Am 1. Juli 2012 tritt er das Amt des Präsidenten von RI an - Sakuji Tanaka im Gespräch
»Aus japanischer Sicht ist eine langsame, graduelle Veränderung angebracht«
Sakuji Tanaka trat 1975 als Gründungsmitglied dem RC Yashio in Japan bei. Er diente 1994 bis 1995 als Governor, 2003 bis 2005 als RI Direktor und 2006 bis 2010 als Rotary Foundation Trustee. Am 1. Juli 2012 tritt er das Amt des Präsidenten von RI an
Tanaka war Vorsitzender der Daika Company und Präsident eines Industrieverbandes sowie Vizepräsident der Handelskammer von Yashio.
Für seine Verdienste bei Rotary erhielt Sakuji Tanaka den Service Above Self Award und den Distinguished Service Award. Seine Frau Kyoko und er sind Paul Harris Fellows, Benefactors des Permanent Fund sowie als Major Donors Mitglieder der Arch C. Klumph Society. Tanaka hat auch eine Rotary Peace Fellowship gestiftet. Sakuji Tanaka und Kyoko sind seit 1963 verheiratet, haben drei Kinder und sechs Enkelkinder und leben in Yashio.
Chefredakteur John Rezko sprach mit Präsident elect Tanaka in seinem Büro in Evanston. „Wir trafen uns im November gemeinsam mit Eiko Terrao von der RI Language Services Division, die als seine persönliche Dolmetscherin fungiert. Herr Tanaka ist ein kompakter Mann, der über eine überschäumende Energie verfügt. Er ist nachdenklich, hat stets ein Lächeln bereit und ist immer sehr bestrebt, jede Frage ganz genau zu verstehen. Dabei ist er stets ebenso freundlich wie leidenschaftlich. Man hat den Eindruck, als sei er sich nicht ganz im Klaren darüber, wie inspirierend er sein kann.“
Was war Ihre Reaktion, als Sie von der Nominierung erfuhren?
Tanaka: Ich war überrascht und voller Freude. Es war fast wie ein Wunder, denn ich hätte nie gedacht, dass das passieren würde, besonders jemandem wie mir aus so bescheidenen Verhältnissen. Es waren aber auch gemischte Gefühle, die mich überkamen, denn mir war zugleich klar, welche immense Arbeit und Verantwortung auf mich zukommt. Aber ich war sogleich entschlossen, es zu dem besten Jahr zu machen und mein Bestes dafür zu geben.
Können Sie für uns noch einmal die Schritte auf Ihrem Weg zur RI-Präsidentschaft nachzeichnen?
Vor ungefähr drei Jahren wurde mir nahegelegt, doch für die Präsidentschaft zu kandidieren, und zwar von den „senpai“ – das ist unser japanischer Ausdruck für das Kollegium altgedienter Rotarier der Führungsebene. Zuerst lehnte ich ab, doch sie ermutigten mich weiterhin. Und dann gibt es noch einen anderen japanischen Ausdruck, „shikataganai“, das heißt so viel wie: Es liegt nicht in meinen Händen, ich habe keine Kontrolle darüber. Also kandidierte ich und wurde gewählt. Jetzt bleibt mir nur, mein Bestes zu geben.
Ich komme aus wie gesagt bescheidenen Verhältnissen, und ich kann mich nicht unbedingt als sehr intellektuell und gebildet bezeichnen. Aber ich hoffe, dass ich genau damit anderen ein Beispiel sein kann, die vielleicht kandidieren möchten, aber fürchten, dass ihnen die Qualifikation fehlt.
Wenn Sie mit jedem Mitglied persönlich sprechen könnten, was wäre Ihre Botschaft?
Ich würde jeden wissen lassen, dass es keine höheren oder untergeordneten Positionen bei Rotary gibt. Jedes Mitglied ist gleich. Ich würde auch fragen, warum er oder sie Rotary beigetreten ist. Denn ich möchte die Gemeinsamkeiten unter ihnen herausfinden, und was Rotary für sie bedeutet. Und dann würde ich fragen, was aus Rotary werden sollte und in welche Richtung wir uns fortentwickeln sollten.
Was hoffen Sie, während Ihrer Amtszeit zu erreichen?
Rotary ist zu wenig bekannt für all das Gute, das wir tun. Das muss sich ändern. Rotary mag vielleicht erfolgreich darin sein öffentliches Image als Organisation zu pflegen, aber es fehlt vielen Rotariern an der Bereitschaft, persönlich dafür zu werben, warum sie dieser Organisation angehören. Ich hoffe, dass ich in der Lage sein werde, eine Art Vorlage liefern zu können – und sei es nur in Form einer kurzen Rede –, die Rotarier auf ihr eigenes Umfeld anpassen können, um anderen mitzuteilen, was Rotary ist und tut.
Ist eine einjährige Amtszeit zu kurz für die RI-Präsidentschaft, und gibt es größere Herausforderungen?
Ich glaube, ein Jahr reicht als Amtszeit aus. Die Arbeit beginnt ja bereits als Präsident elect, man arbeitet also praktisch zwei Jahre im Amt, nicht nur eines. Die kulturelle Herausforderung ist da schon größer. Jeder Präsident kommt aus einem anderen kulturellen Umfeld, und das eigene Denken und was einem eingeprägt wurde, trifft nicht unbedingt auf andere zu. So kann es zum Beispiel sein, dass ein Präsident mit der Einstellung ins Amt kommt, in einem Jahr die ganze Welt verändern zu wollen. Aus japanischer Sicht ist aber eine langsame, graduelle Veränderung angebracht.
Können Sie uns beschreiben, wie Sie zu Ihrem Motto kamen?
Die Rotary Peace Centers wurden als Teil der Rotary Foundation 2002 eingerichtet, und ich war von Anfang an, bereits vier Jahre zuvor, daran beteiligt, das Programm aufzubauen. Ich hatte also eine enge Verbindung mit dem Thema Frieden, da die weltweite Friedensförderung eine zentrale Bedeutung für mich hat.
Frieden wird oft definiert als etwas, das es nicht ist – etwa als die Abwesenheit von Konflikten. Wie definieren Sie Frieden?
Frieden ist meines Erachtens etwas sehr Abstraktes. Das ist schwer zu definieren. Und die Definition hängt wahrscheinlich von der Region oder sogar dem Ort ab, wo man lebt. In manchen Gegenden kann es Frieden bedeuten, Trinkwasser zu haben oder zur Schule gehen zu können. Allein das Bewusstsein, seine Familie sicher zu wissen, kann Frieden sein. Das Konzept Frieden beinhaltet, erfüllt, zufrieden und glücklich zu sein. Damit ist Frieden auch eine Angelegenheit sehr persönlicher Wahrnehmung. Wenn ich so zurückdenke, war das Nachkriegsjapan sehr, sehr arm, und das Leben war sehr hart. Und doch waren viele einfach froh, weil sie das Gefühl hatten, wieder zu einem normaleren Leben zurückkehren zu können. Zurzeit herrscht jedoch besonders in Japan weder Krieg noch Konflikt, und doch sind die Menschen unzufrieden.
Es sollte in jedem Gemeinwesen möglich sein, dass junge Menschen die Möglichkeit haben zu träumen. Wenn ich durch die Welt reise oder auch nur in Japan unterwegs bin, ist meine erste Frage an junge Menschen immer die nach ihren Träumen. Und nicht alle können mir eine Antwort geben. Ich würde mir wünschen, dass jeder Mensch einen Zukunftstraum hat – ob das der Wunsch ist, Lehrer zu werden – oder Präsident.
Was muss ein jeder von uns bereit sein zu tun, um für den Frieden zu arbeiten?
Ich glaube, wir müssen uns alle bewusst sein, warum wir auf dieser Welt sind. Jeder Mensch hat seine eigene Mission zu erfüllen. In meinem Amtsjahr möchte ich alle Rotary Clubs anregen, in zumindest einem Meeting zu diskutieren, was der Begriff Frieden für jeden Einzelnen bedeutet. Wenn Menschen sich bewusster darüber sind, was Frieden für ihren Nächsten bedeutet, wird sich jedes Mitglied im Club mehr dafür einsetzen. Und ich glaube, dass jeder Club die Bedürfnisse seines Gemeinwesens analysieren und sich dann nach Kräften dafür einsetzen muss. Die Stärke von Rotary liegt genau darin, in 34.000 Gemeinwesen präsent zu sein. Und wenn sich 34.000 Clubs lokal für den Frieden einsetzen, wird uns das dem Ziel des Weltfriedens näherbringen.
Glauben Sie, dass es unsere Stärke ist, dass wir nicht politisch, wirtschaftlich oder ideologisch gebunden sind?
Ja, ganz bestimmt. Obwohl Rotarier verschiedene Religionen und Völker repräsentieren, sind diese Unterschiede kein Thema für uns. Im Gegenteil: Ich glaube, es ist unsere Stärke, dass wir unsere verschiedenen Hintergründe und Vorstellungen tolerieren und respektieren.
In Bezug auf den Frieden: Gibt es einige Situationen, die einfach hoffnungslos verfahren sind – zum Beispiel das Versagen afrikanischer Länder oder der israelisch-palästinensische Konflikt?
Es mag Situationen geben, die in der Tat hoffnungslos erscheinen. Doch wir müssen uns trotzdem beharrlich dafür einsetzen, wie wir helfen können. Zum Beispiel müssen wir die Vereinten Nationen weiter in ihrer Arbeit unterstützen. Es ist traurig, dass die Menschen in diesen Situationen nicht einmal über die wesentlichsten Dinge des alltäglichen Lebens verfügen, die für uns andere selbstverständlich sind.
In armen Ländern sind viele Menschen nicht gebildet und nicht in der Lage, einen Ausweg aus ihrer Situation zu finden. Daher ist es so wichtig für Rotary, auf jede Weise zu helfen, sei es durch ein Bildungsprogramm, sodass Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen können. Man muss den Menschen den Fischfang beibringen, anstatt ihnen Fisch zu geben.
Glauben Sie, dass es sinnvoll wäre, wenn bewaffnete UNO-Truppen, die in Konfliktsituationen im Einsatz sind, nicht „Peacekeepers“ genannt würden?
Es wäre natürlich besser, wenn sie keine Waffen tragen würden, doch sie müssen sich natürlich selbst schützen können.
Wenn der Frieden kommt, woran merken wir das?
Damit kommen wir wieder zurück zu den verschiedenen Definitionen von Frieden in verschiedenen Regionen. Wo Menschen nicht zur Arbeit gehen können, ohne Angst haben zu müssen, wäre es schon Frieden, wenn das möglich würde. Und in Gegenden, wo Kinder nicht ungefährdet zur Schule gehen können, würde es einen großen Schritt zum Frieden bedeuten, wenn das möglich gemacht würde. Viele Menschen können keine Zeitung lesen, weil sie Analphabeten sind. Wenn sie eines Tages dazu in der Lage sein könnten, wäre das eine Form von Frieden. Frieden wird letztlich sein, wenn jeder Mensch in der Lage wäre, persönliche Erfüllung zu finden. Selbst ein reicher Mensch, der nicht das Gefühl der Selbsterfüllung und der Selbstzufriedenheit erfahren kann, kann keinen Frieden finden.
Interview: „The Rotarian“
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