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Porträt

„Wir versuchen, die Folgen der Pandemie abzumildern“

Porträt - „Wir versuchen, die Folgen der Pandemie abzumildern“
Anja Langenbucher findet, wenn die Deutschen etwas anfangen, dann ziehen sie es durch. Dann meinen sie es ernst und haben die Sache von A bis Z durchdacht. © Antje Berghäuser

In der Covid-19-Krise richtet sich der Blick verstärkt auf globale Gesundheitspolitik und internationale Zusammenarbeit. Anja Langenbucher leitet in Berlin die Europa-Arbeit der Bill & Melinda Gates Foundation.

Anne Klesse01.12.2020

Vor drei Jahren zog Anja Langenbucher nach 17 Jahren im Ausland von London nach Berlin, um hier ein Büro für die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung aufzubauen. Mit ihren beiden Söhnen, acht und 14 Jahre alt, wohnt sie im Westen der Hauptstadt in Charlottenburg. „Die Menschen hier sind sehr aufgeschlossen und tolerant, die Stadt international und multikulturell. Das gefällt uns sehr, so waren wir es aus London gewohnt.“ Sie sehe jetzt vieles in Deutschland mit anderen Augen. „Gerade im Vergleich zum angelsächsischen Ausland ist die Bereitschaft, Neues zu wagen hier weniger ausgeprägt. Die Skepsis ist größer.“ Neue Initiativen auf die Beine zu stellen, dauere. „Aber wenn die Deutschen etwas anfangen, dann ziehen sie es durch.“

Aufgabe des Europa-Teams unter Leitung von Anja Langenbucher ist es, mit den Geberländern der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten und Antworten zu finden auf die Frage: Wie kann ein größeres Bewusstsein für Entwicklungspolitik mit dem Schwerpunkt globale Gesundheit geschaffen werden? „Dafür arbeiten wir mit vielen Akteuren aus Politik, Medien und Zivilgesellschaft zusammen, führen Gespräche zum Beispiel mit Vertretern des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Kanzleramt, aktuell auch viel mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem für Bildung und Forschung“, so Langenbucher.

Teil eines größeren Ganzen sein

Bevor das Coronavirus vieles lahmlegte, bedeutete das vor allem reisen. „Jetzt arbeite ich wie andere hauptsächlich von Zuhause.“ Ihre Arbeitgeber trifft sie sonst regelmäßig persönlich. Bill Gates sei ein „wahnsinnig neugieriger Mensch, der die Dinge bis ins Detail verstehen möchte und von großem Optimismus geprägt ist."

Aufgewachsen in Stuttgart heuerte Langenbucher nach ihrem Wirtschaftsstudium zunächst bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group in München an. Schon vorher habe sie sich für andere Länder interessiert, auch mal ein Jahr in Paris studiert. „In Deutschland hat mich die Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit stark beschäftigt. Ich war immer begeistert von der Idee der EU, der europäische Unionsgedanke fasziniert mich bis heute, Teil eines größeren Ganzen zu sein.“

Sie genießt es, international zu arbeiten. Durch ihre frühere Arbeit bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, der Weltbankgruppe in Washington und der Europäischen Kommission in Brüssel, ist sie weltweit vernetzt. Ihre Freizeit verbringt Langenbucher meist mit ihren Söhnen. „Wie viele Eltern gucke ich an Wochenenden meinem kleinen Sohn beim Hockey zu oder fahre den Großen zum Golf spielen.“

Geschaffene Infrastruktur hilft

Interessiert habe sie früh die Wirtschaftspolitik und politische Ökonomie: „Ich fand schon im Studium die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme und deren Ausprägungen in den verschiedenen Ländern spannend. Im Job bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung habe ich dann an Projekten gearbeitet, bei denen wir ehemals kommunistische Staaten, die Mitglieder der EU wurden, in ihrem Transformationsprozess zur offenen Marktwirtschaft begleitet haben.“ Langenbucher war dafür in den westlichen Balkanländern und Zentralasien unterwegs. „Die im Balkan vom Krieg gebeutelten Gesellschaften haben mich sehr beschäftigt“, sagt sie. Damals sei der Wunsch gewachsen, etwas zu verändern, „damit diese Welt ein bisschen besser wird.“ So kam sie schließlich zur Stiftungsarbeit. Seit 2010 hat die US-amerikanische Stiftung mit Hauptsitz in Seattle ihr Europa-Büro in London, seit 2014 wurde bereits auch aus Berlin, Paris und Brüssel gearbeitet. Im Oktober 2018 eröffnete dann die zweite Dependance in Berlin – weil Deutschland weltweit das zweitgrößte Geberland nach den USA ist. Ein weiterer Grund dürfte der Brexit gewesen sein.

Das einzig Gute an der aktuellen Covid-19-Krise sei, so Langenbucher, dass sie den Blick der deutschen Forschung in Richtung Gesundheit gelenkt habe. „Als Stiftung investieren wir in drei Bereiche: Forschung am Impfstoff, geeignete Therapien sowie Diagnose- und Testmittel. Außerdem versuchen wir, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in unseren Einsatzländern abzumildern.“

Eine der mittelbaren Gefahren der Pandemie sieht sie darin, dass andere wichtige Themen wie Polio aus dem Blickfeld geraten könnten. Die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung arbeitet seit Jahren mit Rotary daran, Kinderlähmung auszurotten. „Die für Polio geschaffenen Infrastrukturen vor Ort haben schon damals beim Ebola-Ausbruch geholfen – und sie helfen auch jetzt in der Covid-19-Pandemie.“

Langenbucher ist froh, aktuell in Deutschland zu leben: „ Im Gegensatz zu anderen Staaten haben wir ein funktionierendes Gesundheitssystem.“ So gehe es vielen Heimkehrern: „Viele haben sich in der Coronakrise endgültig mit ihrer Heimat versöhnt.“


Zur Person

Anja Langenbucher (RC Berlin-Mitte), ist Direktorin des Europäischen Büros der Bill & Melinda Gates Foundation. Sie ist seit 2011 bei der Stiftung. Zuvor arbeitete die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin für die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, bei der Weltbankgruppe in Washington, der Europäischen Kommission in Brüssel und der Unternehmensberatung Boston Consulting Group in München.

gatesfoundation.org