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Porträt

Mit Technik die Welt retten

Porträt - Mit Technik die Welt retten
Frank Neumann mit Schmuckschal aus Ghana und dem Urmodell des TeoG-Verbrennungs­ofens, der ­inzwischen in drei Kontinenten nachgebaut wurde. © Bastian Frank

Frank Neumann begeistert mit dem Verein Technik ohne Grenzen junge Ingenieure für Problemlösungen, die in armen Regionen Überleben ermöglichen.

Matthias Schütt01.03.2017

Der Name ist kein Zufall: Der Ver­ein Technik ohne Grenzen (TeoG) entstand 2010, als der Fertigungsingenieur und Un­ter­nehmensberater Frank Neumann (RC Höchstadt an der Aisch) beschloss, dass nicht nur Ärzte, sondern auch Ingenieure und Technikbegeisterte ihr Know-how für bessere Lebensverhältnisse in unterversorgten Regionen einsetzen sollten. Als Rotarier waren für ihn die German Rotary Volunteer Doctors (GRVD) naheliegende Ansprechpartner.

Mit der Kombination beider Konzepte begann eine fruchtbare Zusammenarbeit. Da sind zum einen die Ärzte vom GRVD, die vor allem in Ghana und Nepal Kon­takte zu einzelnen Kliniken aufbauen, um die ärztliche Versorgung durch eigene Arbeitseinsätze und Weiterbildung des einheimi­schen Personals sowie die Bereitstellung notwendiger Geräte zu verbessern. Auf der anderen Seiten bietet TeoG Dienstleistungen an, die die Arbeit der Doctors flan­kieren. Das reicht von der Errichtung von Ver­­brennungsöfen für medizinische Abfälle über den Aufbau solarbetriebener Notstromanlagen für OPs bis zur Einrichtung und Wartung von medizinischen Geräten.

Ethik in der Praxis
„Unser Konzept geht noch darüber hinaus“, erläutert Neumann. „Wir wollen vor allem junge Leute einbinden, Jung-Ingenieure und Studenten nicht nur, aber zumeist technischer Fächer, die Praxiserfahrung suchen.“ Die aber auch einen Blick für die prekären Verhältnisse in anderen Teilen der Welt gewinnen sollen und auch für die ethischen Anforderungen ihres Berufs. Als Dozent an der Hochschule für ange­wandte Wissenschaften Ansbach lehrt er das Fach „Technik und Ethik“ und bringt seine Stu­denten dazu, sich intensiv mit den Auswirkungen ihrer Arbeit, mit Umweltschutz und sozialen Fragen zu befassen. Der ehe­malige Spitzenmanager bei Siemens sieht sich selbst nicht als „dogmatischen“ Techniker. Für ihn steht der Mensch immer im Mittelpunkt. Das will er seinen Studenten in Ansbach vermitteln – und auch den vie­len jungen Leuten bei Technik ohne Grenzen. Etwa 70 Prozent der 500 Mitglieder sind Studenten oder Berufsanfänger, bei denen er mit seinem Ansatz offene Türen einläuft: „Die jungen Leute haben ein unglaubliches Sendungsbewusstsein und kehren nach vier Wochen Auslands­einsatz als gestandene Persönlichkeiten zurück.“

Gefragt sind Modelllösungen
Für ihre Projekte, vielfach von Rotary Clubs (mit)finanziert, suchen die 13 Regionalgruppen des Vereins Projektleiter, die die Einsätze vorbereiten und dann mit einem Team vor Ort umsetzen. Dabei ist keineswegs immer GRVD der Partner. Ein relativ einfaches Angebot läuft unter dem Kürzel „TCB“ (Teaching Computer Basics) und sieht ein Trainingsprogramm für Lehrer vor, die in die Arbeit mit Computern eingewiesen werden. Ganz anders gelagert sind Aufgaben wie die erwähnte Notstromversorgung oder die Reparatur von Geräten. Der erste Schritt, um ein gebrauchtes Röntgengerät wieder flottzumachen, liegt allerdings häufig auch „nur“ in der Erarbeitung einer ausführlichen Bedienungsanleitung.

„Bei all unseren Aufträgen steht der Gedanke der Standardlösung im Vordergrund“, betont Neumann. Das heißt, Modelllösungen zu finden, die sich an anderen Orten wiederholen lassen. Das ist aus Kostengründen sinnvoll, aber wichtiger ist: TeoG lebt von der Begeisterung junger Menschen, sie müssen vor Ort Aufgaben bekommen, die sie leisten können.

Die Vorbereitung ist ohnehin langwierig genug, weil der Projektleiter viel selbst organisieren muss, etwa die Finanzierung. Der Verein zahlt die Flugkosten und zwei Übernachtungen, den Rest müssen die Teams mitbringen. Dazu suchen sie Sponsoren – in der Uni, mit kreativen Aktionen in der Öffentlichkeit und natürlich in Rotary Clubs. Durchschnittlich 5000 bis 10.000 Euro betragen die Projektkosten.

Das Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe
Für die Einsätze gelten zwei Regeln. Die eine: Wir wollen weder beglücken noch bedienen. Das heißt: Es wird nur gebaut, was wirklich gebraucht wird (und nicht, was wir vielleicht für wichtig halten), und es geht nicht darum, was die Empfänger sich wünschen, es sei denn, es deckt sich mit dem, was nach objektiven Kriterien sinnvoll ist. Der zweite Grundsatz betrifft den ethischen Aspekt: Hilfe zur Selbst­hilfe ist das Ziel, deswegen sollen die TeoG-­Leute weitgehend ihre Hände in den Hosen­taschen lassen. Die Arbeiten am Projekt müssen die Nutzer selbst vornehmen. Wie bei einem Wasser-Projekt, bei dem zwei deutsche und zwei ghanaische Regionalgruppen zusammenarbeiten und auf ökologischer Basis in Ghana Brunnen reinigen, die verstopft und bereits auf­gegeben waren. Das vom RC Göttingen finan­zierte Projekt wird inzwischen von den Einwohnern selbst fortgeführt.

Innerhalb der Richtlinien sind der Krea­tivität keine Grenzen gesetzt. Just do it ist Neumanns Lebensmotto. Er kann es nicht ertragen, wenn Probleme immer wieder zerredet werden. „Wenn du da unten bist, musst du entscheiden. Jede Entscheidung ist besser als keine“, vermittelt er seinen Leuten. Das hat er in einem langen Arbeits­leben gelernt, das mit einer Lehre zum Feinmechaniker begann und über die Fachhochschule Hamburg an die Technische Universität Berlin führte zu Diplom und Promotion. Noch als Doktorand fing er bei Siemens an – und verließ den Konzern 25 Jahre später, um mit Mitte 50 als selbstständiger Unternehmensberater noch mal was Neues zu machen.

Als Vorsitzender des Vereins Technik ohne Grenzen hält sich Neumann weitgehend im Hintergrund. Einzige Ausnahme: In die Kontakte zu den Clubs möchte er eingebunden sein. Rotary ist nicht nur Tauf­pate des Vereins, sondern auch der wertvollste Ansprechpartner, wenn es um Finanzierung geht. Die jungen Leute haben tausend Ideen, aber kein Geld.


zur Person
Frank Neumann (RC Höchstadt an der Aisch) wurde 1950 in Neumüns­ter geboren und arbeitete sich von der Handwerkslehre bis hinauf zum Dr.-Ing. Für den passionierten Lang­streckenläufer, der jeden Morgen eine Fünf-Kilometer-Runde mit Hund dreht, wartete bei Siemens ein Marathon an Leitungsaufgaben. Auch anderen Herausforderungen ist Neumann nie ausgewichen, weder dem Schritt in die Selbstständigkeit noch dem Ehrenamt: Seit vielen Jahren widmet er sich gemeinnützigen Aufgaben, lange Jahre im Verein Deutscher Inge­nieure (VDI) und seit 2010 als Vorsitzender des Vorstands von Technik ohne Grenzen e.V. (teog.de).

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.