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Rotary im Friedensrau(s)ch

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Mit Buch und Friedenspfeife: die Herausgeber Joachim Reppmann (links) und Tony Conn © Reppmann

Mit Briefen in alle Welt wollten US-Rotarier 1931 ein Friedenszeichen in unsicheren Zeiten setzen. 89 Jahre später führt das schließlich zu einem internationalen Projekt.

Matthias Schütt01.09.2020

„Keokuk“ – allein der indianische Name der Kleinstadt am Mississippi im US-Bundesstaat Iowa dürfte die Fantasie der Rotarier in Erregung versetzt haben, als bei ihnen 1931 ein Brief aus eben diesem Ort eintraf. Und erst der Inhalt! Der RC Keokuk, benannt nach einem berühmten Häuptling der Stämme Sauk und Fox, lud dazu ein, gemeinsam über die Ozeane hinweg eine Friedenspfeife (peace pipe) zu rauchen, was sofort Erinnerungen an Karl May und James Fenimore Cooper hervorsprudeln ließ. Das jedenfalls klingt in mehreren Antwortschreiben aus deutschen Clubs hervor.

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Die „Peace Pipe Letters“ verbinden Rotarier in aller Welt © Reppmann

Dabei hatte das Schreiben aus den USA einen ernsten Hintergrund. Die Welt stand 1931 am Abgrund. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise und der heraufziehende Nationalsozialismus versetzten Rotarier nicht nur in Europa in Angst und Schrecken. Einer von ihnen war der Geschäftsmann William Jewett Fulton aus Keokuk, der den Sommer in Europa verbracht hatte, um die Rotary Convention in Wien zu besuchen. Abseits der heilen Rotary-Welt war das kommende Unheil wohl schon zu spüren, denn zurück in Iowa schlug Fulton seinen Clubfreunden vor, alle 504 Rotary Clubs außerhalb der USA anzuschreiben und den gemeinsamen Geist von Goodwill und Völkerverständigung zu bekräftigen.

Ein Häuptling als Friedensbote  

Fulton wählte dazu bewusst das Symbol der peace pipe, weil Namenspatron Häuptling Keokuk (ca. 1780-1848) als konzilianter Verhandlungspartner der weißen Eroberer in die Geschichte einging. Obwohl die US-Behörden immer wieder Verträge mit den indigenen Stämmen gebrochen hatten und immer neue Landnahmen ihren Lebensraum einengten, sah Keokuk zu Verhandlungen keine Alternative. Das grausame Blutvergießen dürfte ihn in dieser Haltung bestärkt haben.

Für Fulton und seine Clubfreunde war die Friedenspfeife „die höchste Geste der Gastfreundschaft“, die sie mit allen Freunden weltweit teilen wollten. „Wir wären glücklich“, schrieb Fulton, „wenn wir eine Antwort von Ihnen erhielten, denn es ist unser ernster Wunsch, Kontakte und Freundschaft zu Rotariern außerhalb unserer Grenzen aufzubauen.“ Um die Dimension des Projekts in Zeiten vor „copy & paste“ deutlich zu machen: 504 Briefe wurden persönlich addressiert und einzeln getippt.

Zigarren als Ersatz  

201 Clubs, also nicht ganz die Hälfte, reagierten auf die Bitte. Unter den 26 deutschen Clubs schrieben immerhin 15 zurück. In Aachen wurde der Brief aus Keokuk „in dem Moment (verlesen), in dem wir nach dem Essen unsere Zigarren anzündeten, sodass wir im Geiste Ihrer freundlichen Einladung nachkamen“. Während aus einigen Clubs auf die „wirklich ausserordentlich schwere Lage unseres Vaterlandes“ verwiesen wurde, bekräftigten andere „den großen sittlichen Ernst“, mit dem Rotary in Deutschland verfolgt werde.

Hier ist die Episode eigentlich zu Ende erzählt, doch sie hat drei Folgen, die in unsere Gegenwart reichen. Jahrzehnte gingen ins Land, ohne dass man sich in Keokuk an die Briefe erinnerte – bis sie eines Tages in einem Banksafe wieder auftauchten. Das brachte den Präsidenten des örtlichen Clubs, Tony Conn, auf die Idee, die Antwortbriefe in einem Buch zur Rotary Convention in Hamburg zusammenzufassen und die deutschen Clubs noch einmal anzuschreiben, wie es aus ihrer Sicht heute – in ähnlich kritischer Lage – um die Verständigung der Völker stehe. Aktuelle Antworten der 15 Clubs von 1931 sind allerdings nicht bekannt.

Das Buch wurde von Conn und dem Historiker Joachim Reppmann aus Flensburg herausgegeben, der seit vielen Jahren in den USA lebt und als Professor in Minnesota unterrichtet. Als Mitglied des RC Northfield organisierte er während der Convention ein Treffen unter dem Symbol der Friedenspfeife und lud zu einer Busfahrt mit „Book Party“ an die Förde ein. 135 Mitglieder aus 68 Peace Pipe Clubs in 21 Ländern nahmen teil.

Ein Friendensprojekt für Afrika

Die zweite Folge ist die bevorstehende Gründung eines Rotaract „Peace Pipe“ e-Clubs im Distrikt 5950 (USA). Und die dritte ein aktuelles „Peace Pipe Project“ in Afrika. Auf Initiative aus Südafrika werden seit Kurzem 100 Mediatoren ausgebildet, die soziale Konflikte unterhalb der juristischen Ebene ausgleichen sollen. Projektländer sind Angola, Botswana, Eswatini (Swaziland), Lesotho, Mozambik, Namibia und Südafrika. Gefördert werden insbesondere benachteiligte Gruppen wie Frauen und junge Menschen. Die Idee ist, das Modell möglichst auf alle afrikanischen Länder auszuweiten. 

Nähere Infos: https://www.peace-pipe-proposal.com/  

Sehen Sie hier ein Video von eienem Peace-Pipe-Letter-Meeting:

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Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.