeorganisation namens Yodec (Youth Development and Educational Center) kümmert sich um die sozialen Belange der dort lebenden Menschen. Oberhaupt der Organisation und Dorfgemeinschaft ist der Chief. Zu seinen wichtigsten Anliegen gehört die Unterstützung der zahlreichen Waisen und vernachlässigten Kinder, die häufig nicht oder nur kurz die Schule besuchen und dadurch keine Chance haben, einen Beruf zu erlernen.

In einem Meeting mit dem Chief sowie den Dorfältesten konnten sich die Rotatier mithilfe der Yodec-Organisation konkret über die Bedürfnisse der Gemeinschaft austauschen. Über Besichtigungen der Schule und der örtlichen Gegebenheiten wurden die notwendigen Ansatzpunkte für Verbesserungsmaßnahmen identifiziert. „Der Besuch in Larabanga hat wieder gezeigt, wie wirkungsvoll das persönliche Erleben der Not in Afrika ist“, fasst Past-Gov. Klaus Willimczik zusammen, denn aufgrund der gewonnenen Eindrücke hat der RC Darmstadt- Kranichstein bereits zugunsten der Waisenkinder einen District Grant durch die Vorprüfung im Distrikt gebracht und die Finanzierung des Global Grants sichergestellt. Zusammen mit dem RC Tamale (Ghana) kann das Vorhaben auf sichere Füße gestellt werden.

Entwicklungszusammenarbeit

Entwicklungshilfe hat sich zur Entwicklungszusammenarbeit gewandelt. Dahinter steht auch eine veränderte Haltung gegenüber den Begünstigten. Bei Rotary bildet von jeher die Freundschaft die Grundlage allen Handelns, so sollte sie auch in den internationalen Projekten gelebt werden.

Projekte, mit denen die Lebensqualität von Menschen gerade in benachteiligten Gebieten dieser Welt verbessert wird, sollten im Fokus rotarischen Handelns stehen. In Afrika gibt es noch viel zu tun.

Die Beispiele zeigen, wo bereits der Hebel erfolgreich angesetzt wurde und Entwicklungen zu verbesserten Lebenswelten stattgefunden haben. Sie zeigen aber noch viel mehr, dass Rotary über Netzwerke auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen Tiefen verfügt und Betroffene, wenn man sie mit ihren Erfahrungen zu Beteiligten macht, einen wesentlichen Baustein für eine nachhaltige Entwicklung darstellen können. Die Global-Grant-Förderung möchte genau dies erreichen. 


Wissenswertes zum Thema Global Grants

Ansprechpartner Global-Grant- Förderung:
• Foundation-Ausschüsse der Distrikte (DRFC)
• Regional Rotary Foundation Coordinator: Gerhard Lintner,
g.lintner@gl-ic.eu

Unterstützung bei der Suche nach einem Host Club:
Länderausschüsse, rotary.de/icc/de/

Technische Fragen:
Kader technischer Berater,
E-Mail: cadre@rotary.org

Zentraler Ansprechpartner:
Rotary Deutschland
Gemeindienst e. V.
Telefon: 0211/86 39 59-0, rdgduesseldorf@rdgduesseldorf.de

Allgemeine Informationen, Richtlinien und Antragvorlagen:
www.my.rotary.org/de/take-action/apply-grants/global-grants

Erfolgsfaktoren für GG-Projekte
• Persönlicher Kontakt zum Host Club
• Bedarfsanalyse vor Ort
• Gemeinsame Projektziele entwickeln
• Richtlinien zu den Schwerpunktbereichen bereits bei Konzeption heranziehen
• Trainings- oder Schulungsmaßnahmen einbauen
• Regelmäßiger Austausch zwischen rotarischen Projektausschüssen
• Übergabe und zukünftige Nutzung vertraglich sichern