Und am Kochtopf: der Governor
Aus der Idee für ein Zeltlager mit Kindern haben Rotaracter eine professionelle Organisation entwickelt. Ihre KidsCamps finden immer mehr Fans, auch bei Rotary
Die Idee ist erst einige Jahr alt, sie hat sich aber bereits in allen deutschen und österreichischen Distrikten durchgesetzt: KidsCamp – das Zeltlager für Kinder, die keine Ferienreise machen können und die dafür von Rotaractern zu einem großen Abenteuer im Sommer eingeladen werden. Rotaract Clubs sind traditionell für kreative Aktionen bekannt, bei denen die rotarischen Patenclubs mitunter gerne mithelfen. Noch nie jedoch hat es ein Konzept gegeben, das von Anfang an so begeistert auch von Rotariern mitgetragen wird. Wenn man Rotaractern und ihren Mentoren zuhört, dann erscheint das KidsCamp geradezu als das ideale Projekt, um die Stärken der beiden Clubs zusammenzuführen: die Macher-Qualitäten der Jungen mit den größeren finanziellen Möglichkeiten der Rotarier.
Camps mit 100 Kindern
KidsCamp, das ist Spiel, Spaß und Lagerfeuer, zunächst aber vor allem viel Arbeit. Die Organisation eines Zeltlagers für 30 oder auch 100 Kinder zwischen acht und 14 Jahren verlangt eine Planung, die ein Vielfaches der vier oder fünf Tage umfasst, die die Kinder dann tatsächlich betreut werden. Das war den Rotaractern im Dis—trikt 1830, die 2008 erstmals auf die Idee kamen, zunächst gar nicht klar. „Wir sind total engagiert, aber auch ziemlich blauäugig darangegangen“, erinnert sich Frank Buchholzke, heute Banker in Stuttgart. Spätestens bei den ersten Tränen wegen einer blutigen Schramme wurde den jungen Leuten jedoch bewusst: Wer unterschreibt, haftet – und die Verantwortung für einen Haufen Kinder, die vielleicht das erste Mal von zuhause fort sind, ist eine heikle Herausforderung.
Professionelle Planung
Diese Urerfahrung hat dazu geführt, dass das KidsCamp in wenigen Jahren zu einer Organisation mit professioneller Planung und ausgefeilter Logistik geworden ist. Dazu und zum Abfangen der Haftungsrisiken wurde 2010 der Verein Urlaubskinder gegründet. Die Grundidee von 2008 gilt indes nach wie vor: Rotaracter organisieren das Zeltlager, die Rotarier zahlen für die Kinder und dürfen die Teilnehmer benennen. Das hat auf Anhieb überraschend gut geklappt, erinnert sich Buchholzke, weil viele Rotary Clubs über ihre Sozialprojekte bedürftige Kinder kennen. Wie überzeugend die Idee bei Rotary ankam, zeigt sich daran, dass damals die Hälfte der knapp 50 Rotary Clubs im Distrikt 1830 sofort mit dabei sein wollte. „Wir hatten schon im ersten Jahr Besuch von einzelnen Rotariern. Heute ist es so, dass Rotary Clubs ganze Tage in eigener Regie gestalten oder besondere Programmpunkte übernehmen“, so Buchholzke. Sei es der Besuch eines Basketballexperten oder ein Drachenbau-Workshop, ein Selbstverteidigungskurs oder der Kontakt zu großen Vögeln beim Besuch einer Falknerin. Eine Reihe der Clubs engagiert sich noch stärker und ermöglicht den Kids Erlebnisse wie etwa Museumsbesuche, die aus dem Campbudget nicht zu finanzieren wären.
250 Euro für vier Tage
Governor Gerhard Hellmann aus Österreich, wo 2016 in St. Georgen das dritte Mal ein gemeinsames Camp der Distrikte 1910 und 1920 stattfindet, outet sich sofort als eingefleischter Fan. „Ich habe bei meinen Clubbesuchen stets den KidsCamp-Werbefilm vorgeführt. In diesem Sommer werde ich einen Tag im Camp mithelfen und kochen.“ Am Geld scheitert das rotarische Engagement jedenfalls nicht, auch wenn die anfangs kalkulierten 90 Euro pro Teilnehmer längst nicht mehr ausreichen. Nach Schätzungen von Martin Strauch (RC Bavaria International), dem Vorsitzenden der Urlaubskinder, stiegen die Kosten auf über 250 Euro, wobei sich die Schwankungen aus den jeweiligen Rahmenbedingungen ergeben. Die Zeltplatzmieten sind sehr unterschiedlich, bei manchen Plätzen muss man die Verpflegung mitbuchen, kann also nicht selbst kochen. In einigen Distrikten leisten Clubs oder einzelne Rotarier zudem großzügige Geld- oder Sachspenden für „ihr“ KidsCamp und entlasten dadurch das Budget.
45 Euro pro Kind fließen an den Verein Urlaubskinder, dafür müssen sich die Campleiter weder um Versicherungsfragen noch um die Ausstattung des Camps kümmern. Der Verein hält zwei komplette Ausstattungssätze bereit, also Zelte, Feldbetten, Geschirr, Spiele, Bälle usw., „eigentlich alles außer Verbrauchsmaterial“, so Buchholzke. Diese Ausstattungssätze für 50 Kinder plus Helfer im Wert von jeweils 50.000 bis 60.000 Euro werden in zwei Lagern in Rostock und Heilbronn vorgehalten und mit einigem Transportaufwand von einem Camp zum anderen gefahren. Außerdem sorgt der Verein Urlaubskinder für die Schulung der über 500 Verantwortlichen und Helfer. In der jährlichen „Akademie“ geht es um grundlegende organisatorische Fragen (Vertragsrecht, Finanzen usw.) und die Erarbeitung eines Leitfadens für alle Fragen im Zusammenhang mit einem Camp.
Was die Helfer erwartet
"KidsCamp - das steht für vier Tage Dauerstress, Kindergeplärre, Kraftausdrücke, keinen Schlaf, Teenie-Schweiß, Mückenstiche und noch ganz viele andere attraktive Aspekte... Okay, das war maßlos übrtrieben ;-) Sicherlich bedeutet Kidscamp, dass man wenig Schlaft bekommt und in den vier Tagen wenig Zeit für sich selbst hat. ABER: Die Kinder sind euch dankbar - auch wenn es nicht offensichtlich ist - für die Abwechslung in ihrem Leben, fernab von zuhause, und für drei volle Mahlzeiten. Ganz zu schweigen von den neuen Freundschaften und Perspektiven. Sicherlich, einfach wird es nicht, das KidsCamp, aber am Ende seid ihr froh, euch angemeldet zu haben. Ich spreche aus Erfahrung."
»Soft skills« vermitteln
Zumindest Campleiter und Finanzchef müssen Mitglieder im Verein, sein, damit alle KidsCamps in der Jahresmitgliederversammlung vertreten sind, erläutert Strauch, im Zivilberuf Rechtsanwalt. Drei Wochen vor jedem Camp findet zudem eine obligatorische Schulung der Helfer statt, orientiert an den Jugendleiter-Kriterien des Deutschen Bundesjugendrings. Bei Spiel und Spaß sollen die Kinder auch „soft skills“ erwerben wie Rücksichtnahme, Teamfähigkeit und Hilfsbereitschaft. Das klappt so gut, berichten Strauch und Buchholzke, dass man schon bald auf die Idee kam, ehemalige Teilnehmer später als Helfer einzusetzen. „Zunächst als helfende Elfen, wie sie im Distrikt 1830 heißen“, erläutert Strauch, „ab 18 können sie dann als richtige Helfer mitmachen. So wirken die KidsCamps nachhaltig auf die Entwicklung der Kinder. Und vielleicht findet der eine oder die andere irgendwann sogar zu Rotaract.“
Etwa der 20-jährige Kfz-Mechatroniker Juan Carlos Zahn aus Pforzheim, Teilnehmer im ersten Camp 2008 und erklärter „großer Fan“. Heute arbeitet er regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen, im KidsCamp 1830 wie auch als Fußballtrainer einer Jugendmannschaft. Mit der Ausbreitung der Idee sind naturgemäß auch die Belastungen gestiegen. Dort, wo es um finanzielle Engpässe geht, hoffen die Rotaracter auf ihre bewährten Partner bei Rotary. Als vordringlich nennt Strauch Hilfe beim Transport der beiden Ausstattungssätze. Heute muss der Verein teure Speditionsleistungen einkaufen, weil von den jungen Leuten kaum noch einer einen Führerschein hat.
Spediteur gesucht
Eine rotarische Spedition wäre hochwillkommen, ebenso ein Sponsor für die Lagerung des Materials, das jeweils die Kapazität von einem 7,5-Tonner und einem großen Sprinter umfasst. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Beschäftigung einer Bürohilfe in Heilbronn, ohne die der Arbeitsaufwand nicht mehr zu schaffen ist. „Was wir uns wünschen“, so Strauch, „wären möglichst viele Rotary Clubs oder einzelne Freunde als Fördermitglieder des Vereins Urlaubskinder. Das gäbe uns eine gewisse Planungssicherheit.“
KidsCamp Termine 2016
KidsCamp Ort Termin
D1800 Wolfsburg 14.-17.07.16
D1810 Bonn 18.-21.08.16
D1820 Münchhausen 19.-24.08.16
D1830 Heilbronn 25.-29.05.16
D1841 Legau 06.-09.08.16
D1842 Weilheim 15.-18.05.16
D1850 Sage 23.-27.06.16
D1860 Waghäusel 25.-28.08.16
D1870 Haltern 11.-14.08.16
D1880,D1950 Weiden 31.07-04.08.16
D1890 Hamburg 26.-30.07.16
D1900 Essen 04.-07.08.16
D1910/20 St.Georgen 25.-28.08.16
D1930 Lindau 12.-16.08.16
D1940 Rabenstein 23.-27.07.16
Besucher sind willkommen. Die einzelnen Camps
finden Sie unter http://wordpress.kidscamp.ist-im-web.de/kidscamps/
Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.
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