Michael Wolffsohn, RC München-Schwabing
Und plötzlich Bauherr
Der Berliner Wedding ist gemeinhin nicht als bevorzugtes Wohngebiet bekannt, doch auch hier gibt es Oasen wie die Gartenstadt Atlantic. Diese Siedlung wurde in den 1920er Jahren erbaut, um das englische Reformkonzept der „Garden City“ vom Stadtrand in die Viertel der großstädtischen Mietskasernen zu tragen. Wie vor 80 Jahren sind die 49 Häuser mit 500 Wohnungen und großzügigen Grünanlagen auch heute ein viel bestauntes, preisgekröntes Wohnmodell – engagiert zu neuem Leben erweckt von einem, der sich auf ganz anderem Gebiet einen Namen gemacht hat: dem Historiker und Publizisten Michael Wolffsohn.
Verkauf stand nicht zur Debatte
Der Filmpionier Karl Wolffsohn, sein Großvater, hatte die Siedlung erbaut, musste sie aber 1938 im Zuge der sogenannten Arisierung „verkaufen“ und kämpfte nach seiner Rückkehr aus Israel bis zu seinem Tod 1957 um die Rückübertragung. Der 1947 geborene Enkel kam erst im Jahr 2000 näher damit in Berührung, als nach dem Tod des Vaters der einzige Erbe vor der Frage stand, den heruntergekommenen Komplex zu verkaufen oder zu sanieren. Die Entscheidung zur Übernahme wurde wirtschaftlich zum Drahtseilakt – die Sanierung verschlang 32 Millionen Euro –, bedeutete vor allem aber eine völlige Umorientierung der Lebensplanung: von der Universität in München auf die Großbaustelle in Berlin?… Mit Ehefrau Rita an seiner Seite, von Beruf Apothekerin, heute Co-Vorstand der Gartenstadt Atlantic AG, wurde das Wagnis zur stimulierenden Herausforderung.
Ein Verkauf stand ohnehin nicht zur Debatte: „Das denkmalgeschützte kultur- und bauhistorische Juwel aus Familienbesitz einfach zu verscherbeln, das kam mir arg banausenhaft vor“, beschreibt Wolffsohn seine Überlegungen, statt mit einem netten Verkaufserlös das Leben zu genießen, etliche (geliehene) Millionen in einer völlig fremden Branche zu investieren. Ein Zweites kam hinzu: „Wer sich an die Auseinandersetzungen um Immobilienspekulationen in den 80er Jahren erinnert, weiß, dass es jüdische Unternehmer gegeben hat, die üble antisemitische Klischees bestätigten. Nun war ich, der ich mich publizistisch bereits eindeutig positioniert hatte, plötzlich selbst in der Verantwortung, es besser zu machen.“
Würdiges Denkmal
Und noch ein drittes Argument: In diesem Quartier im Wedding ließe sich zeigen, wie in einer durch vielfältige Spannungen auseinanderdriftenden Gesellschaft soziale und kulturelle Integration aussehen kann. Ein Ausländeranteil von 30 Prozent wurde im Zuge der Sanierung von der Kennziffer eines Problembezirks zum spezifischen Wert einer multikulturellen Gemeinschaft. Die wird zusätzlich gestärkt von kulturpädagogischen Angeboten: Wolffsohn will in dem wenig attraktiven Weddinger Kiez rund um den Gesundbrunnen Initiativen fördern, „um den Anwohnern vor Ort kulturelle Teilhabe zu ermöglichen“. So wurden einige Wohnungen und Gewerbeeinheiten theater-, musik- und museumspädagogischen Einrichtungen überlassen. Eine Dauerausstellung erinnert an den Industrie-Designer Wilhelm Braun-Feldweg, eine Physik-Werkstatt will Kinder an die Naturwissenschaften heranführen.
Zentrum des Quartiers ist jedoch das Lichtburg-Forum, ein kleiner, feiner Veranstaltungssaal dort, wo sein Großvater einmal eines der größten deutschen Kinos unterhielt. Mit 2000 Plätzen und erstklassigem Programm war die „Lichtburg“ ein Magnet der vergnügungssüchtigen Berliner Vorkriegsgesellschaft. Mit der Sanierung der Gartenstadt Atlantic hat der Enkel mit seiner Frau nicht nur ein reformpolitisches Konzept wiederbelebt, sondern auch dem Filmpionier Karl Wolffsohn ein würdiges Denkmal gesetzt.
Verkauf stand nicht zur Debatte
Der Filmpionier Karl Wolffsohn, sein Großvater, hatte die Siedlung erbaut, musste sie aber 1938 im Zuge der sogenannten Arisierung „verkaufen“ und kämpfte nach seiner Rückkehr aus Israel bis zu seinem Tod 1957 um die Rückübertragung. Der 1947 geborene Enkel kam erst im Jahr 2000 näher damit in Berührung, als nach dem Tod des Vaters der einzige Erbe vor der Frage stand, den heruntergekommenen Komplex zu verkaufen oder zu sanieren. Die Entscheidung zur Übernahme wurde wirtschaftlich zum Drahtseilakt – die Sanierung verschlang 32 Millionen Euro –, bedeutete vor allem aber eine völlige Umorientierung der Lebensplanung: von der Universität in München auf die Großbaustelle in Berlin?… Mit Ehefrau Rita an seiner Seite, von Beruf Apothekerin, heute Co-Vorstand der Gartenstadt Atlantic AG, wurde das Wagnis zur stimulierenden Herausforderung.
Ein Verkauf stand ohnehin nicht zur Debatte: „Das denkmalgeschützte kultur- und bauhistorische Juwel aus Familienbesitz einfach zu verscherbeln, das kam mir arg banausenhaft vor“, beschreibt Wolffsohn seine Überlegungen, statt mit einem netten Verkaufserlös das Leben zu genießen, etliche (geliehene) Millionen in einer völlig fremden Branche zu investieren. Ein Zweites kam hinzu: „Wer sich an die Auseinandersetzungen um Immobilienspekulationen in den 80er Jahren erinnert, weiß, dass es jüdische Unternehmer gegeben hat, die üble antisemitische Klischees bestätigten. Nun war ich, der ich mich publizistisch bereits eindeutig positioniert hatte, plötzlich selbst in der Verantwortung, es besser zu machen.“
Würdiges Denkmal
Und noch ein drittes Argument: In diesem Quartier im Wedding ließe sich zeigen, wie in einer durch vielfältige Spannungen auseinanderdriftenden Gesellschaft soziale und kulturelle Integration aussehen kann. Ein Ausländeranteil von 30 Prozent wurde im Zuge der Sanierung von der Kennziffer eines Problembezirks zum spezifischen Wert einer multikulturellen Gemeinschaft. Die wird zusätzlich gestärkt von kulturpädagogischen Angeboten: Wolffsohn will in dem wenig attraktiven Weddinger Kiez rund um den Gesundbrunnen Initiativen fördern, „um den Anwohnern vor Ort kulturelle Teilhabe zu ermöglichen“. So wurden einige Wohnungen und Gewerbeeinheiten theater-, musik- und museumspädagogischen Einrichtungen überlassen. Eine Dauerausstellung erinnert an den Industrie-Designer Wilhelm Braun-Feldweg, eine Physik-Werkstatt will Kinder an die Naturwissenschaften heranführen.
Zentrum des Quartiers ist jedoch das Lichtburg-Forum, ein kleiner, feiner Veranstaltungssaal dort, wo sein Großvater einmal eines der größten deutschen Kinos unterhielt. Mit 2000 Plätzen und erstklassigem Programm war die „Lichtburg“ ein Magnet der vergnügungssüchtigen Berliner Vorkriegsgesellschaft. Mit der Sanierung der Gartenstadt Atlantic hat der Enkel mit seiner Frau nicht nur ein reformpolitisches Konzept wiederbelebt, sondern auch dem Filmpionier Karl Wolffsohn ein würdiges Denkmal gesetzt.
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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