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Ein Ort für Künstler

Ein Schloss mit bewegter Geschichte

Ein Ort für Künstler - Ein Schloss mit bewegter Geschichte
Zu dem Ensemble gehören ein alter und ein neuer Teil sowie die alte Schlosskirche. © Maik Schuck

Dr. Peter D. Krause ist Politiker und Schlossherr. Als Direktor von Schloss Ettersburg kämpft er für die kulturelle Bedeutung des Ortes – unter anderem mit einem Festival.

Anne Klesse01.05.2017

Berührungsängste kennt er nicht. Dr. Peter Krause fragt für sein all­jährliches Pfingst.Festival Künstler und Publizisten an, die er an­regend und interessant findet und bei denen Reibung entstehe. So hat der Direktor von Schloss Ettersburg bei Weimar für das Spektakel, das Ende dieses Monats zum siebten Mal beginnt, neben dem Philo­sophen Peter Sloterdijk auch Die-Linke-­Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die Schriftsteller Thea Dorn und Rüdiger Safranski sowie den Populisten Thilo Sarrazin verpflichtet. An den Tagen zwischen diesen „Ettersburger Gesprächen“ sind Lesungen und musikalische Beiträge geplant – und auch da ist Krause offen für jegliche Form: Auf Poetry Slam folgen klassische Klavierkonzerte.

Seit jeher ein Ort für Künstler
Peter Krause, Anzughose, Hemd, dunkler Pullover, markante Brille, sitzt auf der Terrasse des Schlosses und blickt versonnen ins Tal. Fürst Pückler-Muskau legte die rund 900 Meter lange Waldschneise an, die sich vom Schloss in gerader Linie Richtung Sü­den zieht und Gartendenkmal Europas ist. Herzog Wilhelm Ernst ließ hier zu Be­ginn des 18. Jahrhunderts ein Jagdschloss errich­ten. Anna Amalia wählte Schloss Et­ters­burg 1775 zu ihrem Sommersitz. Goethe, Wieland und Herder, so erzählt man sich, waren häufige Gäste. Schiller beendete hier 1800 seine „Maria Stuart“. Auch Mitte des 19. Jahrhunderts blieb das Schloss mit Gäs­ten wie Liszt oder Hebbel Künstler-Ort.

Ständige Umnutzungen und der Verfall prägten jedoch die folgenden Jahrzehnte. 2007 wurde das Ensemble vom jetzigen Pächter und Krauses Arbeitgeber, dem Bil­dungswerk BAU Hessen-Thüringen, saniert. Heute sind Schloss und Park Eigentum der Klassik Stiftung Weimar und zählen ge­mein­sam mit der Anna Amalia Bibliothek und weiteren Denkmälern der Stadt Weimar zum Unesco-Welterbe. Gemein­nützig wird eine Akademie betrieben, das Schlosshotel bietet 23 Zimmer und fünf Suiten, Restaurant und Café, die historischen Säle, Seminar- und Clubräume wer­den für Tagungen oder Hochzeiten gemietet. Im August vorigen Jahres konferierten hier die Außenminister von Frankreich, Polen und Deutschland. Die kleine Schloss­kirche aus dem 19. Jahrhundert hat einen Kirchenraum, der als Chor der Stiftskirche aus dem 11. Jahrhundert überdauert hat. Die wertvolle Peternell-Orgel des Gotteshauses wurde mit Hilfe von Spenden, hauptsächlich einer Zuwendung des RC München in Höhe von 43.000 Euro restau­riert.

Die Erinnerung präsent halten
Peter Krause wünscht sich die weitere Belebung des gesamten Ensembles. Der 53-Jährige ist gut vernetzt in seiner Heimat Weimar. Vor dem Studium arbeitete er in der Redaktion des Thüringer Tageblatts, bis er 1988 einen Ausreiseantrag stellte und gekündigt wurde.

Ein Rotmilan zieht über den Buchen seine Runden. Im Oktober 1989 sei er noch kurz vor dem Mauerfall ausgewiesen worden. Er studierte dann in Oldenburg und Berlin, schrieb seine Dissertation in München. Und probierte einiges aus, hatte auch beruflich keinerlei Berührungsängste, wo­für er später kritisiert wurde. Als Referent der ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin und CDU-Politikerin Vera Lengsfeld im Bundestag lernte er die große Politik kennen, wurde dann selbst Landtagsabgeordneter in Thüringen und ist bis heute Stadtrat in Weimar.

Krause schirmt seine Augen vor der Son­ne ab. „Bei klarem Wetter kann man nach Westen bis zur Wartburg und nach Nordwesten bis zum Brocken sehen.“ Immer präsent, nicht nur aufgrund der direkten Nach­barschaft, ist die Gedenkstätte Buchenwald. In dem Konzentrationslager der Nationalsozialisten, einem der größten auf deutschem Boden, starben mehr als 56.000 Menschen. Der Oberbefehlshaber der Alli­ierten Streitkräfte schrieb nach der Befreiung 1945: „Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick.“

Erst kürzlich wurde der 72. Jahrestag der Befreiung begangen. Die „frohe Aura des Weimarer Hausberges“ habe sich in der NS-Zeit in ihr Gegenteil gewandelt, heißt es im Prospekt zu Schloss Ettersburg. Eine Tafel an der Gartenmauer erinnert an den Einsatz US-amerikanischer Mediziner für die Überlebenden. Es gibt eine begehbare „Zeitschneise“ zwischen Schloss und Gedenkstätte. Krauses Miene lässt erkennen, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, eine Verbindung zu schaffen zwischen dem Wunsch, Ettersburg zu einem touristisch und kulturell attraktiven Ort zu ent­wickeln, und gleichzeitig die Erinnerung an die monströsen Verbrechen in der di­rek­ten Nachbarschaft auch im Schloss wachzuhalten.

Und so sind es kleine Schritte, die Krau­se geht. Jedes Jahr versucht er, zumindest mit einer der rund 30 Veranstaltungen sei­­­nes Pfingstprogramms auf die andere Seite des 474 Meter hohen Ettersberges, die Gedenkstätte Buchenwald, hinzuweisen. In diesem Jahr wird eine Rilke-Verto­nung von Viktor Ullmann zu hören sein, uraufgeführt 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt.


Pfingst.Festival 2017
Unter Schirmherrschaft des ­Präsidenten des Thüringer ­Landtags finden vom 31. Mai bis 11. Juni Lesungen, Podiums­gespräche und Konzerte statt, unter anderem mit dem Philosophen ­Peter Sloterdijk, Schauspieler ­Ulrich Noethen und Sängerin ­Sophie Zelmani.
schlossettersburg.de