»Die volle Wucht der Reformation«
Jetzt werben sie schon mit dem Hammer, die Marketingstrategen des Reformationsjubiläums 2017, das in wenigen Wochen beginnt. „3xHammer“ heißt die Dachmarke der drei nationalen Sonderausstellungen in Wittenberg, Eisenach und Berlin, und der Hammer symbolisiert die „volle Wucht der Reformation“. Das soll wohl jugendaffin sein und den Zugang zu jener Altersgruppe erleichtern, die Luther und die Reformation allenfalls noch dem Hörensagen nach kennt. Für die seriösen Reformationshistoriker aber ist die Kampagne mit dem Hammer ein Hammerschlag ins Gesicht. Jahrzehntelang hat man sich dort bemüht, das nationalromantische Bild des deutschen Mönchs, der seine zornigen Ideen an das Kirchenportal von Wittenberg nagelt, ein für alle Mal aus unseren Köpfen zu verbannen. Auf keinen Fall teutonisch sollte das Reformations-jubiläum werden, auch nicht allzu evangelisch; und am liebsten würde man auf die Zentralgestalt Luther gänzlich verzichten. Geburtstag gewissermaßen ohne Geburtstagskind.
Es sollte stattdessen eine Epoche rekonstruiert werden, in die Luther, wie es sein Biograph Willi Winkler so schön formulierte, wie in einen Wandteppich „plötzlich hineingewebt wird“. Großartige Wandteppiche sind dabei entstanden, wie der des Berliner Frühneuzeitlers Heinz Schilling mit einem Luther quasi im Kontext. Oder die allfällige Dekonstruktion der populären Sichtweisen des 19. Jahrhunderts. Keine hat der Forschung standgehalten: der zornige Hammerschlag nicht und auch nicht das Bild vom deutschen Schöpfer der Bibel. Wir sind tatsächlich wissender geworden, aber ein wirkungsmächtiges neues Lutherbild, das ein Jahrtausendgedenken rechtfertigen würde, ist aus all dem nicht erwachsen. Es klafft eine weithin sichtbare öffentliche Sinnlücke in diesem Reformationsjubiläum, die die Kirchen nicht schließen können und die staatlichen Institutionen schon gar nicht.
In den unernsten Zeiten unserer Postmoderne war das egal. Von der Wartburg zur Hüpfburg und wieder retour! Doch die vehemente Rückkehr des Religiösen in den politischen Raum hat die Lage gründlich verändert. Eine offene Gesellschaft, die gläubige Vertreter des Islam integrieren will, muss sich mehr denn je ihrer christlichen und ihrer konfessionellen Wurzeln versichern. Luther macht es uns dabei nicht leicht. Auch das Zeitalter der Glaubenskriege gehört zum Erbe der Reformation. Aber Luther steht am Beginn unseres modernen Lebens. Sein Wirken ist Teil unserer religiösen DNA geworden und unserer kulturellen dazu.
Das Reformationsjubiläum muss sich dessen vergewissern. Der Thementeil des Rotary Magazins öffnet dafür den Raum.
Es grüßt Sie herzlichst Ihr
© Antje Berghäuser rotarymagazin.de
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