Wolfgang Spyra, RC Cottbus
»Spyrotechnisches Spektakel«
Er gilt als Experte auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung und hat die "Lizenz zum Knallen" auf dem Campus der BTU Cottbus. Seit 1991 ist Wolfgang Spyra Rotarier - zunächst im Rotary Club Berlin-Süd und heute in Cottbus.
Auch 66 Jahre nach Kriegsende gibt es in Deutschland immer noch beträchtliche Probleme mit militärischen Altlasten. In Oranienburg, nördlich von Berlin, leben die 40.000 Einwohner geradezu auf einem Pulverfass. Wegen der Nähe zur Hauptstadt und seiner kriegswichtigen Industrie war die Kreisstadt im Zweiten Weltkrieg Ziel vieler alliierter Bombenflüge. Eine Folge sind Blindgänger in dreistelliger Zahl, die noch immer im Boden vermutet werden. Etwa die Hälfte seines Budgets für Kampfmittelbeseitigung gibt das Bundesland Brandenburg nach Angaben der Stadtverwaltung allein in Oranienburg aus.
Mit diesem Fall kennt sich Wolfgang Spyra (Rotary Club Cottbus) bestens aus. Der Professor für Altlasten an der BTU Cottbus, ein weltweit anerkannter Experte, hat 2008 ein grundlegendes Gutachten zu Oranienburg erstellt und gerade erste Ergebnisse eines neuen Plasmaverfahrens zur Entschärfung von Blindgängern vorgestellt. Seit den 1980er Jahren hat er sich in diese Materie eingearbeitet. Den ersten großen Auftrag erhielt er noch als oberster Kriminaltechniker der Berliner Polizei: die Sanierung der Spandauer Zitadelle. Sie diente zu Kriegszeiten als Entwicklungslabor für chemische Kampfstoffe; heute ist das Spandauer Wahrzeichen ein viel besuchtes Veranstaltungszentrum.
Praktisch erprobt
Hochexplosiv sind auch die Fragestellungen, denen Spyra an der Universität nachgeht – und die eine beträchtliche Faszination auf seine Studenten ausüben. Neben den Schwerpunkten Demilitarisierung sowie Boden- und Grundwassersanierung werden auch pyrotechnische Aufgaben behandelt und das heißt auch: praktisch erprobt. „Die Lizenz zum Knallen ist ein Nebenprodukt des Studiums“, schmunzelt Spyra und erzählt vom Vulkan von Wörlitz aus dem 18. Jahrhundert, den er nach Beendigung der umfangreichen Sanierung 2005 mit studentischer Unterstützung wieder in Betrieb genommen hat. Es war ein fulminantes, weithin beachtetes Schauspiel, als der einzige künstliche Vulkan in Europa wieder Feuer und Asche schleuderte. Die wissenschaftliche Aufgabe lag in der Erforschung historischer pyrotechnischer Verfahren, die in der Vorführung dann viele tausend Besucher in den Bann schlugen. Zehn seiner Studenten konnten bei diesem und weiteren Einsätzen nebenbei die Lizenz zum Großfeuerwerker erwerben.
Hochkomplexe Materie
Der Spaß an Knall und Rauch, den der Professor immer wieder einmal auf dem Campus inszeniert, soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass er seinen Kandidaten einiges abverlangt. Die nachhaltige Schonung von Natur und Umwelt ist eine hochkomplexe Materie. Wenn Spyra im Februar in den Ruhestand verabschiedet wird, soll sein Lehrstuhl für eine Neuausrichtung der Fakultät Verwendung finden: Die Altlastensanierung wird heute vor allem von privaten Unternehmen geleistet, in Ausbildung und Forschung geht es jetzt darum, Konzepte für die zukünftige Vermeidung von Umweltbelastungen zu entwickeln. So komplex die Materie ist, der Hochschullehrer bringt die Anforderungen auf einen einfachen Nenner: „Für jedes technische Problem gibt es mehrere Lösungen. Mein Ziel ist erreicht, wenn meine Studenten in der Lage sind, mindestens eine zu finden.“
So wie es ihm gelang, als er im Auftrag der NATO in Aserbaidschan und Usbekistan vor dem Problem stand, flüssige Raketentreibstoffe zu entsorgen. Die Lösung damals war die Umwandlung in Düngemittel. Aufgaben wie diesen wird er sich demnächst mit seiner Consultingfirma widmen, die den Übergang in den Ruhestand abfedern soll. Dass man den passionierten Hobbykoch an der Uni in bester Erinnerung behalten wird, dafür dürfte nicht zuletzt seine Abschiedsvorlesung sorgen. Titel: „Spyrotechnisches Spektakel“.
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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