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Rotary Entscheider

„Eine Fehlerkultur ist sehr wichtig“

Rotary Entscheider - „Eine Fehlerkultur ist sehr wichtig“
© Mario Andreya / Deutsche Bank AG

Die Deutsche Bank hat harte Entscheidungen hinter sich. Vorstandsmitglied Karl von Rohr blickt nun positiv in die Zukunft – und hegt einen geheimen Traum.

Anne Klesse01.09.2017

Die zwei Deutsche-Bank-Türme gehören zur Stadtbild-prägenden Skyline von Frankfurt am Main wie der Ebbelwoi zur regionaltypischen Grünen Soße. In einem der Türme, recht weit oben, sitzt Karl von Rohr, im Vorstand des größten Kreditinstitutes Deutschlands für die Bereiche Personal, Recht und Governance zuständig. Der 51-Jährige kennt das Innenleben des Bankhauses wie kaum ein anderer. 

Herr von Rohr, hat die Deutsche Bank aus ihren Fehlern gelernt?
Wir haben einiges gelernt bei der Aufarbeitung der Altlasten in den vergangenen 18 Monaten: Kontrollmechanismen im Unternehmen wurden gestärkt, Systeme verbessert und Prozesse neu aufgesetzt, um zu gewährleisten, dass wir in Zukunft besser arbeiten. So stellen wir sicher, dass Strukturen und Kontrollen bei schnellem Wachstum auch mitwachsen. In der Vergangenheit ist hier einiges falsch gelaufen. Aus diesen Erfahrungen haben wir einen strukturierten Lessons-Learned-Prozess entwickelt. Wir befassen uns intensiv mit den Fehlern, die gemacht wurden, auch, inwieweit sich die Lektionen aus bestimmten Fällen bankweit auf benachbarte Bereiche mit vergleichbaren Risiken übertragen lassen. Wir wollen sicherstellen, dass sich solche Dinge nicht wiederholen.

Wie wichtig ist es, zu Fehlern zu stehen? 
Eine Fehlerkultur ist sehr wichtig für Unternehmen. Mitarbeiter müssen wissen, dass Fehler passieren dürfen, man aber daraus lernen und Schlüsse ziehen muss. Es muss offen geredet werden über das, was schiefgelaufen ist. Das haben wir bei der Deutschen Bank sehr intensiv getan. Ich finde es wichtig, als Vorstand für die Fehler der Institution – egal, ob sie während oder vor unserer Zeit passiert sind – die Verantwortung zu übernehmen. Das alles ist Teil des Wandels, der gerade bei uns passiert. 

Nach zweifelhaften Hypothekengeschäften vor der Finanzkrise 2008 einigte sich die Deutsche Bank im vergangenen Jahr mit den US-Justizbehörden auf einen Vergleich und muss nun insgesamt 7,2 Milliarden US-Dollar Strafen zahlen. Wie viele der Streitfälle sind mittlerweile abgearbeitet?
Diese sieben Milliarden Euro teilen sich auf in 3,1 Milliarden US-Dollar für tatsächliche Strafzahlungen sowie 4,1 Milliarden US-Dollar an Zinserleichterungen, die wir Verbrauchern in den USA einräumen. Dieser Ausgleich für Konsumenten dürfte uns weitaus weniger kosten als den Nominalwert von 4,1 Milliarden. Das heißt, der wirkliche Gewinn- und Verlust­-Effekt ist insgesamt deutlich geringer. Wir haben in den letzten 18 Monaten konzentriert und diszipliniert an den großen Streitfällen gearbeitet. Insgesamt ist etwa die Hälfte der Fälle abgeschlossen oder kurz vor dem Abschluss. Konkret heißt das: Von den 20 größten Fällen, auf die Anfang 2016 – finanziell betrachtet – fast 90 Prozent unserer juristischen Risiken entfielen, haben wir bis heute elf Fälle ganz oder teilweise beigelegt und bemerkenswerte Fortschritte in anderen Fällen erzielt. 

Vor einem Jahr war die Deutsche Bank vom IWF-Länderreport als die Bank mit dem weltweit höchsten Systemrisiko eingestuft worden. Was ist seither passiert?
Wir sind heute stabiler, als wir es je zuvor waren. Vor Kurzem haben wir eine große Kapitalerhöhung gemacht. Zudem liegen die Liquiditätsreserven bei mehr als 250 Milliarden Euro. Damit hat die Deutsche Bank sehr gute Stabilitätskennzahlen. Wir stellen fortwährend Mitarbeiter in der Qualitätskontrolle ein und sind nun genauer in der Auswahl unserer Geschäftspartner. Waren es früher 30, so stufen wir aktuell mehr als 100 Länder als besonders risikoreich ein. 

Mit Blick auf die turbulenten vergangenen Jahre: Würden Sie noch einmal Banker werden wollen?
Sicher gibt es auch andere Dinge im Leben, die interessant wären. Aber ich bin in den letzten 20 Jahren, die ich bei der Deutschen Bank arbeite, doch immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass das Unternehmen mir unendlich viele Möglichkeiten bietet und ich hier sehr zufrieden bin. Das Finanzdienstleistungsgeschäft übt – trotz der Dinge, die im ganzen Sektor schiefgelaufen sind – nach wie vor eine Faszination auf mich und viele andere aus. Gerade jetzt, wenn sich das Bankgeschäft diesem fundamentalen Wandel gegenübersieht, ist der Sektor interessant. Die einzige andere Alternative wäre eigenes unternehmerisches Engagement. 

Was ist das Schönste an Ihrem Job, was ist das Nervenaufreibendste? 
Nervenaufreibend ist es, gegen Vorurteile, Wahrnehmungen und Stimmungen, die aus nachvollziehbaren Gründen in der Gesellschaft entstehen, zu arbeiten. Natürlich, die Deutsche Bank hat sich nicht nur mit Ruhm bekleckert. Gleichzeitig ist mir bewusst, was für ein Privileg es ist, an entscheidender Stelle mitzuarbeiten, diese einzigartige Institution wieder in Fahrt zu bringen. 

Wie treffen Sie normalerweise wichtige Entscheidungen? 
Da bin ich relativ analytisch, wäge die Argumente ab. Das ist Kopfarbeit. Zu einer guten Entscheidung gehört aber ein Stück weit auch der Bauch, die Emotion.

Gibt es eine wichtige Entscheidung in Ihrem Leben, die Sie heute bereuen? 
Ich habe bestimmt schon viele Fehler im Laufe der Zeit gemacht. Aber bei den wirklich wichtigen großen Lebensentscheidungen hat das Zusammenspiel von Kopf und Bauch gut funktioniert. Rückblickend habe ich nicht den Eindruck, dass ich viel falsch gemacht habe – weder beruflich noch privat. Ich habe eine wunderbare Frau und vier tolle Kinder. Unser Ältester, 22 Jahre, bereitet sich auf sein Jura-Examen vor, unsere 19-jährige Tochter macht gerade ihr Physikum und unsere beiden jüngsten Töchter gehen noch zur Schule. Ich kann mich also wirklich nicht beklagen.  

Was möchten Sie unbedingt noch erreichen?
Ich möchte mit meiner Frau die Panamericana fahren, wenn ich beruflich etwas weniger eingespannt bin. Bis wir das in die Tat umsetzen können, wird es wohl noch ein bisschen dauern. Von mir aus könnten wir auch mit dem Motorrad fahren, aber ich fürchte, dann wäre ich allein unterwegs. 

Wie verbringen Sie sonst Ihre Freizeit?
Freizeit ist ein knappes Gut, deshalb verbringe ich sie am liebsten mit meiner Familie. Meine Frau und ich gehen zu Konzerten, in die Oper und ins Theater. Im Urlaub lese ich gerne. Für den anstehenden Sommerurlaub an der Nordsee habe ich mir einen besonders dicken Schinken vorgenommen:  „Luther: Ein deutscher Rebell“ von Willi Winkler. 

Was gefällt Ihnen an Rotary?
Als Student habe ich als Rotary-Stipendiat in den USA meinen Master an der Cornell University gemacht. Das war sicher eines der schönsten Jahre meines Lebens, da habe ich Rotary viel zu verdanken. Es war eine tolle Erfahrung, dort im Kreise der Rotarier freundlich aufgenommen und zu Familien privat eingeladen zu werden. Insofern gibt es da schon seit 25 Jahren eine Verbindung. Vor zwei Jahren bin ich dann selbst Rotariergeworden, da mir das Engagement für Menschen, die es in ihrem Leben schwieriger haben, gefällt. Natürlich mag ich auch den Austausch mit Leuten aus den unterschiedlichsten Berufen, denen ich sonst vielleicht nie begegnet wäre. Solche Gespräche, wie zuletzt mit einem Herzchirurgen oder einem Musiker, empfinde ich als sehr bereichernd. 

Zuallerletzt: Wie würde Ihre Frau Sie in einem Satz beschreiben?
Ich schätze, sie würde sagen: Er ist respektvoll, liebevoll – aber ein schrecklicher Beifahrer … Womit wir wieder beim ursprünglichen Thema wären: Ich steuere eben gerne selbst.