Porträt
Die Magie der Magier
„The Magic of Rotary“ hat viele Bedeutungen. Den beiden Wiener Zauberkünstlern Magic Christian und Lucca Lucian ist das Magische sogar zum Beruf mit Welterfolg geworden.
Was ist magisch? Was fasziniert Menschen? Was zieht sie in ihren Bann, und was kann man damit bewirken? Diese Fragen bewegen Rotary nicht erst seit dem aktuellen Jahresmotto. Sie sind auch Antrieb für Zauberkünstler, immer bessere, rätselhaftere und ausgefallenere Shows zu präsentieren. Erst recht, wenn sie Weltmeister sind. „Das legt die Latte der Erwartungen gleich noch einmal höher“, sagt der eine. „Wichtig ist immer die gute Show“, meint der andere. Dass Titel wie Europa- oder Weltmeister ein Turbo für die Karriere sind, bestätigen beide. Aber auch, dass das den Ehrgeiz erst recht anstachelt.
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Der eine ist der amtierende Weltmeister der Mentalmagie, Lucca Lucian, der andere in den 1970er Jahren dreifacher Weltmeister der Manipulation, Magic Christian. Beide führen Künstlernamen, Christian Stelzel, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, hat sich vom Film The Magic of Christian inspirieren lassen, und der geborene Boris Buresch hatte in der Stadt Lucca ein inspirierendes Erlebnis, das er freilich nicht verrät, und später eine Frau mit Nachnamen Lucian geheiratet, deren Namen er annahm und somit so auch im Reisepass heißt. Seine Anca studierte Wirtschaft und Politik in Cambridge und ist aus ihrer Karriere mit fliegenden Fahnen zum ihr unbekannten Wesen Magie gewechselt.
Beide sind oft auch auf der Bühne ein Paar. Anders war das bei Christian. Der hatte 1979 im Fernsehen eine blonde Assistentin in Klaus Maria Brandauer verwandelt und den dann, nach einem Interview, zurück in eine schwarzhaarige Dame. Die wurde dann später seine Frau, hat ihm aber nur gelegentlich auf der Bühne assistiert. Beide sind sie ohne große Lebensplanung zur Magie gestoßen. Mit 13 hatte Christian ein Zauberbuch seines Vaters gefunden und dann mit ersten Tricks zu Silvester entdeckt, wie man damit Aufmerksamkeit bekommt. Lucca war schon 19, wollte nur einen Scherzartikel kaufen in einem Zaubergeschäft und kam so mit Kartenmagie in Berührung. Die dafür erforderliche Fingerfertigkeit schreckte ihn ab, aber das Virus war eingepflanzt. Für beide war es lange Zeit nur Hobby. Christian studierte Industrial Design, Lucca war mit Autos beschäftigt, als Master-Franchisenehmer des US-Konzerns Chips-Away. Aber irgendwann wurden die Erfolge zum Beruf.
Menschen wollen staunen. Das sind auch für die Zauberkünstler selbst die magischen Momente. „Ich habe gestaunt über das Staunen“, sagt Lucca, „die Entscheidung, es zum Beruf zu machen, kam durch die Erfahrung, welche Reaktionen ich auslöse.“ Zauberkunst ist keine Zauberei, sondern Technik, Schauspiel – und Psychologie. Schon in der Antike haben griechische Priester leere, verschlossene Amphoren mit Wein gefüllt und von den Geschenken des staunenden Volkes gut gelebt, erzählt Christian. „Das Hütchenspiel ist 5000 Jahre alt, damit haben die Sumerer Geld verdient, und was heute Mentalmagie heißt, war früher das Orakel.“
Aber ein Unterschied zu damals ist seriösen Zauberkünstlern heute ganz wichtig. „Der Zuschauer freut sich darüber, dass er getäuscht wird, aber er will nicht über die Tatsache getäuscht werden, dass er getäuscht wird“, sagt Lucca. Wenn plötzlich Münzen verschwinden, gemischte Karten ohne sichtbaren Eingriff nach Farben geordnet sind, wenn von zwei Menschen aus dem Publikum auf der Bühne einer berührt wird und beide das spüren, oder wenn Farben, Zahlen oder Geburtsdaten erraten werden, dann ist das immer ein Trick. Schrecklich ist, so sagen beide, wenn jemand, wie etwa Uri Geller, behauptet, tatsächlich übersinnliche Kräfte zu besitzen, und es Leute gibt, die das auch noch glauben.
Gutes Täuschen ist mehr als nur ein guter Trick. Es geht um die Wirkung auf der Bühne. Magic Christian nennt es ein Spinnennetz, mit dem er das Publikum einfängt und zum Teil der Vorstellung macht. Das funktioniert im großen Saal genauso wie bei Mikromagie am Tisch. Für seine Acts, mit denen er in den 1970er Jahren dreimal hintereinander Weltmeister wurde, hat er acht Stunden am Tag geübt. Wie ein Eisläufer, der er übrigens auch ist. Aber viel wichtiger noch als die Technik ist die Präsentation. Wie beim Kochen sind die Zutaten nur der halbe Erfolg. Zaubertricks kann man auf Messen kaufen. Aber die Wirkung nicht. „Wer den Flohwalzer kann, kann noch kein BeethovenKonzert“, sagt Christian.
Der Magier ist Schauspieler. Ein Höhepunkt der Show von Anca und Lucca ist, dass Anca mit verbundenen Augen 16 Ziffern, die irgendjemand aus dem Publikum auf einen Zettel geschrieben hat, errät. Das kann sie sehr schnell. Irgendwann haben sie begonnen, dass nach acht Ziffern die Musik stoppt und nach jedem Applaus mindestens fünf lange Sekunden nur Stille sein muss, bis sie die nächste Ziffer sagt. „Es hat ein Jahr gedauert, bis sie selbst diese langen Pausen überhaupt ertragen hat“, schildert Lucca. Aber die Wirkung ist vervielfacht. „Wir arbeiten an der Präsentation viel mehr als an der Technik“, verrät er.
Trotz aller Erfolge sind beide Künstler mit Wien verwurzelt. Las Vegas, das Mekka der großen Shows, hat sie mehr abgeschreckt als angezogen. Dort wird man ausgepresst wie eine Zitrone, sagen sie. Christian war 40-mal in den USA und meint: „Wie Siegfried und Roy, die ich gut gekannt habe, das ertragen haben, habe ich nie verstanden.“ Dennoch war er in aller Welt, Shows für große Unternehmen waren lukrativer, er zauberte mit Autos in Südafrika und Kristalllustern in Japan. Als Buchautor beschäftigt sich der vom Weltverband FISM meistausgezeichnete Zauberkünstler auch viel mit der Geschichte der Zauberkunst.
Anca und Lucca hatten 2023 im Magic Castle in Hollywood in einer Woche 25 Auftritte. Danach konnten sie nicht einmal mehr schlafen. Da war der Entschluss gefasst für ein eigenes Theater in Wien. Das Publikum ist hier viel anspruchsvoller, und auch die beiden Kinder des Paares sollen hier aufwachsen. Seit einem halben Jahr läuft das „Magic World“, gleich neben dem Riesenrad. „Wir sind schon profitabel, aber wir wollen Wien zur Hauptstadt der Magie in Europa machen“, sagt Lucca und hat schon für die nächsten Monate viele andere Weltmeister der Magier eingeladen. Das ist dann „The Magic of Success“.
Lucca Lucian, RC Wien-Stadtpark Geb. 1977, nach der Höheren Technischen Lehranstalt (HTL) in Wien Unternehmer
• Auftritte mit Ehefrau und Partnerin Anca in vielen Ländern
• 2017 Europameister (FISM) in der Sparte Mentalmagie
• 2023 Weltmeister
• 2024 Gründer und Betreiber des Zaubertheaters Magic World Vienna
• magicworld.at
• ancalucca.com
Mag. Christian Stelzel, RC Wien-Donau Geb. 1945, studierte Industrial Design an der Universität für angewandte Kunst
• 1973, 1976 und 1979 Weltmeister der Fédération internationale de sociétés magiques (FISM) in der Sparte Manipulation
• 2015 FISM Special Award for History, Research & Scholarship. Zahlreiche weitere Auszeichnungen
• magicchristian.at
© Interfoto
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