Rotarische Geschichte im Fokus
Zentrale Persönlichkeit
Gründungspräsident des ersten Rotary Clubs in Deutschland, des RC Hamburg, war Wilhelm Cuno.
Dass der erste deutsche Rotary Club in Hamburg und nicht etwa in der Hauptstadt Berlin gegründet wurde, lag an zwei Faktoren: der hanseatischen Ausstrahlung der Stadt als Tor zur Welt und Wilhelm Cuno (1876–1933), der zentralen Persönlichkeit in den ersten Jahren Rotarys in Deutschland.
1918 hatte der promovierte Jurist und Oberregierungsrat im Reichsschatzamt die Nachfolge von Albert Ballin als Generaldirektor der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) übernommen.
Als hätte es Krieg und Krise nicht gegeben, führte Cuno die Schifffahrtslinie schnell wieder in sicheres Wasser und konnte schon 1923 (auf dem Höhepunkt der Inflation) verkünden, dass die Reederei ihren Wiederaufbau fast abgeschlossen habe. Die Hapag unterhielt ein weltweites Liniennetz, entsprechend bekannt war der Mann an der Spitze.
Politisch unter Druck
Den Wiederaufbau der Hapag unterbrach Cuno im November 1922, als er zum Reichskanzler eines „Kabinetts der Wirtschaft“ berufen wurde. Wie seine Vorgänger bemühte sich der parteilose Unternehmer um eine Revision des Versailler Vertrags und vor allem eine Klärung der offenen Reparationsfragen. Seine Vorschläge dazu lehnten die Alliierten jedoch ab.
Als Deutschland im Frühjahr 1923 mit Sachlieferungen in Rückstand geriet, besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet, woraufhin Cuno zum passiven Widerstand aufrief. Die Finanzierung von Streikaktionen und Streikenden heizte die Inflation dramatisch an. Cuno geriet politisch immer stärker unter Druck und musste am 12. August 1923 zurücktreten. Er kehrte in den Vorstand der Hapag zurück und wurde 1926 Vorsitzender.
Cuno war 1922 auch erster Präsident des Übersee-Clubs, der schon im Namen die spezielle Interessenlage der Hamburger Wirtschaft spiegelt. Aus diesem Zusammenschluss ging auch der Rotary Club hervor, wie Helmut Kruse berichtet, der sich intensiv mit der Rotary-Geschichte in der Hansestadt befasst hat: 15 von 23 Vorstandsmitgliedern des Übersee-Clubs gehörten zu den rotarischen Gründern.
Erster Governor im neuen Distrikt
Noch eine weitere Institution der Hamburger Wirtschaft stand zumindest ideell Pate: die Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns von 1517. In ihren Regularien findet sich bereits die ethische Selbstverpflichtung, die 1905 Paul Harris auf die Idee für einen neuartigen Serviceclub brachte.
Gründungspräsident Cuno stand zwei Jahre an der Spitze des RC Hamburg und wurde anschließend erster Governor des neuen deutschen Distrikts. Er starb mit 56 Jahren am 3. Januar 1933 in Aumühle.
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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