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Konrad Beikircher, RC Bonn-Museumsmeile

Auch als Hausfrau überzeugend

Er war Diplom-Psychologe in der Jugendvollzugsanstalt Siegburg und stand kurz vor der Beförderung zum Regierungsdirektor. Heute ist der Südtiroler Konrad Beikircher Kabarettist und ein echtes rheinisches Original.

Matthias Schütt20.06.2012

Kommt ein Südtiroler nach Bonn…Was wie ein guter Witz anfängt, ist in diesem Fall schon die Pointe: Konrad Beikircher ist gebürtiger Südtiroler – man hört es noch heraus – und gilt doch einer großen Fangemeinde seit Jahren als rheinisches Original. Ein Prädikat, das er sich mit seinem Sprachtalent und zahllosen Kabarett- und Kabinettstückchen auf der Bühne, in Funk und Fernsehen erworben hat. Legendär ist seine böse rheinische Hausfrau Walterscheidt.

 

Mit ihr begann 1984 die zweite, die Radio-Karriere des knapp 40-Jährigen. Was er damals allerdings noch nicht wusste, denn im Mittelpunkt stand noch der erlernte Brotberuf. Die böse rheinische Hausfrau verdiente ihren Lebensunterhalt als beamteter Diplom-Psychologe in der Jugendvollzugsanstalt Siegburg und stand kurz vor der Beförderung zum Regierungsdirektor. Zwei Jahre später zog er die Reißleine, weil die Arbeit mit jugendlichen Straftätern immer stärker reglementiert wurde. Nach 15 Jahren Knast war eine eigene Praxis für Psychotherapie das erklärte Ziel. Dass es dazu nicht kam, ist dem Zufall geschuldet, wie überhaupt die entscheidenden Weichen in diesem Leben der Zufall gestellt hat. Zufällig gerät er in die Bonner Jazz-Szene, zufällig fallen ihm die Mundartgedichte von H.C. Artmann (wieder) in die Hände, zufällig hört eine Rundfunkredakteurin namens Elke Heidenreich seine Artmann-Vertonungen… und so fort.


Lust am Spiel mit der Sprache

Die ersten künstlerischen Schritte war er indes schon in der Kindheit gegangen. Neben der Musik – klassische Ausbildung an der Geige, aber auch die erste Twist-Band mit 15 – zeigte sich ein erstaunlich frühreifes Talent in der Parodie: Der Zwölfjährige begeisterte Familie und Kneipenpublikum mit Qualtinger-Szenen. Hier taucht sie erstmals auf, die Lust am Spiel mit der Sprache, die ohne den geographischen Sprachraum kaum erklärbar ist: „Die Dreisprachigkeit in Südtirol – hochdeutsch, Pustertaler Dialekt und italienisch – das ist die Grundlage meiner künstlerischen Arbeit“, erläutert Beikircher. All dies jedoch geriet nach dem Abitur in den Hintergrund. Nach ersten verbummelten Semestern in Wien stieg Beikircher 1965 in Bonn aus dem Zug, um nun mit voller Hingabe das Studium der Psychologie zu verfolgen. Musik ab jetzt nur noch im Nebenfach.

 

20 Jahre später steht der noch immer junge Oberregierungsrat a. D. am Scheideweg: Psychologe bleiben oder freier Künstler werden? Die Frage stellte sich nicht in dieser Schärfe, denn „planerisch bin ich nie vorgegangen“. Er lässt die Dinge auf sich zukommen – und sie kommen. Nach ersten eigenen Kabarett-Programmen ist er bald als Texter für andere gefragt, wird als Komponist entdeckt, schreibt Kinderhörspiele, Kochbücher, Kolumnen, moderiert im WDR, singt, erzählt Hörbücher, inszeniert, produziert – gibt es eigentlich irgendeine Kunst, die Sie noch nicht erprobt haben, Freund Beikircher? „Ja, die Malerei. Die genieße ich ohne jede Verwertungsabsicht.“

 

Und noch ein Zufall. Den Moderator einer Konzertreihe in der Kölner Philharmonie ermunterte Intendant Franz Xaver Ohnesorg seine Plaudereien über klassische Musik auszuarbeiten. Daraus wurden bislang zwei Opern- und zwei Konzertführer, allesamt Bestseller, denn wenn ein Kabarettist über Ernste Musik schreibt, bekommt „ernst“ eine ganz eigene Bedeutung. Zum Bestseller könnte es auch sein jüngstes Buch bringen, die Autobiografie „Als Strohhalme noch aus Stroh waren – eine Kindheit in Südtirol“. Projekte wie diese packt er zwischen immerhin rund 240 Auftritte im Jahr mit derzeit fünf Programmen, darunter Revuen zur Musik der 50er-Jahre und zum italienischen Rock ’n Roll. Bleiben da noch Pläne offen, Freund Beikircher? „Aber ja, ich muss dringend an meiner Rheinischen Trilogie weiterarbeiten. Zurzeit bin ich mitten im 12. Teil…“  

 

 

Zur Person

 

Konrad Beikircher wurde am 22. Dezember 1945 in Bruneck/Südtirol geboren. Verheiratet mit der Glaskünstlerin Anne Beikircher; fünf Kinder (aus zwei Ehen)

  • 1964 Abitur und Studienbeginn in Wien (Psychologie, Zeitungswissenschaften)
  • 1965 Weiterstudium in Bonn mit Abschluss Dipl.-Psych. 
  • 1971-1986 Psychologe in der Jugendvollzugsanstalt Siegburg
  • Seit 1978 „Wiedererwachen der musischen Seite“: Vertonung von Gedichten von H.C. Artmann auf zwei Langspielplatten; seit 1979 Mitwirkung in verschiedenen Jazz-Bands
  • 1986 Kündigung des Beamtenverhältnisses; seither freie Tätigkeit als Kabarettist und Autor
  • Zahlreiche Kabarett-Programme, CD-Einspielungen und Bücher: Aus der Fülle ragen die Opernführer „Palazzo Bajazzo“ (2004) und „Boheme Supreme“ (2007) sowie zwei Konzertführer („Der große Beikircher“) hervor.
Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.