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Wolfgang Nairz, RC Innsbruck-Goldenes Dachl

»?Unvorstellbar, nicht in die Berge zu gehen«

Aufgewachsen ist Wolfgang Nairz und hat das Bergsteigen in die Wiege gelegt bekommen. Später zieht es ihn in die Welt hinaus - vor allem in den Himalya. Für "sein" Nepal hat er 2001 mit Freunden die "Nepalhilfe" gegründet, welche Krankenhäuser und Schulen unterstützt.

Heinrich Marchetti-Venier10.06.2012

Vier Uhr morgens. Es ist kalt, saukalt im Zelt. Tagelang, ja Wochen hatten wir uns heraufgekämpft, den Weg gesucht und gefunden durch dieses Eislabyrinth, durch Séracs, über Spalten, höher und höher hinauf in die Südwand. Dann – in den frühen Morgenstunden – kam sie, die tödliche Lawine, die meinen Freund unter den Eismassen begrub. Ich habe überlebt. Knapp überlebt.“ Immer und immer wieder in die Berge gehen bringt ein Feingefühl, ein Beibehalten von Angst, aber ebenso ein jede Sekunde Konzentriertsein mit sich, um zu überleben. Und zugleich das Empfinden nahezu unendlicher Schönheit, gleich ob man über die Landschaft, in die Tiefen oder in den Himmel schaut. Diese Freude bei einer Tätigkeit zu spüren ist ein Geschenk.

Wird einem ein Beruf, eine Karriere in die Wiege gelegt? Es kommt vor, wenn man in den Tiroler Alpen aufwächst. Bergsteigen ist hier selbstverständlich. „Der Großvater, ein ,Karwendler‘ (Alpinclub), hat mich als kleinen Buben den ganzen Sommer in die Berge mitgenommen!“ Und damit war der richtige Lehrherr gefunden. Der Höhe nach gibt es seit Kindesbeinen für „Wolfi“ keine Grenzen mehr. Sechs Jahre des Lebens verbringt er zusammengerechnet insgesamt auf der höchsten Region unserer Erde, in Nepal alleine sind es 76 Aufenthalte. Ein „Bergfex“ ist aus ihm geworden – in der besten Bedeutung des Wortes – und einer der ganz großen Pioniere.

Den „erfolgreichsten Bergsteiger der Welt“ nennt ihn Edmund Hillary. Eine andere Rolle spielte das sich selbst in die Höhe Erheben. Wie ein Vogel in die Lüfte steigen, ein uralter Traum der Menschen, den sich Nairz auf doppelte Weise erfüllt hat. Zuerst mit dem Drachenfliegen, worin er dieselbe Perfektion erreichte wie in dem Unterfangen, sich mit dem Ballon noch einmal über die höchsten Berge hinauszubewegen.

Es waren stets ineinandergreifende Stationen des Berufslebens, welche Nairz vom Vermessen der heute abnehmenden Gletscher zum besten Kenner der alpinen Gebirge auf der Erde geführt haben. Das detailreiche Wissen weitergeben, ein Team von Leuten, meistens Freunde, zu einem gemeinsamen, höchst gefährlichem Ziel zu führen, und diese Begeisterung den übrigen Menschen zu vermitteln, das gehört bis heute dazu. Gefragt, wie man es schafft, eine Gruppe von Individualisten zu leiten, versteht sich Nairz auf das Wort „Demokratur“. Nicht ein militärischer Stratege ist gefordert, sondern die Reaktion eines Menschen, der im Ernstfall einziger und harter Entscheidungsträger sein muss.

„Als Freunde losziehen, als Freunde zurückkommen“ ist ihm das wesentlichste Ergebnis nach einer Expeditionsleitung. Mit Sir Edmund Hillary, auch Rotarier und sein Freund, dessen Sohn er einmal das Leben gerettet hat, teilt er eine Liebe, die sich heute auf den Himalaya verteilt. Er ist „süchtig“ nach seinem „Land der Leidenschaften“, jedes Jahr muss er dort sein. Er sieht die seltene Harmonie, die Fröhlichkeit der Nepalesen, besonders der Sherpas, von Menschen, die nicht viel haben. Sie in ihrer Umwelt durch ein besseres Einkommen, das er im Trekking-Tourismus sieht, für die Zukunft gerüstet zu sehen und ihre Gesundheit zu stärken, wird ihm lebenslanges Anliegen. Seit 1979 organisiert Nairz medizinisches Gerät und gründet 2001 mit Freunden die „Nepalhilfe“, welche bislang 520.000 Euro für Spitäler und Schulen aufbringen konnte. Stolz ist er auf das „Eye-Camp“ als rotarisches Projekt, wo österreichische Ärzte 300 Operationen kostenlos durchgeführt haben. Ein anderes Vorhaben bringt über 200 Sherpas auf Berghütten nach Tirol zur Ausbildung, um ihnen damit eine neue Existenz daheim zu verschaffen.

Gibt es noch andere Vorlieben? Fotografie, klassische Musik und auch gemütlich mit Frau Etti und Hund Yeti einmal zu Hause sein, werden genannt. Insgesamt eines der glücklichsten Leben, das sich ein Mensch überhaupt wünschen kann, man sieht es ihm ins Gesicht geschrieben.

Heinrich Marchetti-Venier

DDr. Heinrich Marchetti-Venier wurde in Oberösterreich geboren. Nach dem Abitur nahm er ein Studium des Lehramtes sowie der Geistes- und Naturwissenschaften an den Universitäten Salzburg auf, es folgten die Stationen, Wien, München, Bochum, Turin, Strasbourg und Washington. Anfangs Tätigkeit in der Raumordnung, später als Historiker und Privat-Gutachter sowie Autor. Er hatte lange Zeit das Amt des Distriktberichters für die österreichischen Distrikte D 1910 und 1920 inne. Heinrich Marchetti-Venier starb im November 2015.