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Rotary Entscheider

„Kunstverständnis – nicht Sache einer Elite“

Rotary Entscheider - „Kunstverständnis – nicht Sache einer Elite“
Carla Cugini im Museum Ludwig © Frank Schoepgens

Als Geschäftsführerin der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig wirbt Carla Cugini für kollektives Mäzenatentum und die Offenheit, sich immer wieder auf Neues einzulassen

Anne Klesse01.05.2018

Mit seiner Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst sowie dem Bestand an Werken von Picasso, der russischen Avantgarde und Pop Art zählt das Museum Ludwig in Köln zu den bedeutendsten Museen weltweit. Es zu fördern und „als lebendige Institution zu begleiten“ ist Aufgabe der 1985 von Sammlerinnen und Sammlern aus dem Rheinland gegründeten Gesellschaft für Moderne Kunst, die mittlerweile knapp 700 Mitglieder zählt. Geschäftsführerin Carla Cugini hat in ihrem Büro direkten Domblick. Außer dem runden Besprechungstisch ist der gebürtigen Schweizerin ein kleines Nashorn aus Bronze besonders wichtig, das Geschenk einer Freundin. Auch wenn sich die 46-Jährige von Berufs wegen viel mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt – ihr Lieblingsthema ist das Zusammenspiel von Kunst und Naturwissenschaft, darüber schrieb sie einst ihre Dissertation. „Wenn ich mal mehr Zeit habe, werde ich das weiterverfolgen“, sagt sie und lacht. Denn außer der Arbeit gibt es ja noch ihren Mann und die beiden Kinder, sechs und neun Jahre alt, mit denen sie gerne Zeit zu Hause in Köln-Lindenthal oder auf gemeinsamen Reisen verbringt.

Frau Dr. Cugini, Sie leben seit fast 13 Jahren in Köln, sind aber erst kürzlich Rotarierin geworden. Wie kam es dazu?
Ich muss zugeben, dass ich zunächst skeptisch war. Doch mein Club ist sehr aufgeschlossen, wir haben viele weibliche Mitglieder, sehr unterschiedliche Persönlichkeiten mit verschiedenen beruflichen Hintergründen und Ansichten. Was alle vereint, ist das Interesse an der Gemeinschaft. Das hat mich schließlich überzeugt. Meinen Einführungsvortrag habe ich zum Thema kollektives Mäzenatentum gehalten und dazu einige Initiativen unserer Gesellschaft vorgestellt: den Wolfgang-Hahn-Preis, die „Perlensucher“, den „Jungen Ankauf“.

Vor 33 Jahren wurde die Gesellschaft für Moderne Kunst von Sammlern gegründet, um das Museum Ludwig zu unterstützen. Wie wichtig ist bürgerschaftliches Engagement heute? Ist „kollektives Mäzenatentum“ die Zukunft?
Es ist in jedem Fall ein wichtiger Baustein des Mäzenatentums insgesamt. Auch heute gibt es einzelne, sehr großzügige Mäzene, die Kunstmuseen unterstützen. Ich halte es für extrem wichtig, dass sich Menschen zusammentun, um für eine Sache gemeinsam einzustehen. Finanzielles Engagement ist das eine, es braucht aber auch immer die inhaltliche, ideelle Auseinandersetzung.

Die Besucherzahlen in deutschen Kunstmuseen haben sich in den letzten Jahren rückläufig entwickelt, während die Summe der Subventionen steigt. Wie steuern Sie dem entgegen?
Unsere Besucherzahlen sind sehr erfreulich, 2017 kamen rund 300.000 Menschen. Das Museum hat ein vielfältiges Programm, das ein breites Publikum anspricht. Wenn man gut kommuniziert, erreicht man viele. Grundsätzlich darf es nicht darum gehen, eine Elite anzusprechen, die Museen sind für alle da. Neben uns leisten die Peter und Irene Ludwig-Stiftung, weitere Freundeskreise, Stiftungen und Unternehmen enorm wichtige Unterstützung. Doch so toll und wichtig privates Engagement ist: Der Staat darf sich nicht zurückziehen, er hat eine Verantwortung. Es ist wichtig, die öffentlichen Institutionen zu subventionieren. Unsere Arbeit ist auch gesellschaftlich relevant.

Welche Rolle spielt die Vermittlung von Kunst für die Gesellschaft? Was kann Kunst?
Sie ist extrem wichtig für ein gutes und bereicherndes Miteinander. Wenn Sie beispielsweise Ed Ruschas Serie „Stains“ nehmen, eine Erwerbung der „Perlensucher“, 75 Blätter, die der Künstler mit Fruchtsaft, Blut, Sperma usw. betropft hat, können im ersten Moment viele nichts damit anfangen. Dann ist es wichtig, in den Dialog zu treten. Kunstverständnis darf nicht Sache einer Elite sein. Also führt das Museum die Menschen an Kunst heran mit Angeboten wie den kunst:dialogen. Auf der anderen Seite wünsche ich mir, dass jeder den Mut findet, der Kunst offen gegenüber zu treten und ein Werk auf sich wirken zu lassen. Kunst ist etwas sehr Persönliches. Am Ende gibt es immer diesen einen individuellen Moment, der sich nicht in Sprache fassen lässt. Ich glaube, der ist von extrem hohem Wert.

Welches Kunstwerk hat Sie persönlich zuletzt berührt?
Auf der Biennale in Venedig 2017 hat mich der deutsche Pavillon von Anne Imhof sehr beeindruckt. Da ich gerade eine Publikation mit Kerry James Marshall vorbereite, bin ich einmal mehr von seiner Malerei begeistert. Dann gibt es noch Ed Atkins, von dem ich denke, dass er eine neue, visuelle Art von Literatur verfasst. Kunst lädt immer wieder meinen Geist, mein Auge, meine Seele dazu ein, sich auf etwas Neues einzulassen. Sie ist ein Fenster zu einer anderen Welt. Während die mittelalterliche Kunst von gestern erzählt, blickt die zeitgenössische Kunst oft in die Zukunft. Diesen Aspekt, diese Einmischung in die gesellschaftliche Debatte finde ich sehr wichtig.

Das Gespräch führte Anne Klesse.