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Interview

Familienunternehmen wachsen nicht so schnell, schaffen aber Werte

Interview - Familienunternehmen wachsen nicht so schnell, schaffen aber Werte
Als Präsident der Familienunternehmer setzt sich Reinhold von Eben-Worlée für die Interessen des Mittelstands ein © Anne Großmann Fotografie

Der Verbandspräsident der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, über den Reiz von Lobbyarbeit und emotionales Erbe.

Anne Klesse01.05.2019

In einem Industriegebiet im Hamburger Südosten hat das Unternehmen E.H. Worlée & Co. seinen Sitz. Die Historie des Familienunternehmens geht zurück auf das Jahr 1783, als Gewürzhändler Johann Nicolaus Worlée den Bürgereid der Freien und Hansestadt Hamburg leistete. Das 1851 von Emil Heinrich Worlée gegründete Handelshaus für natürliche Rohstoffe für Lacke und Beschichtungen wurde über die Jahrzehnte stetig erweitert und produziert, im- und exportiert bis heute Rohstoffe für verschiedene Industrien. Reinhold von Eben-Worlée stieg 1984 ein und führt heute ein international agierendes Unternehmen mit 600 Mitarbeitern, das 300 Millionen Euro Jahresumsatz macht. Seit Sommer 2017 ist der 62-Jährige Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer.

Herr von Eben-Worlée, Sie engagieren sich seit 30 Jahren in unterschiedlichen Industrieverbänden. Was reizt Sie an der Verbandsarbeit?
Von meinen Großeltern und Eltern habe ich gelernt, dass in der langen Geschichte unseres Unternehmens die größten Gefahren immer von der Politik ausgegangen sind – man denke da an die beiden Weltkriege oder an die Wirtschaftskrisen. Ich halte es für wichtig, ein vernünftiges Gegengewicht zu bilden. Wir stimmen uns mit vielen anderen Verbänden ab und versuchen, die gemeinsamen Interessen der Industrie und Wirtschaft zu bündeln. Die Familienunternehmer sind ein eher kleiner Player, aber ein sehr effektiver. Ich selbst habe auch aus der vorherigen Verbandsarbeit viele Kontakte in der chemischen Industrie, beim Bundesverband der Deutschen Industrie und dem Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. Ich bin ein politischer Netzwerker.

Haben Sie je überlegt, die Seite zu wechseln und parteipolitisch aktiv zu werden?
Gereizt hat mich das schon, aber ich habe eine große Verantwortung meinem Unternehmen gegenüber. Ich bewundere jeden Unternehmer, der in die Politik geht und sich dabei nicht verzettelt. Denn es fehlt den Parlamenten an Wirtschaftssachverstand. Ich würde mir wünschen, dass mehr Parlamentarier mal ein paar Jahre in der Wirtschaft arbeiten würden, um zu begreifen, wie schwer es ist, hier sein Geld zu verdienen.

Gab es Momente, in denen Ihnen Ihr Netzwerk aus schwierigen Situationen heraushelfen konnte?
Ja natürlich. Von wem lernt man als Unternehmer besser als von anderen Unternehmern? Gerade in der Chemie brauchte ich den Austausch mit Branchenkennern zur Lösung technischer Fragen. Als ich Anfang der 90er Jahre ein neues Chemiewerk bauen wollte und nicht wusste, wie das geht, haben mir meine Kontakte sehr genützt. Mit anderen habe ich gemeinsame Geschäftsmodelle aufgebaut, bin auf neue Ideen gekommen, gerade im Bereich der Strukturierung. In meinen Netzwerken erfahre ich einen permanenten Input. Da kann man viel voneinander lernen, auch bei Rotary. Dort finde ich den fachübergreifenden Ansatz interessant: Ich lerne etwas zu historischen, juristischen oder medizinischen Fragen. Rotary ist für mich auch eine Art Generationenvertrag: Man kommt als junger Mann, wird älter und freut sich über junge Clubmitglieder, die neuen Schwung reinbringen.

Brexit, Digitalisierung, Nachfolge – welche Themen werden bei den Familienunternehmen in Deutschland gerade besonders heiß diskutiert?
Als Verband vertreten wir in Berlin nicht nur die Interessen unserer knapp 6500 Mitgliedsunternehmer und -unternehmerinnen, sondern von rund 180.000 Familienunternehmen in Deutschland. Sie bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: Sie beschäftigen mehr als 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer. Mehr als jeder vierte Auszubildende lernt seinen Beruf in einem Familienunternehmen.

Steuerpolitik war schon immer eines unserer wesentlichen Themen. Aktuell bringen wir uns sehr stark in die Diskussionen um Erbschaftsteuer und Grundsteuer ein. Ordnungspolitisch engagieren wir uns beim Thema Energie.

Wir fordern einen international sektorübergreifenden Emmissionshandel, damit wir den Klimawandel wirklich aufhalten können. Denn das ist für uns alle entscheidend. Wir Familienunternehmer sind auf der ganzen Welt unterwegs, haben in vielen Ländern Niederlassungen und beschäftigen Mitarbeiter aller Nationalitäten. Niemand von uns hat Interesse an nationalstaatlichem Handeln. Zum Schluss zahlt das Volk die Zeche für die politischen Versprechungen der Populisten, das sieht man in Großbritannien. Die Unterbrechung der Handelswege wäre nicht nur für deutsche Unternehmen fatal. Wenn Waren wegen langer Zollabwicklungen nicht mehr zeitnah geliefert werden und Ein- und Ausfuhrzölle anfallen, kann es zu Einbußen beim Bruttosozialprodukt kommen. Die Logistik und die Erzeugungskosten im jeweiligen Land bestimmen den Markt. Wenn diese Kosten steigen, sind Produkte aus Großbritannien nicht mehr marktfähig. Und ebenso werden auch unsere Produkte dort wirtschaftlich unattraktiv. Sich als Unternehmen momentan auf alle Eventualitäten vorzubereiten, ist schwierig. Fest steht: Der Brexit ist eine bürokratische Katastrophe auch für die deutsche Wirtschaft. Ich hoffe, dass der Deal noch unterschrieben wird.

Hinsichtlich der Digitalisierung stehen die Familienunternehmen hingegen gut da. Lediglich beim Thema Auswertung von Marktdaten hängen wir hinter den USA und China zurück, weil dort die größten Unternehmen sitzen, die sich damit beschäftigen. Data Mining findet dort statt, wo die Server stehen. Allerdings macht nicht jedes Unternehmen damit Gewinne, siehe Snapchat oder Zalando. Als Familienunternehmer wirtschaften wir viel konservativer, arbeiten mit einer sehr hohen Eigenkapitalquote und wachsen deshalb manchmal nicht so schnell. Aber wir schaffen Werte.

Ist diese Verbindung aus Risiko und Verantwortung typisch für Unternehmen in Familienhand?
Absolut – Familienunternehmer tragen das finanzielle Risiko für jede ihrer Handlungen und sind deshalb in der Regel nicht so schnell bereit, große Risiken einzugehen. Wir arbeiten mit unserem eigenen Geld, generationsübergreifend. Wir haben immer im Blick, für unsere Nachkommen eine gute Geschäftsgrundlage zu erhalten, damit die sich bereit erklären, die Familientradition fortzuführen. Meine drei Töchter sind noch in der Ausbildung. Ich hoffe, sie werden einmal meine Nachfolge antreten. Gerade als Frau hat es Vorteile, im eigenen Unternehmen zu arbeiten, denn das Thema Familienplanung sehen wir Familienunternehmern natürlich positiv: Ohne Nachwuchs wird das Familienunternehmen nicht überleben und auch die Wirtschaft als Ganzes nicht. Deutschland hat jetzt schon zu wenig Arbeitnehmer für die Zukunft. Insofern freuen wir uns sehr, wenn Mitarbeiter oder die eigene Familie Nachwuchs bekommen. Das sind alles Mitarbeiter von morgen.

Bei der Unternehmensnachfolge gibt es neben der finanziellen auch die emotionale Verantwortung: Wer will schon das Erbe der Großeltern herunterwirtschaften? Haben Sie je an Ihrer Entscheidung, das Familienunternehmen von Ihrem Vater zu übernehmen, gezweifelt?
Meine Vorfahren haben immer wieder erhebliche Probleme gelöst. Daraus schöpfe ich Selbstbewusstsein und die Hoffnung, dass auch mir in schwierigen Situationen das Richtige einfallen wird. Doch am Ende muss jede Generation ihr eigenes, individuelles Geschäftsmodell aufbauen, da sich die Märkte rasend schnell verändern. Erbe ist etwas Schönes, aber man kann sich nicht darauf ausruhen. Nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft ist das, was zählt. 

Das Gespräch führte Anne Klesse.


Zur Person
Reinhold von Eben-Worlée (RC Hamburg) hat nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann Lebensmitteltechnologie an der heutigen Beuth Hochschule für Technik in Berlin studiert. Der Diplom-Ingenieur ist geschäftsführender Gesellschafter der E.H. Worlée & Co. GmbH & Co. KG und seit Sommer 2017 Präsident des Verbandes Die Familienunternehmer, die am 9. und 10. Mai auf den Familienunternehmer-Tagen 2019 Mitgliederversammlung in Berlin haben.
worlee.de